Gene und Strom gegen Parkinson

Ein neues Verfahren soll Parkinson-Kranken über eine Gentherapie helfen können. Der Neurochirurg Volker Sturm, der mit der so genannten Tiefenhirnstimulation gegen die Krankheit vorgeht, sieht Chancen – aber auch Risiken.

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Von
  • Sascha Karberg

Wenn das Zwischenhirn verrückt spielt, dann zuckt und zittert der ganze Körper. Bisher werden die überaktiven Nervenzellen im so genannten Nucleus Subthalamicus (STN) des Zwischenhirns von Parkinson-Kranken deshalb mit feinen Stromstößen aus implantierten Elektroden zur Räson gebracht.

Durch diese Tiefenhirnstimulation wird verhindert, dass die dortigen Nervenzellen ständig falsche Impulse an die Hirnrinde geben und die Koordination von Bewegungen stören. Jetzt berichten Forscher im Fachmagazin "Lancet" über den ersten erfolgreichen Einsatz einer Gentherapie gegen Parkinson, die auf genetischem Wege das gleiche Ziel erreicht wie die elektrische Tiefenhirnstimulation – eine Hemmung des STN.

Bei zwölf Patienten spritzten die Forscher ein Gen (GAD) in den STN, das zur Produktion eines Hemmstoffes (GABA) führt. Zwar sind die Ergebnisse noch vorläufig, aber die Forscher konnten zeigen, dass die Aktivität des STN und folglich das Zittern bei allen zwölf Patienten nachließ. Technology Review fragte Volker Sturm, Neurochirurg an der Universitätsklinik Köln und Pionier der Tiefenhirnstimulation, ob er nun Konkurrenz befürchten muss.

Technology Review: Herr Sturm, was halten Sie von der neuen Gentherapie gegen Parkinson, die in "Lancet" beschrieben steht?

Volker Sturm: Konkurrenz müssen wir nicht befürchten. Aber diese Gentherapie ist durchaus ein sehr interessanter Ansatz, vor allem weil damit zum ersten Mal gezeigt wurde, dass diese Technik bei neurodegenerativen Erkrankungen einsetzbar ist.

TR: Was kann die Gentherapie, was die Tiefenhirnstimulation nicht kann?

Volker Sturm: Ob Chirurgie oder Gentherapie – beide Verfahren greifen am Nucleus Subthalamicus an. Zum Beispiel kann der STN über eine Hochfrequenzläsion, bei der das Gewebe an einer ganz bestimmten Stelle auf 80 Grad Celsius erhitzt wird, zerstört werden – wobei das nur noch selten gemacht wird. Oder wir implantieren Elektroden und Schrittmacher und dimmen die Aktivität des STN mit Hilfe regelmäßiger Stromstösse und simulieren die Läsion nur. Bei der Gentherapie wird der Botenstoff GABA induziert, der hemmend auf den STN wirkt. Auch dadurch wird ein irreversibles Herunterdimmen der Aktivität des STN bewirkt.

Der Vorteil der Gentherapie ist, dass das nicht so radikal oder gefährlich wie eine Hochfrequenzläsion ist, weil darunter auch das umliegende Gewebe leidet. Doch auch der Gentransfer lässt sich nicht unbedingt auf die richtigen Zellen beschränken. Damit haben wir auch schon Erfahrungen gemacht, als wir versucht haben, Gentherapie zur Tumorbehandlung einzusetzen. Das Problem ist, die Gene exakt und ausschließlich in die zu beeinflussenden Areale zu bringen. Die Viren können die therapeutischen Gene ja auch in Zellen abladen, die man nicht runterregulieren möchte.

TR: Ist der chirurgische Eingriff bei der Tiefenhirnstimulation verglichen mit der Gentherapie nicht aufwändiger?

Sturm: Der Eingriff ist bei der Gentherapie vielleicht etwas einfacher, weil man nur eine Kanüle einsetzen und die Vektoren hineinspritzen muss, während wir bei der Tiefenhirnstimulation die Elektroden und den Schrittmacher implantieren müssen. Aber das würde ich nicht als ausschlaggebend für die eine oder andere Therapie heranziehen.

TR: Wie kritisch sehen Sie die Verwendung von Viren als Transportsystem für die therapeutischen Gene?

Sturm: Die Verwendung von Viren wird weltweit kritisch beobachtet. Man weiß heute einfach noch nicht, wie sich solche Viren im Hirn langfristig auswirken. Ich sehe vor allem das Problem, dass man nach erfolgter Gentherapie nichts mehr nachregulieren kann. Einmal gemacht lässt sich das nicht mehr abschalten. Bei der Tiefenhirnstimulation ist das jederzeit möglich. Man kann die Signale reduzieren oder falls sich unerwartete Komplikationen ergeben sogar ganz abschalten.

TR: Theoretisch gibt es Ideen für Sicherheitssysteme, die ein eingebrachtes therapeutisches Gen unschädlich machen können. Was halten Sie davon?

Sturm: So etwas sollte man unbedingt einbauen. Ohne so ein Sicherheitssystem, das durch Gabe eines Medikaments das eingebrachte Gen abschaltet, hätte ich auch Bedenken, das zu implantieren.

TR: Die Gentherapie steht noch am Anfang, während Sie bereits die nächste Generation der Tiefenhirnstimulation entwickeln. Was können und wollen Sie verbessern?

Sturm: Wir arbeiten mit dem Forschungszentrum Jülich an einer modernen Form der Neurostimulation, einer spezifisch desynchronisierenden Behandlung, die viel milder als die bisherige Tiefenhirnstimulation ist. Dabei sollen nur die pathologisch synchronisierten, hyperaktiven Nervenverbände geschwächt werden. Die Zellverbände werden nicht abgeschaltet, sondern nur dazu gebracht, sich wieder normal miteinander zu unterhalten.

Wir setzen dazu an verschiedenen Stellen im STN ganz schwache Stimuli in einem ganz bestimmten, zeitlich aufeinander abgestimmtem Takt, den ein Computer nach komplizierten Reizalgorithmen errechnet. Dadurch können wir mit nur noch einem Zehntel der Energie arbeiten, wodurch die Eigenfunktion des Kerns erhalten bleibt, aber die krankmachende synchrone Aktivität der Zellverbände unterbunden wird. Denn was krank macht, das ist der Gleichtakt der Nervenzellen. Wir bringen die Zellen wieder dazu, nacheinander zu arbeiten. Das wird mit Gentherapie nicht möglich sein.

TR: Könnten Sie sich vorstellen, Gentherapie und Hirnstimulation in Zukunft gemeinsam einzusetzen?

Sturm: Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man beide Techniken einsetzt. Nicht unbedingt die jetzt vorgestellte Therapie, die den STN letztlich hemmt. Eine Gentherapie ware sinnvoll, wenn sie stabilisierende Wachstumsfaktoren in das Areal einbringen könnte, die den Krankheitsverlauf aufhalten können. (bsc)