Das Erbe von 6LL3

Vor zehn Jahren gelang es, das Schaf Dolly zu klonen. Doch noch immer hat die umstrittene Technik nicht den versprochenen Nutzen gebracht.

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Von
  • Sascha Karberg
Inhaltsverzeichnis

Nüchtern notierten die Forscher um Ian Wilmut am schottischen Roslin-Institut die Geburt von „6LL3“ im Laborprotokoll. Und ähnlich sachlich referierte am 27. Februar 1997 eine Veröffentlichung im Fachmagazin Nature das erfolgreiche Klonen des ersten Säugetiers, des Schafs „Dolly“. Dennoch waren sich Biologen weltweit der Sensation sofort bewusst, denn damit fiel das Dogma, die Entwicklung von der befruchteten Eizelle zum komplexen Organismus sei unweigerlich eine Einbahnstraße. Inzwischen haben die Forscher Routine beim Zurückdrehen der Uhr des Lebens: Mäuse, Ratten, Rinder, Katzen, Hunde, Schweine, Pferde und Ziegen tummeln sich mittlerweile im Zoo der Klone.

Doch so sehr die Technik in den letzten zehn Jahren für Aufregung unter Grundlagenforschern sorgte, auf dem Weg in die Anwendung tut sich das Klonen schwerer. Die Hoffnung, aus den Zellen von Patienten kompatible Organe für den Ersatz kranken Gewebes zu züchten, ist nicht nur ethisch umstritten, sondern noch immer nur Vision. Lediglich aus Maus- und Rinderklonen konnten die dafür nötigen embryonalen Stammzellen gewonnen werden, nicht jedoch aus menschlichen Klonembryonen. Allenfalls in der Zucht von Schweinen, Rindern und anderen Nutztieren hat das Klonen allmählich seinen Platz gefunden. Doch diese magere Marge – weltweit wurden bisher schätzungsweise 3000 geklonte Rinder geboren – hat nicht einmal die an der Geburt von Dolly beteiligte Firma PPL Therapeutics am Leben halten können, denn noch immer ist Klonen eine aufwendige, teure und keinesfalls perfekte Technik.

Klonen heißt, Hunderte winziger Zellen mit haarfeinen Kanülen zu traktieren, das Erbgut aus Haut- oder Drüsenzellen in zellkernlose Eizellen zu stopfen und zu hoffen, dass sich ein Embryo entwickelt. Noch immer sind die Ausbeuten dieses Kerntransfer-Verfahrens gering, von hundert Eizellen entwickeln sich bestenfalls zehn, je nach Tierart. Am besten funktioniert das Klonen mit 15 bis 20 Prozent bei Kühen, sagt Eckhard Wolf, Klonforscher an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, Erzeuger des ersten deutschen Klon-Kalbs „Uschi“. Zwar haben die Klonforscher die Technik hier und da optimieren können. So kommt es darauf an, die Entwicklung der geklonten Embryonen optimal auf den Zyklus der Empfängertiere abzustimmen, die den Klonembryo austragen sollen, sagt Heiner Niemann, Klonforscher am Institut für Tierzucht in Mariensee bei Hannover. „Während sich bei zehn Versuchen anfangs nur ein Klonembryo im Empfängertier weiterentwickelte, sind es jetzt acht.“ Außerdem ist der Klonerfolg vom Zelltyp abhängig, den die Forscher für den Klonvorgang verwenden. Bei Dolly war es eine Euterzelle, beim ersten Klonpferd Prometea eine Hautzelle, bei Schweinen eignen sich Bindegewebszellen. Offenbar lässt sich das Erbgut bestimmter Körperzellen besser in einen embryonalen Zustand zurückversetzen, „Reprogrammieren“ genannt Und auch der Reifegrad der verwendeten Eizellen spielt eine Rolle, denn sie enthalten die Stoffe, die das Reprogrammieren bewerkstelligen können, also embryonale Gene wieder einschalten und Spezial-Gene differenzierter Körperzellen ausschalten.