Billigflüge nach Statistik

Der Internet-Anbieter Farecast will die günstigsten Tickets für Flugreisen ermitteln können – und zwar mit wissenschaftlichen Methoden.

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Von
  • Kate Greene
Inhaltsverzeichnis

Als Oren Etzioni 2001 im Flieger zur Hochzeit seines Bruders saß, musste er feststellen, dass die Personen, die neben ihm platziert waren, deutlich weniger bezahlt hatten – trotz späterem Ticketkauf. Was einen normalen Reisenden womöglich zu einem erbosten Anruf bei der Airline motiviert hätte, führte bei dem Professor für Informatik und Ingenieurwissenschaften an der University of Washington in Seattle zu seinem nächsten Forschungsprojekt: "Ich dachte mir: Warum sammelst Du nicht einfach historische Flugpreisdaten, um die Ticketpreise für die Zukunft vorherzusagen?"

2003 war es dann so weit: Etzioni legte zusammen mit einigen Kollegen eine Studie vor, die zeigte, wie sich die Fluktuation bei Flugpreisen erstaunlich genau vorhersagen ließen. Datengrundlage waren dabei insgesamt 12.000 verschiedene Ticketpreise für Nonstop-Flüge von Seattle nach Washington, D.C., sowie von Los Angeles nach Boston. Die erzielte Quote war ordentlich: Mit einer Sicherheit von 62 Prozent konnte das Modell vorhersagen, ob die Flugpreise in den nächsten Tagen oder Wochen steigen oder fallen würden – was dann die Kaufentscheidung entscheidend mitprägen könnte.

Aus dem Forschungsprojekt wurde schließlich ein Start-up: Etzioni gründete "Farecast" – eine Website, die Kunden seit 2006 vorhersagt, ob es sich lohnt, jetzt ein Ticket zu kaufen oder auf bessere Preise zu warten.

Jeder, der online schon einmal versucht hat, ein Flugticket bei einer großen Airline zu buchen, weiß, wie schnell sich die Preise ändern können. Etzionis Forschungsarbeit zeigte, dass sie in den USA bis zu 7-mal am Tag fluktuieren. Zu tun hat dies unter anderem mit den Preisen der Konkurrenz für ähnliche Strecken sowie der aktuellen Sitzplatzvergabe. Hineinschauen kann der Kunde in diese "Blackbox" allerdings nicht – auch deshalb gibt es neben Farecast noch andere Websites, die ebenfalls Vergleichsmöglichkeiten für US-Flüge anbieten wollen. So sucht "FareCompare" nach Sonderangeboten, die dem Geschmack des Nutzers entsprechen und "Kayak" versucht, die besten Ticketpreise im Zeitraum von zwei Tagen zu nennen – hier helfen die Nutzer selbst mit.

Farecast unterscheidet sich von der Konkurrenz vor allem durch seinen intelligenten Algorithmus, der enorme Datenmengen durchforsten kann. Mehr als 175 Milliarden verschiedene US-Ticketpreise kennt das System – alte wie neue. Die Daten werden von der Bostoner Firma ITA Software bezogen, die mit Fluglinien und US-Reisedienstleistern wie Hotwire und Orbitz arbeitet, um Preise und Reservierungsmöglichkeiten zu bestimmen. Der Data-Mining-Ansatz von Farecast sucht darin nach Trends bei der Preisgestaltung und versucht, saisonale Faktoren wie Ferien, Messen oder andere Großereignisse einzubeziehen, bei denen es regelmäßig zu Reisewellen kommt. Laut Etzioni hilft aber auch der Mensch bei der Analyse: Die Mitarbeiter von Farecast nutzen spezielle Visualisierungswerkzeuge mit Graphen und Diagrammen, aus denen sich Veränderungen verschiedener Variablen auf der Zeitachse beobachten lassen. "Diese Variablen können sehr komplex sein. Das menschliche Auge und die komplexe Bildverarbeitung in unserem Gehirn helfen bei der Mustererkennung." Manchmal seien Anomalien so subtil, dass sie vom Rechner nicht wahrgenommen würden. Grafisch dargestellt seien sie vom Menschen aber erkennbar.

Die Muster, Variablen und Trends aus den Preisdaten werden dann verwendet, um ein Vorhersagemodell zu erstellen. Gibt man dann auf der Farecast-Seite ein, wann und wohin man fliegen will (und wie viele Personen fliegen werden), errechnet der Dienst, ob es sich schon jetzt lohnt, ein Ticket zu kaufen. Ein Flug von San Francisco kann beispielsweise heute 400 Dollar kosten und innerhalb von sieben Tagen 50 Dollar weniger. Dann empfiehlt die Software dem Nutzer, besser zu warten.

Neben der Vorhersage liefert Farecast auch immer einen Zuverlässigkeitswert mit – eine Zahl, die aussagt, für wie genau das System sein Ergebnis hält. Dieser Wert kann in einem Bereich zwischen 60 und 90 Prozent liegen, erklärt Etzioni. Er basiert auf der Genauigkeit, die man bei früheren Anfragen auf ähnlichen Routen erzielt hat. "Auf diese Weise misst Farecast seine Leistung ständig selbst", erklärt der Forscher. Aktuell liegt die Genauigkeit im Durchschnitt bei 70 bis 75 Prozent. Eine Garantie, die das Unternehmen für zehn Dollar verkauft und die sich für die Ticketerwerbung nutzen lässt, unterstreicht das Vertrauen von Farecast in sein Modell: Fällt der Preis später doch, gibts die Gebühr zurück.