Endspurt im Streit um die Netzneutralität auf EU-Ebene

Der Industrieausschuss des EU-Parlaments soll am Dienstag einen halbgaren Kompromiss zum offenen Internet absegnen. Bürgerrechtler warnen vor großen "Schlupflöchern für ein Zwei-Klassen-Netz".

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(Bild: dpa, Ole Spata)

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Die jahrelange Auseinandersetzung um eine gesetzliche Garantie für die Netzneutralität geht auf EU-Ebene in die letzten Runden. Am Dienstag will der zuständige Industrieausschuss des EU-Parlaments über einen Verordnungstext entscheiden, den das Parlament mit dem EU-Rat ausgehandelt hat. Die Parlamentarier sollen dann in zwei Wochen über das Vorhaben abstimmen. Vertreter der Mitgliedsstaaten haben die Initiative Anfang Oktober beschlossen.

Laut dem aktuellen Verhandlungsstand sollen Zugangsanbieter zum Internet "den gesamten Datenverkehr ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung, ungeachtet des Senders, des Empfängers, des Inhalts, der Anwendung, des Dienstes oder des Endgeräts, gleich behandeln". Die EU-Gremien wollen allerdings ein "angemessenes Verkehrsmanagement" zulassen, solange dieses transparent, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig ist. Provider dürfen demnach ausdrücklich "auch Maßnahmen anwenden, bei denen zwischen objektiv verschiedenen Verkehrskategorien unterschieden wird".

Blockaden sollen zulässig sein, wenn strafrechtliche Vorschriften oder andere gesetzliche Vorgaben dies erfordern. Zugangsanbieter dürften Datenpakete etwa ausbremsen oder ganz ausfiltern, um die Integrität und Sicherheit des Netzes zu gewährleisten, also etwa Cyberangriffe abzuwehren. Vergleichbare Instrumente könnten aber auch eingesetzt werden, um eine "drohende Netzüberlastung zu vermeiden".

Provider sollen darüber hinaus auch Dienste anbieten können, “die für bestimmte Inhalte, Anwendungen oder Dienste oder eine Kombination derselben optimiert sind". Voraussetzung ist, dass ein solches Vorgehen "erforderlich ist, um den Anforderungen der Inhalte, Anwendungen oder Dienste an ein spezifisches Qualitätsniveau zu genügen". Ob Spezialdienste nötig sind, sollen nationale Regulierungsbehörden entscheiden. Es müsste auf jeden Fall genügend Netzkapazität zur Verfügung stehen, um sie "zusätzlich" zu den gängigen Internetangeboten zu erbringen.

Der grüne Netzexperte Konstantin von Notz wirft der Bundesregierung vor, tatenlos zuzusehen, wie die Netzneutralität auf EU-Ebene "verramscht wird". Angesichts der vagen Formulierungen beklagen auch Bürgerrechtsorganisationen wie die Digitale Gesellschaft und die Initiative European Digital Rights (Edri), dass der Kompromiss nicht alle "Schlupflöcher für ein Zwei-Klassen-Netz" abdichtet. Der auf dem Tisch liegende Text enthalte zudem nur ein "formelhaftes Bekenntnis zur Diskriminierungsfreiheit des Datenverkehrs".

Anforderungen an die Netzneutralität sollen Dienstagabend auch mit Abgesandten aus Politik und Wirtschaft auf einem Forum des Providerverbands eco in Berlin erörtert werden. (vbr)