3D-Drucker für das Volk

Zwei Ingenieurprojekte wollen für das Rapid Manufacturing das schaffen, was die PC-Bausätze der Siebziger für die Computertechnik bewirkten: eine Industrietechnik für die Allgemeinheit öffnen – und Innovation demokratisieren.

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Von
  • Niels Boeing

Seit einigen Jahren geistert eine Idee durch die Technikwelt, die bislang als nicht realisierbar verspottet wird: eine universelle Produktionsmaschine, mit der jeder beliebige Dinge selbst herstellen kann – gerne auch mal "Santa-Claus-Maschine" genannt. In den Achtzigern war das in der Tat noch Sciencefiction, als die Enterprise in der zweiten Star-Trek-Staffel einen „Replikator“ in der Bordlounge hatte. Das so genannte Rapid Prototyping, mit denen man im Maschinenbau Prototypen von Bauteilen Schicht für Schicht „wachsen“ lässt – eine Art rudimentäre Vorstufe –, steckte da noch in den Anfängen.

Seitdem hat sich die Technologie enorm weiterentwickelt. Inzwischen können in kürzester Zeit selbst Kleinserien von stählernen Teilen mit Stückzahlen bis zu 25.000 gefertigt werden, deren Qualität herkömmlich produzierten kaum noch nachstehen. Aus Rapid Prototyping ist Rapid Manufacturing geworden. Erschwinglich ist es aber nach wie vor nur für Unternehmen: RM-Maschinen sind immer noch schrankgroße Kisten, deren günstigste Varianten etwa 20.000 Euro kosten. Für hochwertige Industriemaschinen kann man das Zehn- bis Zwanzigfache veranschlagen.

Kein Wunder, dass die Zahl der installierten RM-Anlagen überschaubar ist: Gut 12.400 waren es 2005 weltweit, berichtet der aktuelle Wohlers Report, der jährlich den Stand der RM-Branche bilanziert. Glaubt man deren Vertretern, wird sich daran so schnell nichts ändern: Weil kein Massenmarkt in Sicht ist, gibt es keinen Anreiz für die Anlagenhersteller, günstige Modelle für kleine Unternehmen oder gar Endverbraucher zu entwickeln.

Dieses Henne-Ei-Problem gab es schon einmal – bei einer Technologie, die heute jeden Winkel unseres Alltags durchdringt: Computern. Als die noch Industriemaschinen waren, brachte die Firma Popular Electronics einen Bausatz heraus, mit dem Bastler für nur 400 Dollar einen Rechner selbst bauen konnten. Eine fertig montierte Variante war für 675 Dollar zu haben. Dieser „Altair 8800“ gilt heute als der Durchbruch für das Konzept des „Personal Computers“.

Einen solchen Durchbruch will nun eine Gruppe aus Ingenieuren und Robotikern an der Cornell University für das Rapid Manufacturing schaffen: Das Fab@Home-Projekt hat ein Konzept für einen „Personal Fabricator“, kurz „Fabber“ genannt, entwickelt, der zum ersten Mal nicht nur eine nette Konzeptstudie ist. Das „Model1“ könnte womöglich der Altair 8800 für die Produktion werden.

„Das sind alles Standardteile, die zusammen etwa 2000 Dollar kosten“, sagt der Robotiker Hod Lipson, einer der Initiatoren von Fab@Home. Der Prototyp, den er und seine Kollegen gebaut haben, basiert auf dem „Fused Deposition Modeling“. In dieser RM-Variante wird erhitztes, geschmolzenes Kunstharz über Kanülen schichtweise auf einer Arbeitsplattform deponiert. Die Form einer jeden Schicht stammt dabei aus einem 3D-Datenmodell des Gegenstandes, das mit einem CAD-Programm erzeugt worden ist. Einmal aufgetragen, härtet sie aus, während die nächste Schicht folgt. Dabei müssen je nach Geometrie zunächst auch Stützen mitgefertigt werden, damit das Objekt nicht umfällt. Die werden in der Nachbearbeitung dann entfernt.

Doch das Model 1 kann nicht nur Plastikteile erzeugen. Mit Hilfe eines Metallionen haltigen Kunstharzes ist es Lipsons Team gelungen, auch Teile zu fertigen, die als elektronische Komponenten dienen. Denn anders als im Rapid Manufacturing geht es den Fab@Home-Entwicklern nicht nur um massive Teile, sondern um ganze Apparate, die sich programmieren und bewegen lassen. Lipsons Ziel: Der Fabber soll irgendwann seine eigenen Bauteile herstellen können, die man dann zu einem weiteren Fabber zusammensetzen kann. Schließlich soll das Gerät mehr als nur ein weiteres Werkzeug sein. Ein Beispiel ist ein „Aktuator“, wie er in der Robotik genutzt wird. Legt man eine Spannung an die leitende Schicht an, verbiegt sie sich und damit auch das umgebende Plastik. „Wir haben nicht nur den ersten Aktuator gedruckt, sondern kürzlich auch einen Transistor“, sagt Lipson. Eine flache geschichtete Batterie kann das Model 1 ebenfalls schon ausspucken.

Auf der Fab@Home-Projektseite, einem gut strukturierten Wiki, finden Experimentierfreudige nicht nur eine komplette Dokumentation, wie man das Model 1 baut. Auch Steuersoftware und druckbare Dateien für erste Testobjekte können dort heruntergeladen werden. Denn Fab@Home ist konsequent als Open-Source-Projekt angelegt. „Ziel ist, die Solid-Freeform-Fabrication-Technologie in die Hände von neugierigen, kreativen und unternehmerischen Bürgern zu legen“, schreibt Hod Lipson auf der Projektseite. „Fabbers können Innovation demokratisieren.“

Noch nicht so weit wie Fab@Home ist das britische RepRap-Projekt, das sich demselben Ziel verschrieben hat. Der Bausatz für den „Replicating Rapid-Prototyper“ soll am Ende nicht teurer als 500 Euro werden. Alle Konstruktionsdetails werden unter der GNU General Public License zur Verfügung gestellt.

Doch der Erfolg von Fabbern ist nicht nur eine Frage der Kosten. „Sie zu benutzen muss so einfach werden wie die Erstellung und der Druck von Dokumenten“, betont Adrian Bowyer, Ingenieur an der Universität Bath und Spiritus Rector von RepRap. CAD-Programme zur Erstellung der nötigen Konstruktionsdateien haben noch lange nicht die Benutzerfreundlichkeit anderer populärer Software erreicht. „Die Benutzeroberflächen werden sich aber schnell entwickeln“, ist sich Bowyer sicher. Das verwendeten Datenformat STL (für Standard Triangulation Language) sei schon jetzt ein offener Standard für CAD-Programme, der von RM-Technologien verwendet werden.

Während Lipson vor allem vom „Metaproblem der Ingenieurwissenschaften“ motiviert wurde, nämlich „eine Maschine zu bauen, die andere Maschinen bauen kann“, nennt Bowyer auch politische Gründe. Marx und Engels hätten im Kommunistischen Manifest die richtige Diagnose getroffen, dass das Problem der Arbeiterklasse gewesen sei, nicht über eigene Produktionsmittel außer ihrer Arbeitskraft zu verfügen. Die Lösungen seien aber nicht politische Revolutionen, sondern Produktionsmittel, die sich selbst reproduzieren können. „Eine Replicating-Rapid-Prototyping-Maschine wird ein revolutionäres Eigentum an den Produktionsmitteln durch das Proletariat ermöglichen – ohne den chaotischen und gefährlichen Revolutionskram“, schreibt Bowyer auf der RepRap-Seite. Woher das Proletariat die Materialien für die Fabber bezieht, sagt er allerdings nicht.

Solche radikalen Überlegungen gab es auch in der Computertechnik-Szene der siebziger Jahre. Es kam anders: IBM stieg 1981 ins PC-Geschäft ein, das damit doch wieder zum Big Business wurde. Bei den Fabbern dürfte es genauso kommen, ahnt auch Bowyer. Dass die RM-Hersteller noch keinen billigen 3D-Drucker auf den Markt gebracht hätten, läge an den Investitionen, die in die Entwicklung der Technologie gegangen seien. Technisch wären sie schon jetzt dazu in der Lage, sagt er. „Doch viele Patente laufen bald aus. Dann steigt ein dicker Fisch wie Hewlett-Packard ein und verkauft Fabber für 1500 Euro.“

Zum Weiterlesen:
Hod Lipson, "Homemade: The future of Functional Rapid Prototyping", IEEE Spectrum, Mai 2005

Videos:
Rapid-Manufacturing-Forschung am Cornell Computational Synthesis Lab (35 MB)
"Druck" einer einfachen Batterie (nbo)