Großhirnrinde aus Silizium

Elektronische Modelle unseres Denkapparats, die mit Hilfe spezieller Prozessoren entstehen, könnten unser Verständnis für die Abläufe im Gehirn deutlich verbessern.

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Von
  • Emily Singer
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Forscher an der Stanford University arbeiten derzeit an einem ambitionierten Projekt: Sie wollen unsere Großhirnrinde in Silizium nachbilden. Dieses vom Menschen gemachte Gehirn könnte der Wissenschaft helfen, zu ergründen, wie der evolutionsbiologisch jüngste Teil unseres Denkapparats komplexe Aufgaben erledigt – und uns Sprache verstehen, Gesichter erkennen und unseren Tag strukturieren lässt.

"Unser Gehirn erledigt diese Dinge auf technisch wie konzeptionell einzigartige Weise – es kann Probleme spielend lösen, die für die größten und modernsten digitalen Maschinen bislang nicht zu knacken sind", sagt ProfessorRodney Douglas vom Zürcher Institut für Neuroinformatik, der das Stanford-Vorhaben kennt. Man könne nur dann ein vertieftes Verständnis für diese Vorgänge entwickeln, wenn man versuche, sie in Hardware nachzubauen.

Hirnzellen kommunizieren untereinander mit zahlreichen elektrischen Impulsen. Chemische Signale verändern dann die elektrischen Eigenschaften einzelner Zellen kurzerhand, was wiederum elektrische Veränderungen der nächsten Zelle im "Schaltkreis" bewirkt. Der Mikroelektronik-Pionier Carver Mead fand in den Achtzigerjahren am California Institute of Technology heraus, dass dieselben Transistoren, aus denen die Schaltkreise von Computerprozessoren bestehen, sich auch dazu nutzen lassen, Schaltungen zu bauen, die das elektrische Verhalten von Neuronen nachahmen. Seither arbeiten Wissenschaftler und Ingenieure daran, immer komplexere künstliche Nervenzellen auf Silizium-Basis zu entwickeln. Im Modell nachgebildet wurden unter anderem die Netzhaut, die Innenohrschnecke, die für die Umwandlung von Schallwellen in Nervensignale zuständig ist, sowie der für die Erinnerung wichtige Hirnteil Hippocampus. Der Fachbegriff für die Erstellung solcher Modelle nennt sich Neuromorphing.