Chemie-Nobelpreis 2015: Werkzeugkasten für DNA-Reparatur

Tomas Lindahl, Paul Modrich und Aziz Sancar haben aufgeklärt, wie Zellen Fehler im Erbgut beheben können. Das hilft bei der Entwicklung neuer Krebstherapien.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Der diesjährige Chemie-Nobelpreis geht zu gleichen Teilen an die Entdecker des DNA-Reparatursets von Zellen, mit dem sie das Erbgut schützen: den Schweden Tomas Lindahl (Francis Crick Institute and Clare Hall Laboratory, England), den Amerikaner Paul Modrich (Howard Hughes Medical Institute, USA) sowie den gebürtige Türken Aziz Sancar (University of North Carolina School of Medicine).

Unsere DNA trägt jeden Tag tausende von Schäden durch ultraviolette Strahlung (UV), freie Radikale oder andere krebserregende Substanzen davon. Darüber hinaus können auch bei der Zellteilung, wenn das genetische Material verdoppelt und auf die Tochterzellen verteilt wird, Fehler passieren – ihre Zahl kann pro Tag in die Millionen gehen. Dass die Zellen damit nicht überfordert sind, verdanken sie einer ganzen Reihe von Molekülen, die das Erbgut kontinuierlich auf Schäden untersuchen und diese beheben. Die Preisträger haben aufgeklärt, wie das funktioniert.

Die Basenreperatur gehört zu den zahlreichen Schutzmechanismen, mit denen Zellen Fehler in der DNA beheben.

(Bild: Johan Jarnestad/The Royal Swedish Academy of Sciences)


Tomas Lindahl

(Bild: Francis Crick Institute)

In den frühen Siebziger Jahren hielten viele Forscher die DNA für ein ziemlich instabiles Molekül. Tomas Lindahl wies nach, dass sie aufgrund der Schäden sogar so schnell zerfalle, dass es eigentlich kein Leben auf der Erde geben dürfte. Als er genauer nachforschte, entdeckte er eine molekulare Apparatur, die diesem drohenden Kollaps beständig entgegenwirkt, indem sie beschädigte DNA-Basen gegen heile austauscht (siehe Grafik oben). Wenn man sich die DNA als verdrillte Leiter vorstellt, bilden je zwei Basen die Sprossen.

Aziz Sancar

(Bild: University of North Carolina School of Medicine)


Aziz Sancar wiederum klärte den Reparatur-Mechanismus auf, der durch UV-Strahlung geschädigte Nukleotide – so heißen die Basen zusammen mit ihrer Verankerung in den Holmen – ersetzt. Menschen, die ohne diese Zell-Ausstattung geboren werden, entwickeln leicht Hautkrebs, wenn sie der Sonne ausgesetzt sind. Derselbe Mechanismus behebt auch Defekte durch andere Mutationen erzeugende Substanzen.

Paul Modrich

(Bild: Duke University School of Medicine)


Paul Modrichs Verdienst ist die Entdeckung der Korrektur von Fehlern, die bei Zellteilungen passieren. Dabei werden manchmal die obligatorischen Basenpaarungen von Adenin mit Thymin sowie Cytosin mit Guanin missachtet und unpassende Basen zusammengebracht. Modrich fand heraus, dass Zellen solche Fehlpaarungen anhand fehlender Methylgruppen erkennen und beheben können. Funktioniert dieses Reparaturset von Geburt an nicht richtig, kann etwa eine erbliche Form von Darmkrebs entstehen.

Die Erkenntnisse der diesjährigen Nobelpreisträger haben deshalb laut dem Nobelpreiskomitee nicht nur erhellt, wie lebende Zellen arbeiten, sondern ermöglichen auch die Entwicklung neuer Krebstherapien. Zwar entsteht Krebs oft durch beeinträchtigte Reparaturmechanismen. Umso mehr sind die entarteten Zellen aber auf die verbliebenen Korrekturfähigkeiten angewiesen, um nicht abzusterben. Neue Medikamente wie "Olaparib" zielen deshalb genau darauf ab, auch diese zu verlangsamen oder sogar ganz auszuschalten.

Ausführlichere Informationen auf Englisch finden Sie hier beim Nobelpreiskomitee.

[Update, 07.10.2015, 12:00 Uhr]:
Details zu den Entdeckungen der Preisträger wurden hinzugefügt.

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(vsz)