Ein Jahr Netflix in Deutschland: Der lange Weg zur Revolution

Mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht startete die US-Videoflatrate Netflix in Deutschland, um die Fernsehsender das Fürchten zu lehren. Doch ist die TV-Revolution eingetreten?

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Netflix
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Volker Zota
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Vor genau einem Jahr ist Netflix in Deutschland auf Sendung gegangen. Vor allem Serien-Fans fieberten dem Start des US-Videodienstes entgegen – waren dann aber mitunter enttäuscht, weil das Angebot deutlich spärlicher ausfiel als das in den USA. Die Zahl der abrufbaren Filme und TV-Serien ist im vergangenen Jahr zwar um etwa 50 Prozent auf derzeit 1284 respektive 307 gewachsen. Doch während Netflix und Co. in den USA den Fernsehmarkt umkrempeln, reicht das Angebot hierzulande bisher nicht aus, um das TV-Verhalten nachhaltig zu beeinflussen.

Laut einer Bitkom-Umfrage rufen zwar inzwischen 12 Millionen (22 Prozent) der deutschen Internet-Nutzer Serien und Filme von On-Demand-Plattformen ab, auf die durchschnittliche Dauer des TV-Konsums hat sich das aber bisher praktisch nicht ausgewirkt. Das mag an dem verwöhnten deutschen TV-Publikum liegen, das zwar über die sinkende Qualität des Free-TV jammert, aber offenbar keinen so hohen Leidensdruck verspürt wie Zuschauer in anderen Ländern. Auch Netflix-Chef Reed Hastings findet die deutschen Fernsehgewohnheiten merkwürdig.

Doch bei denjenigen, die sich nicht mehr dem Diktat des linearen Programms unterwerfen wollen, treffen die Video-Flatrates auf offene Augen und Ohren. Der Autor schaltet inzwischen jedenfalls deutlich häufiger eine Video-Flatrate an als den TV-Receiver.

Netflix in Deutschland (9 Bilder)

Vor allem Serien-Fans hatten dem Start des US-Dienstes entgegen gefiebert. Nach einem Jahr ist das Angebot zwar um 50 Prozent gewachsen, aber immer noch relativ dünn.

Netflix wächst weiter rasant: Momentan hat der Dienst über 65 Millionen Kunden, davon etwa 23 Millionen außerhalb der Vereinigten Staaten, gerade erst ist Netflix in Japan gestartet. Wieviel Kunden die Video-Flatrate hierzulande hat, legt das Unternehmen nicht offen; im Februar sollen es etwa 470.000 Abonnenten gewesen sein. Im Juni hielt Netflix laut Deloitte Media Survey hierzulande 13 Prozent am Video-on-Demand-Markt und ist damit Maxdome auf den Fersen, das bei 18 Prozent lag.

Unangefochten an der Spitze in Deutschland: Amazon Prime Instant Video. Fast jeder Dritte Video-on-Demand-Gucker greift zu dem Angebot des Online-Versandhauses. Das lässt sich Amazon einiges kosten, denn Prime-Kunden bekommen das Streaming-Angebot als Gratis-Dreingabe; außerdem hat Amazon sie mit Schnäppchenpreisen für die hauseigenen Streaming-Player Fire TV und Fire TV Stick geködert.

Netflix dürfte dennoch zufrieden sein, denn innerhalb eines Jahres hat es im umkämpften deutschen VoD-Markt Platz drei errungen. Hastings sagt, er hat sich ohnehin auf einen langen Weg eingestellt.

Sowohl Netflix als auch Amazon (ko)produzieren eigene Inhalte (Netflix Originals und Amazon Originals) und wollen sich damit von der Konkurrenz abheben. Netflix konnte bereits einen Oscar für eine Dokumentation und diverse Emmys für seine Vorzeigeserien "House of Cards" sowie "Orange Is the New Black" einheimsen. Dafür musste es mit ansehen, wie Amazons "Transparent" in diesem Jahr als erste Serie eines Streaming-Anbieters den Emmy für die beste TV-Serie abräumte. Auch das erfolgreiche, ehemalige Moderationstrio der BBC-Autosendung "Top Gear" schnappte Amazon Netflix vor der Nase weg.

Netflix will auch speziell für das deutsche Publikum Inhalte produzieren, ist dabei aber bisher nicht über eine Absichtserklärung hinaus gekommen.

Nicht nur auf inhaltlicher, sondern auch technischer Ebene verschärft sich der Konkurrenzkampf. Beide Anbieter streamen vereinzelt Filme und Serien in Ultra HD/4K; Netflix kam kürzlich wegen eines angeblichen 4K-Crack des DRM von "Breaking Bad" in die Schlagzeilen. Während Netflix noch zögert, Videos mit deutlich höherem Kontrastumfang (High Dynamic Range, HDR) zu unterstützen, streamt Amazon inzwischen erste Titel in HDR.

Mit 4K und HDR können bisher nur wenige Nutzer etwas anfangen. Interessanter ist da der Anfang September von Amazon freigeschaltete Offline-Modus für iOS und Android. Darüber lassen sich ausgewählte Inhalte herunterladen, um sie ohne Internet-Zugang anschauen zu können. Bei Netflix steht nach wie vor die Aussage im Raum, eine Offline-Funktion werde es niemals geben. (vza)