Wohl verdient

The Honorable William H. Gates III.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Michael Kunze

Wohl verdient:

Lang genug haben wir uns über ihn lustig gemacht und auf ihn eingedroschen. Doch jetzt, wo die Stunde der Entscheidung naht, wird es Zeit, eine fast vergessene Wahrheit auszusprechen: William H. Gates III. hat sich um die EDV-Industrie und uns alle verdient gemacht! Er hat uns nicht nur vor IBM beschützt, sondern sie uns vom Hals geschafft. Wer heute IBM als OS/2 schleudernden David gegen Goliath Microsoft stellen möchte, muß unter Gedächtnisschwund leiden. Sehnt sich wirklich jemand nach den Zeiten zurück, als man die Branche treffend mit "IBM und die Sieben Zwerge" charakterisieren konnte?

Die Armonker haben den PC nie gewollt. Wenn sie die Kontrolle über die Entwicklung behalten hätten, säßen wir heute immer noch an textbasierten Terminals. Ein Operator würde mir Rechenzeit und Diskquota auf einem Mainframe zuteilen, wahrscheinlich müßte ich alle halbe Jahre eine Projektbeschreibung abgeben, um meinen Account nicht zu verlieren. Die meisten Informatik-Absolventen wären gezwungen, bei BigBlue (oder, kaum besser, bei Univac, Digital oder Nixdorf) um Arbeit zu betteln. Wer zu jung ist, um mein Grauen nachzuvollziehen, sollte sich den Film "Brazil" anschauen: so könnte eine Gesellschaft unter der Herrschaft von IBM aussehen.

Apple hatte seine Chance, die Welt zu verändern. Aber der ganze Verein betrug sich während der späten Achtziger ebenso schnöselig, pseudoelitär und arrogant wie der typische Mac-User ... oder war es umgekehrt? Wer kennt nicht jene sogenannten "Kreativen", die auf Parties mit keckem Schütteln ihres Pferdeschwänzchens die spöttischen Worte "wir arbeiten nur mit Macs" in die Runde tropfen ließen. Haben wir damals nicht alle unser Schicksal als arme Schlucker, gefangen mit DOS, Word 3.0 und Hercules-Grafik, verflucht, wenn sich ob dieser Worte die Augen der hübscheren Frauen dem Sprecher zuwandten? Ja, wenn Apple damals die Preise nur um 20 % gesenkt hätte, wir alle wären weinend in den Staub gesunken und hätten Mac und Maus ewige Treue geschworen.

Wie viele waren damals nicht schon verzweifelt genug, sich nach dem Motto "Wenn schon nicht Porsche, dann wenigstens Golf GTI" einen Atari zuzulegen! Wer aber hat uns tatsächlich aus der Knechtschaft befreit und uns unsere Würde wiedergegeben? Wild Billy the Gates! Gab es uns nicht Hoffnung, als unsere das Mausklicken ungewohnten Finger zum erstenmal Pagemaker für Windows 386 erkundeten? Wie schnell fiel doch das hochnäsige Grinsen der Apple-Anbeter zusammen, nachdem erst Windows 3.1 auf dem Markt war. Und wenn Billy die Betonköpfe von IBM schon ’88 zum Teufel gejagt hätte, hätte ich vielleicht schon ’90 als stolzer Windows-3.1-Anwender diese tolle Rothaarige auf der Sommerparty ansprechen können ... naja, vergessen, vertan.

Doch jetzt, wo sich Williams Vision von der Herrschaft über Desktop und Welt fast erfüllt hat, rotten sich kleinliche Neider zusammen und wollen mit haarspalterischen Rechtshändeln sein Regime abschütteln. Überall rumort und brodelt es, wenn das so weitergeht, wird sogar noch das Volk gegen die kürzlich eingeführte Microsoftsteuer revoltieren!

Billy, ich will Dich nicht enden sehen wie Ludwig XVI. - oder gar gevierteilt! Nein, Du sollst mir als Wilhelm der Edle im Gedächtnis bleiben. Deshalb schlage ich vor: Bring doch Deine Aktien nicht erst, wie angekündigt, in ein paar Jahren in eine Stiftung ein, sondern sofort. Dafür errichten wir Dir ein schönes Denkmal im Lake Bill, meinetwegen auch im Central Park, und so werden Generationen die Geschichte vom guten König William weitererzählen, der die Welt vor den finsteren Mächten gerettet hat.


Michael Kunze (ole)