"Ein bisschen erwachsener zu werden"

Physik-Nobelpreisträger Robert B. Laughlin über die vergebliche Suche nach der Weltformel.

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Inhaltsverzeichnis

Robert Betts Laughlin ist Professor für Physik an der Stanford-Universität in Kalifornien, wo er unter anderem zur Theorie der Supraleitung forscht. 1998 erhielt Laughlin gemeinsamen mit Daniel Tsui und Horst Ludwig Störmer den Nobelpreis für Physik für die Entdeckung des gebrochenzahligen Quanten-Hall-Effekts.

In seinem neuen Buch "Abschied von der Weltformel" polemisiert der Theoretiker gegen die "ideologische Ausrichtung" der Physik. In einer Besprechung für das Wissenschaftsmagazin Nature lobt Philip Anderson das Buch als "unverzichtbares Gegengift zu den jüngsten Auswüchsen von Brian Greene, Stephen Hawking und deren Kameraden, die die Idee verbreiten, Physik sein eine Wissenschaft quasi-theologischer Spekulationen über die letzte Natur der Dinge."

TR: Professor Laughlin, im englischen Originaltitel Ihres neuen Buches ist von einer Neuerfindung der Physik die Rede. Was ist denn falsch an der Physik, die wir jetzt haben?

Robert B. Laughlin: Lassen Sie mich mit einer Klarstellung anfangen. Diese Formulierung mit der Neuerfindung der Physik war eine Idee meines Verlegers. Ich will gar nichts neu erfinden. Aber mein Verleger hat gesagt: Wenn Du das Buch verkaufen willst, muss das auf den Titel.

Der Titel der Übersetzung "Abschied von der Weltformel" gefällt mir viel besser – die Überschrift gibt viel mehr von der Idee wieder, die in dem Buch steckt. Es geht nicht um eine Neuerfindung. Ich will die Aufmerksamkeit auf ein ideologisches Problem lenken.

TR: Was für ein Problem?

Laughlin: Nun, es gibt diese Idee in der Physik, die Welt kontrollieren zu wollen - sie mathematisch korrekt zu beschreiben, um sie so kontrollieren zu können. Um das zu machen, muss man immer kleinere Teile beschreiben. Je kleiner die Teile, umso mächtiger die Theorie. Die mächtigste Theorie ist die, die die kleinstmöglichen Teile beschreibt: subatomare Partikel.

Was ist nun falsch daran? Ich schreibe den Leuten nicht vor, was sie denken oder forschen sollen. Aber auf einer höheren Ebene ist die Idee falsch. Und wenn man öffentliche Gelder in Anspruch nimmt und sie für eine falsche Idee verwendet, werden die Geldgeber irgendwann sehr zornig. Mit anderen Worten: es gibt da diese ökonomische Giftpille und ich möchte nicht, dass es da einen Rückschlag auf die gesamte Forschung gibt.

TR: Wenn Sie über subatomare Physik sprechen und über große Mengen an Geld, sprechen Sie dann an das CERN? Ist das falsch, was da versucht wird?

Laughlin: Nein! Ich hatte diese Frage grade eben schon einmal gestellt bekommen. Und ich habe bereits Ihren Kollegen gesagt, in dem Moment, in dem der LHC (Large Hadron Collider - der neue Beschleunigerring des Kernforschungszentrums CERN, d. Red.) eingeschaltet wird, gehöre ich zu den ersten, die sich die Resultate ansehen. Ich kann es kaum erwarten, die Daten zu sehen.

Aber es liegt auch gar nicht in meiner Macht, darüber zu entscheiden. Das ist Sache der beteiligten Regierungen. Lassen Sie uns also über deren Interesse reden. Das ist nämlich nur zum Teil in der Physik begründet. Zum Teil ist es auch eine Art Versicherungspolice. Mit anderen Worten: Nach der Entwicklung der Atombombe wollten verschiedenste Regierungen auf der ganzen Welt nie wieder das Risiko eingehen, dass irgendein Land eine neue Art von Physik entdeckt, aus der sich eine noch fürchterlichere Waffe machen ließe. Also hat jeder in diese Maschinen investiert. Nach 50 Jahren hat sich diese Furcht gelegt, also steigen sie einer nach dem anderen jetzt aus. Die ersten waren die Briten, dann die USA.

In Europa gibt es mehr Beharrungsvermögen. Möglicherweise liegt das daran, dass man hier mehr daran arbeiten muss, sich als Gemeinschaft zu fühlen. Übrigens zahlt Deutschland den größten Anteil. Meiner Meinung nach ist das immer noch ein Ausdruck von Schuldbewusstein.