Unter Kaufklang

Soundingenieure sorgen mit subtilen Mitteln dafür, dass unser Unterbewusstsein signalisiert: "Bitte kauf mich!"

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Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Bernd Müller
Inhaltsverzeichnis

Pickup klingt jung. Zum Beweis beißt Heinz-Dieter Lechte in den Stapel aus Keks, Schokolade und noch mal Keks und lässt es so richtig krachen. Hell und prägnant zerbricht die Leckerei zwischen Lechtes unerbittlichen Zähnen. "Hören Sie das Knacken?", will der Forschungs- und Entwicklungsleiter vom Keks-Konzern Bahlsen wissen.

Wie man es geschafft hat, dass die Süßigkeit gerade so und nicht anders klingt, ist Betriebsgeheimnis. Eine spezielle Schokolade, die optimale Dicke, der richtige Feuchtigkeitsgehalt – und nicht zu breit dürfe der Keks sein, lässt Lechte durchblicken. Klar, der Keks müsse gut schmecken, aber das Geräusch beim Kauen sei mindestens ebenso wichtig, auch wenn uns das nicht so bewusst sei. Lechte: "Der Klang ruft positive Gefühle hervor."

Das erklärt, warum heute große Nahrungsmittelhersteller Kekse, Cornflakes und Knackwürste mit einem definierten Sound ausstatten. Auch beim Hannoveraner Traditionsbäcker wird nichts dem Zufall überlassen: Bevor die 30-köpfige Forschungscrew den ersten Keks eines neuen Produkts in den Ofen schiebt, steht das Zielgeräusch schon fest. Sounddesign, auch Soundengineering genannt, ist eine noch junge Disziplin, die seit Anfang der neunziger Jahre insbesondere von der Automobilindustrie angewandt wird. Dort hat man früh erkannt, dass Geräusche mit Emotionen verknüpft sind und folglich Kaufentscheidungen beeinflussen können. Mittlerweile hat auch die Nahrungsmittelindustrie diese Möglichkeiten entdeckt. Bahlsen beschäftigt sich seit drei Jahren intensiv mit dem Thema, zumindest beim eigentlichen Produkt, dem Keks. Das Rascheln von Verpackungsmaterial und das sanfte "Sssst" beim Einströmen der Luft in eine Vakuumverpackung versuchte schon Hermann Bahlsen vor fast hundert Jahren zu optimieren.

Normalerweise kaut Lechte seine Kekse nicht selbst, meist lässt er kauen. Entweder die 300 Testesser, die für Bahlsen das Knackgeräusch neuer Kekskreationen in Kategorien wie "frisch", "kernig" oder "modrig" einteilen, oder von einem so genannten Texture Analyser, der sich nicht von Aussehen und Geschmack des Gebäcks ablenken lässt und stoisch sein Testprogramm abspult. Das Gerät zerstört Kekse mit einem Keil, der wie ein Kiefer von oben mit definierter Kraft aufs Gebäck drückt. Ein Richtmikrofon hält das Klangspektrum beim Durchbrechen fest. Der 52-zähnige Butterkeks bricht bei 1000 bis 1200 Gramm Last und gibt in einem Zeitfenster von etwa einer Drittelsekunde ein komplexes Geräuschmuster mit einer Lautstärke von 90 Dezibel ab. Klingt simpel, ist es aber nicht, sagt Lechte. Schon viele Wettbewerber hätten versucht, diesen Sound zu imitieren, jedoch ohne Erfolg.