Das Lampen-Lan

In Japan arbeiten Unternehmen daran, riesige Datenmengen per Lampenlicht zu verschicken.

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Von
  • Martin Kölling

In Japan plant das Kommunikationsministerium mit Wissenschaftlern, Telefonnetzbetreibern und Elektronikherstellern ein Konsortium einzurichten, das die Nutzung von sichtbarem Licht zur schnurlosen Übertragung von großen Datenmengen in den kommenden fünf Jahren zur Marktreife entwickeln soll. Als Ziel hat sich das Konsortium eine Datentransferrate von bis zu 100 Mbps gesetzt. Damit eignet sich die Technik auch für die Übertragung von Filmen in hochauflösender Qualität über kurze Distanzen.

Die neue Technik würde eine alternative zu heutigen schnurlosen Lan-Netzen in geschlossenen Räumen liefern. Bei der Technik sollen LEDs Daten als Wellen im sichtbaren Lichtspektrum aussenden, die beispielsweise von im Lichtkegel der Leuchten platzierten Computern über eine Schnittstelle empfangen werden. Die Vision: Im Restaurant, der Bibliothek oder daheim Lampe an eine Stromleitung, die auch Daten transportiert, anschließen, einschalten, und schon kann man bei heimeliger Beleuchtung hochauflösende Videos auf Bildschirme streamen.

Das Lampen-Lan würde Licht im sichtbaren Wellenspektrum als Datenträger in der Freiraumübertragung wiederbeleben. So alt die Idee auch ist, per Lichtzeichen Informationen durch die Atmosphäre zu schicken, im Elektronik- und Internetzeitalter kam sie zunehmend aus der Mode - Licht hingegen mit seiner eigentlich extrem hohen Datendichte wird hauptsächlich in hauchdünne Glasfasern gezwängt. Ansonsten fristet es ein Schattendasein: Infrarotlicht dient über kurze Entfernungen zum Austausch kleiner Datenmengen Daten zwischen Computern, Handys und anderen Geräten wie Fernbedienung und Fernseher– und noch seltener Spiegelsysteme für die Punkt zu Punkt-Übertragung von Bytes und Bits.

Ermöglicht wird die Renaissance des Lichts durch die Entwicklung der weißen LED. Deren Licht lässt sich dank der schnellen Reaktionsgeschwindigkeit der Dioden gut modulieren und damit als Datenübermittler nutzen. Da die Energieeffizienz der Dioden inzwischen an Leuchtstoffröhren heranreicht, werden LEDs nach Meinung vieler Experten in den kommenden Jahren immer stärker konventionelle Lampen ersetzen, deren Licht zu träge reagiert, um es modulieren zu können.

Entwickelt wurde die Technik vom Professor Masao Nakagawa Labor an der Keio Universität. Seit drei Jahren bemüht sich das Visible Light Communication Consortium um die Weiterentwicklung und Standardsetzung. Dem Konsortium gehören Elektronikkonzerne wie NEC, Toshiba, Sony, Panasonic und Samsung aus Südkorea sowie japanische Stromerzeuger und Telefongesellschaften an. Mit staatlicher Hilfe geht das Konsortium nun den Feinschliff an. Die erste Machbarkeitsstudie soll im kommenden Jahr erfolgen.

Die Entwickler werden einige Hürden überwinden müssen wie die Überlagerung des Datenlichts durch anderes Licht und natürlich die Verbindungsstabilität. Was passiert, wenn ein Schatten auf die Schnittstelle fällt? Aber sie werben mit einer Reihe von Vorteilen für ihren Ansatz: Infrarotlicht stelle aufgrund seiner hohen Energiedichte und Unsichtbarkeit ein Sicherheitsproblem für die Augen dar und sei daher auf die Übertragung von nur relativ geringen Datenmengen über einen Meter Distanz beschränkt. Da LED-Licht die Augen nicht gefährde, könne mehr Leistung angelegt werden. Dadurch ließen sich mehr Daten über eine größere Entfernung übertragen. Nach dem Standard 1.1 der IrDA (Infrared Data Association) kann man zwar immerhin bis zu 16 Mbps über Infrarotschnittstellen schicken - aber für das neue Übertragungsverfahren sind bis zu 100 Mbps angestrebt.

Herkömmliches W-Lan wiederum ist LED-Lampenlicht in den Augen der Entwickler deshalb unterlegen, weil es elektromagnetische Wellen nutzt. Die können erstens die Elektronik von empfindlichen Geräten stören und werden zweitens von vielen Menschen als Elektrosmog gefürchtet. Daher könnte sich die Datenübertragung per Lampenlicht auch für Krankenhäuser eignen, die wegen der Störgefahr in Japan auf W-Lan-Netze verzichten. Außerdem wird die Abhörsicherheit von Netzen ohne aufwändige Verschlüsselungstechniken erhöht, heißt es. Ungesicherte W-Lan-Netze lassen sich leicht über größere Entfernung ablauschen. Nicht so das Lampen-Lan: Vorhang zu, und keine Daten dringen mehr nach draußen. (wst)