Medizin-Nobelpreis für Therapien gegen Parasiten-Krankheiten

Prämiert werden die Chinesin Youyou Tu für die Entdeckung eines Anti-Malaria-Mittels sowie der Ire William Campbell und der Japaner Satoshi Omura für ihre Vorarbeit an einem Medikament gegen Flussblindheit und Elephantiasis.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Prämiert werden die Chinesin Youyou Tu für die Entdeckung eines Anti-Malaria-Mittels sowie der Ire William Campbell und der Japaner Satoshi Omura für ihre Vorarbeit an einem Medikament gegen Flussblindheit und Elephantiasis.

Der diesjährige Medizin-Nobelpreis belohnt Therapien, die in armen Ländern "die Behandlung einiger der verheerendsten Parasiten-Krankheiten revolutioniert haben". Das teilte das Karolinska-Institut in Stockholm mit. Die Auszeichnung ist mit umgerechnet 850.000 Euro dotiert.

Die Hälfte des Preisgeldes geht an die Chinesin Youyou Tu von der China Academy of Traditional Chinese Medicine für die Entwicklung des Medikaments Artemisinin, das die Sterblichkeitsrate an Malaria signifikant gesenkt hat. Die andere Preishälfte teilen sich der gebürtige Ire William Campbell von der Drew University in New Jersey und der Japaner Satoshi Omura von der Kitasato University: Das durch ihre Forschung ermöglichte Medikament Ivermectin bekämpft erfolgreich die verheerenden Krankheiten Flussblindheit und Elephantiasis und eine ganze Reihe weiterer Parasiten-Leiden.

Youyou Tu

(Bild: The Nobel Foundation)

Youyou Tu wandte sich Ende des 60er-Jahre der Malariabekämpfung zu, als der Erfolg der traditionellen Behandlungen mit Chinin und Clorochinin stark abzunehmen und die Zahl der Erkrankten deutlich anzusteigen begann. Malaria tötet inzwischen jedes Jahr etwa fast eine halbe Million Menschen, darunter viele Kinder. 3,4 Milliarden Menschen südlich der Sahara in Afrika, in Süd-Asien sowie in Zentral- und Südamerika sind von der Erkrankung bedroht. Youyou Tu begann, Mittel der traditionellen chinesischen Medizin für ihre Eignung Gegenmittel zu erforschen. In Tierversuchen kristallisierte sich ein Extrakt aus dem der Pflanze Einjähriger Beifuß (Artemisia annua) als vielversprechend heraus.

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Tus Verdienst ist die Entwicklung einer Aufreinigungsmethode, mit der sich daraus der Wirkstoff Artemisinin extrahieren lässt. Dieser begründete eine neue Medikamenten-Klasse, die den Malaria-Parasiten im Körper der Erkrankten in einem sehr frühen Entwicklungsstadium tötet. Das erklärt dem Nobelpreis-Komitee zufolge seine starke Wirksamkeit. Da die Extraktionmethode aber recht teuer ist, wurden inzwischen auch synthetische Herstellungsmethoden mit Hilfe von gentechnisch modifizierten Bakterien und Hefen entwickelt. Das Pharma-Unternehmen Sanofi produziert das Mittel seit 2013.

William Campbell

(Bild: The Nobel Foundation)

Die Forschung von Satoshi Omura und William Campbell führte zur Entwicklung des Parasiten-Mittels Ivermectin. Dieses habe eine fast vollständige Ausrottung der Flusskrankheit und der besonders stigmatisierenden Elephantiasis ermöglicht, sagte das Nobelpreis-Komitee. Beide Leiden werden von Fadenwürmern verursacht. Die Flusskrankheit betrifft jährlich mehr als 100 Millionen Menschen und löst eine Entzündung der Hornhaut aus. Die Patienten erblinden schließlich. Die durch Mücken übertragenen Elephantiasis-Würmer verursachen chronische Entzündungen im Lymphsystem. Die dadurch aufgestaute Lymphflüssigkeit lässt vor allem die Beine der Betroffenen stark anschwellen sowie die Haut verhärten.

Satoshi Omura

(Bild: The Nobel Foundation)

Die vom Nobelpreis-Komitee prämierte Therapie gegen beide Krankheiten nahm im Boden seinen Anfang: Der Mikrobiologe Omura forschte an Bodenbakterien der Gattung Streptomyzes, die für viele antibakteriell wirksame Substanzen bekannt sind (darunter auch das Antibiotikum Streptomyzin, für dessen Entdeckung Selman Weizman 1952 ebenfalls den Nobelpreis erhielt). Omura isolierte eine Vielzahl von neuen Streptomyzes-Stämme und entwickelte Methoden, um sie in größeren Mengen im Labor kultivieren zu können. Aus diesen Stämmen isolierte der Parasitologe William Campbell den Wirkstoff Avermectin, der sich zunächst als äußerst effektiv gegen Tierparasiten erwies. Eine chemisch modifizierte Version namens Ivermectin tötete später auch bei Menschen Fadenwurm-Larven. "Die Bedeutung von Ivermectin für die Gesundheit von Millionen Patienten mit Flussblindheit und Elephantiasis in den ärmsten Regionen der Welt ist unermesslich", sagte das Nobelpreis-Komitee.

Im vergangenen Jahr erhielten die Auszeichung John O’Keefe aus England sowie das norwegische Forscher-Ehepaar May-Britt und Edvard Moser für die Entdeckung von Gehirnzellen, die uns beim Orientieren und Navigieren helfen.

Weiterführende Informationen vom Nobelpreis-Komitee auf Englisch gibt es hier.

[Update, 05.10.2015, 14:00 Uhr]:
Details zu den Entwicklungen der Nobelpreisträger wurden ergänzt. (vsz)