Die Einschläge spüren

Mit einer neuartigen pneumatischen Weste können Spieler von so genannten Ego Shootern buchstäblich am eigenen Leib erfahren, was sich auf dem Bildschirm tut.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Erica Naone

Eine neuartige Weste mit integrierter Pneumatik soll künftig mehr Realismus in die Videospielewelt bringen: Das Produkt des Spezialanbieters TN Games mit dem Namen "3rd Space" kann beispielsweise die Kräfte nachbilden, die bei gegnerischen Treffern in einem First-Person-Shooter wirken. Ein Kompressor kontrolliert dazu acht verschiedene integrierte pneumatische Zellen, die "Einschläge" verschiedener Stärke an verschiedenen Stellen des Rumpfes des Spielers produzieren können – ganz nachdem, was auf dem Bildschirm passiert.

Die "3rd Space"-Weste ist die abgespeckte Version eines Modells für den Einsatz in der Medizin, das von TN Games-Firmenchef Mark Ombrellaro entwickelt wurde. Der Gefäßchirurg arbeitete an einem Pilotprojekt der Texas Tech University, als ihm die Idee kam. Damals testete er verschiedene telemedizinische Geräte, die zur Behandlung von Kranken in US-Gefängnissen eingesetzt werden sollten. Hauptmethode war die Videokonferenz, vor Ort war jeweils nur eine Schwester. Ombrellaro frustrierte schnell, dass er hier seine Informationen immer nur aus zweiter Hand erfuhr: "Als Arzt nutze ich normalerweise meinen Tastsinn, um meine Patienten zu untersuchen." Deshalb beauftragte er ein Team von Ingenieuren, ein System zu entwickeln, mit dem taktile Informationen in Echtzeit übertragen werden können – vom Arzt zum Patienten und wieder zurück. Heraus kam ein Vorläufer der "3rd Space"-Weste mit 64 Kontaktpunkten allein am Unterleib. Ein Handschuh, den der Arzt trägt, hat wiederum acht Kontaktpunkte – diese werden verwendet, um den Patienten aus der Entfernung virtuell zu berühren und Antworten zu übermitteln. Noch hat die medizinische Version des Gerätes allerdings keine Zulassung der US-Gesundheitsbehörden. Ombrellaro war sich aber von Anfang an klar, dass es auch noch andere Anwendungsgebiete für die Technologie geben würde.

Force-Feedback-Effekte sind unter Videospielern bereits sehr populär. Ombrellaro glaubt, dass seine Weste ein noch wesentlich realistischeres Spielerlebnis verspricht als die aktuellen und eher einfachen vibrierenden Controller: "Besonders dramatisch wird es immer dann, wenn einem bei First-Person-Shootern in den Rücken geschossen wird." In Markttests hätten sich die Spieler immer sehr überrascht umgedreht, wenn sie den Einschlag auf dem Rücken gespürt hätten, obwohl sie vorher bereits darüber informiert worden waren, dass er kommen konnte. Auf Basis der Bewertungen in diesen Tests entschied sich die TN Games dann für eine Standard-Stärkestufe, die zwar deutlich spürbar ist, aber keine blauen Flecke hinterlässt. Ganz einfach war das nicht: "Wir wollten, dass die Weste Spaß macht, dem Spieler aber gleichzeitig wichtige taktile Rückmeldungen gibt." Das habe sogar eine "Message", meint Ombrellaro: "Dass es echte Konsequenzen hat, wenn man Leute erschießt." TN Games plant künftig außerdem eine Weste, die einen noch leistungsstärkeren Kompressor enthält – für all die Gamer, die ein noch stärkeres Feedback bräuchten. Auch Polizei und Militär könnten das Kleidungsstück zum Training nutzen.

Die Weste wird anfänglich an Shooter-Fans verkauft. Aber auch andere Spielesegmente will TN Games künftig ansprechen – und andere Altersklassen. Laut Ombrellaro könnte man die Technik beispielsweise so modifizieren, dass sie G-Kräfte bei Renn- und Flugspielen simuliert. Das aktuelle Modell kann ab einem Alter von zehn Jahren getragen werden und soll mindestens zwei bis drei Jahre halten.

David Riley, Sprecher der Marktforschungsfirma NPD Group, glaubt an einen Markt für solche Produkte. Schließlich sei von Januar bis September 2007 allein Spielezubehör im Wert von einer Milliarde Dollar über den Ladentisch gegangen. Die "3rd Space"-Weste sei jedoch eher ein High-End-Gerät ähnlich wie spezielle Gamer-Stühle, die Sound- und "Rumble"-Effekte bieten. Sie besitze aber auch deshalb eine Verlockung, weil sie portabel sei und auch einmal ins Haus eines Freundes getragen werden könne. Riley stellt sich die Vermarktung zwischen Massensegment und Profi-Gamern allerdings nicht leicht vor.

Ombrellaro will das Kleidungsstück nichtsdestotrotz im November in den USA auf den Markt bringen. 189 Dollar wird man dafür bezahlen – eine speziell angepasste Variante des Activision-Spiels "Call of Duty II" ist enthalten, außerdem ein eigenes Spiel von TN Games namens "Incursion". Später sollen auch Softwareergänzungen für populäre Spieletitel wie Doom 3, Quake 3 und Quake 4 angeboten werden. Wer eine Unterstützung der Weste in seine eigene Software einbauen möchte, kann zu einem Werkzeug greifen, das TN Games auf seiner Website anbietet. (bsc)