Wer tut sich sowas an?

Das Smartphone, heißt es oft, baut eine Brücke zwischen Online- und Offline-Einkauf. Noch ist davon wenig zu spüren: Viele Shopping-Apps verlangen viel und bieten wenig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Das Smartphone, heißt es oft, baut eine Brücke zwischen Online- und Offline-Einkauf. Noch ist davon wenig zu spüren: Viele Shopping-Apps verlangen viel und bieten wenig.

Es ist schon erstaunlich, wie sich manche Kunden am Nasenring durch die Konsumwelt ziehen lassen. "Problem aufgetreten. Dein Standort kann nicht ermittelt werden", nörgelt die Shopkick-App. Liebe App: Das ist kein Problem, sondern aus guten Gründen die Grundeinstellung meines Handys. Aber da ich mir vorgenommen habe, für einen Artikel diverse Shopping-Apps auszuprobieren, hilft es ja nichts. Ohne Location keine Location Based Services, und so ziehe ich alle Regler für Bluetooth, WLAN und GPS in den Modus "Scheiß auf Privacy".

Shopkick ist nach eigenen Angaben die meistgenutzte Shopping-App in den USA und in Deutschland bereits mehr als 15.000.000 Mal heruntergeladen. Sie belohnt Nutzer dafür, dass sie einen Laden betreten oder den Barcode bestimmter Produkte mit dem Smartphone einscannen – unabhängig davon, ob sie etwas kaufen. Gehe ich etwa bei Saturn über die Schwelle, bekomme ich 35 "Kicks". 1.250 Kicks muss ich sammeln, bevor ich sie in einen 5-Euro-Warengutschein umtauschen kann. Ich muss das Spiel also 36-mal mitspielen, um irgendeinen Nutzen davon zu haben. Immerhin 80 Kicks bietet mir Douglas dafür an, zwei Fläschchen mit irgendeinem Wellness-Schleim zu scannen. Allerdings stehen die Dinger natürlich so, dass ich erst die Treppe hoch und dann durch den gesamten Laden muss. Wer tut sich für die paar Cent sowas an?

Auch ansonsten ist die Shopkick-App bemerkenswert. Als ich sie nach der Installation mit dem Privacy-Tool AppGuard überprüfe, steht der Risiko-Score fasst am Anschlag: neun von zehn Punkte. Das ist mehr als bei jeder anderen App, die ich je installiert habe. Shopkick will unter anderem Zugriff auf Mikrofon, Telefonstatus und Kontaktdaten haben sowie SMS versenden dürfen. Die Schmerzfreiheit der Schnäppchenjäger ist offenbar unbegrenzt.

Andere Shopping-Apps sind nicht ganz so frech, in der Praxis allerdings genauso wenig hilfreich. Etwa die Edeka-App: Sie bietet zwar einen Überblick über Sonderangebote, eine Einkaufsliste und einen Produktscanner. Doch der liefert nichts, was nicht auch auf der Verpackung stünde.

Bei Saturn siehts ähnlich aus: Ich stehe vor zwei ähnlichen Klemmstativen des Herstellers Joby und würde gerne mehr über sie erfahren. Die Saturn-App hat einen QR-Code-Scanner, aber der führt nur zur Homepage des Herstellers. Die hätte ich auch so gefunden. Die Funktion "Produktvergleich" klingt zwar vielversprechend, kann aber keine eingescannten Produkte vergleichen, sondern nur welche, die ich mir manuell aus dem Online-Katalog herausfingere. Dort findet sich aber nichts von Joby, denn Online- und Offline-Sortiment sind offenbar nicht aufeinander abgestimmt.

Als nützlicher erweist sich da die Preisvergleichs-App von Barcoo: Sie beherrscht zwar auch keinen Vergleich eingescannter Produkte, verrät mir aber immerhin, dass die Stative im Laden hoffnungslos überteuert angeboten werden.

Sowohl Barcoo, Shopkick als auch die SportScheck-App versagen hingegen völlig, wenn ich mal etwas konkret wissen will. Wo zum Beispiel finde ich in der Nähe 90er-Rollen für meine Inlineskates? Die Suchanfragen landen allesamt in Online-Shops ohne jeden lokalen Bezug. Dabei haben mehrere Läden in Fußentfernung die Rollen vorrätig, wie ich zufällig weiß. Und obwohl ich mit dieser Suchanfrage immerhin schon ein Teil meiner Interessen geoutet habe, traktiert mich Shopkick immer noch mit Werbung für Kosmetika. So wird das nichts mit dem M-Commerce.

Mehr darüber, wie sich die stationären Händler der Online-Konkurrenz erwehren, an Kundendaten gelangen und die verschiedenen Verkaufskanäle verknüpfen wollen, steht im nächsten Heft (ab 22. Oktober am Kiosk). (grh)