Telekom unter Druck

Durch die Tariferhöhung Anfang des Jahres und diverse Pannen hat das angeschlagene Image der Telekom einen endgültigen Knacks erhalten. Ein mehrere hundert Millionen Mark schwerer Werbeetat soll retten, was zu retten ist – und liefert durch seine Höhe neuen Zündstoff.

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Von
  • Ralf Hüskes
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Allein für die Werbung zur Tariferhöhung gibt die Telekom nach einem Bericht des Marketing-Blattes w&v rund 10 Millionen Mark aus. Für dieses Geld versucht Springer & Jacoby – Deutschlands Werbeagentur Nummer eins – den Kunden seit Anfang des Jahres die saftigen Preiserhöhung schmackhaft zu machen. Allerdings mußte die Telekom bereits erfahren, daß man auch in der Werbung seine Kunden nicht beliebig für dumm verkaufen darf. Anfang Januar verbot das Landgericht Köln ein Anzeigenmotiv zur 'Aufklärung' über die Preiserhöhungen als irreführende Werbung. Beanstandet wurde darin, daß sich die Beispielrechungen auf ein dreiminütiges Gespräch bezogen, den günstigsten Extremfall für einen Gebührenvergleich.

Insgesamt veranschlagt der privatisierte Monopolbetrieb 1996 rund 600 Millionen Mark für Werbung. 'Die Telekom aast mit den Einnahmen ihrer Zwangskunden', so Wilhelm Hübner, Vorsitzender des Verbandes der Postbenutzer. Sie leiste sich ein Sinfonieorchester und einen eigenen Radrennstall, anstatt die hohen Monopolgewinne für Tarifsenkungen auszugeben, mokiert sich der Verbraucherschützer.

Entgegen der verbreiteten Meinung erzielt die Telekom mit dem Telefondienst nach Angaben Hübners bereits seit Jahren fette Gewinne, allein im Jahre 1994 rund 12 Milliarden Mark oder 30 Prozent des Umsatzes – mehr als IBM und Microsoft zusammen weltweit an Gewinnen eingefahren hatten. Übriggeblieben sei von dem Überschuß allerdings, so Hübner, keine einzige Mark. Das ehemalige Staatsunternehmen finanziere mit dem Geld aus den Monopoleinnahmen andere Dienstzweige mit, in denen es bereits heute im Wettbewerb der freien Marktwirtschaft steht, beispielsweise beim Telefonverkauf.

Wann und in welcher Höhe die Telekom ihre Privatkunden mit Sonderrabatten für die jüngsten Erhöhungen entschädigen möchte, steht derzeit noch in den Sternen. Telekom-Sprecher Jürgen Homeyer bremste gegenüber c't derartige Erwartungen. Die Telekom versuche zwar, so Homeyer, die Sondertarife möglichst bald einzuführen, doch der endgültige Termin hänge von den Beratungen des Postregulierungsrates Mitte März ab.

Mit den 'Family and Friend'-Tarifen sollen Dauertelefonierer gegen eine erhöhte Grundgebühr einige Rufnummern angeben können, die sie besonders häufig anwählen. Für alle Verbindungen zu diesen Nummern erhalten sie dann einen Rabatt, der nach Angaben Homeyers im zweistelligen Prozentbereich liegt, allerdings noch nicht feststeht. Datenschützer monieren, daß die Kunden die Rufnummern der Telekom melden und damit persönliche Daten offenlegen müssen.

Schneller kommt die Telekom derweil mit dem Rabattsystem im Großkundenbereich voran, wo ihr die ausländischen Mitbewerber ab Mitte des Jahres Konkurrenz machen können. Obwohl das Rabattsystem noch nicht genehmigt ist, soll es nach den derzeitigen Plänen rückwirkend ab dem 1. Januar gelten. Und damit nicht genug des Entgegenkommens. Nach Insider-Angaben dürften die Großkundenrabatte auch noch wesentlich höher ausfallen als die für Privatkunden.

In der Online-Gemeinde haben sich mittlerweile mehrere Initiativen gegen die Tariferhöhung gebildet. So kursierte ein Kettenbrief unter dem Titel 'Tag der Buschtrommeln', der dazu aufruft, am Aschermittwoch (21. Febuar) nicht zu telefonieren. In dem Aufruf heißt es 'Geben Sie der Telekom einen kleinen Vorgeschmack auf 1998 (den Fall des Monopols).'

Ob der Boykottaufruf genügend Anhänger findet, bleibt jedoch abzuwarten. Trotz großer Aufregung geht das Engagement der meisten Onliner nicht sehr weit. So hat Michael Hesemann (Infos über Mhese@aol.com) für eine Musterklage gegen die Telekom bisher gerade einmal 100 DM an Spenden zugesichert bekommen.

Eine weitere Initiative firmiert unter dem Titel 'So nicht!'. Dort werden Informationen zur Gebührenreform angeboten und Kommentare von Anwendern gesammelt. Die Initiative will Wege aufzeigen, um der Telekom Einnahmen vorzuenthalten, etwa durch den Wechsel von T-Online zu einem anderen Online-Anbieter.

Bei aller Verbitterung scheinen derweil zumindest einige Softwarehersteller durch die Preiserhöhung auf ihre Kosten zu kommen. Das Softwarehaus ExperTeam aus Dortmund offeriert ein kleines Programm mit den Informationen aus den kostenlosen Telekom-Broschüren. Die 30 Mark teure Software überschlägt die Höhe der Telefonrechnung anhand der geschätzten Gesprächsanzahl und -dauer ähnlich einem Excel-Spreadsheet.

Mehr bietet schon das Programm Tarife96 für Windows, das Tobit-Händler zwischen 10 und 30 DM anbieten. Es enthält immerhin eine Datenbank mit allen Vorwahlen und kann so Berechnungen für konkrete Verbindungen erstellen. Außerdem enthält es auch die Tarife für Sondernummern (0180, 0190 etc.). Weiterhin kalkuliert es Auslandsverbindungen anhand der internationalen Vorwahl und gibt dabei praktischerweise die dort aktuelle Uhrzeit mit aus.

Wem solche Programme zu teuer sind, der kann seine Gesprächskosten auch direkt per Excel ausrechnen. Ein kostenloses Arbeitsblatt zum Berechnen der Gebühren findet man beispielsweise in ftp://ftp.igd.fhg.de/outgoing/zedler/teltarif.xls. Neben der Gebührenerhöhung hat vor allem die Abrechnungspanne bei der Umstellung zu Jahresbeginn die Gemüter erregt. Da hilft es wenig, daß Alcatel SEL sich für den Fehler in ihrer Software MOD 900 zumindest bei der Telekom, nicht jedoch den Betroffenen entschuldigt hat: 'Mit dem Programmierfehler und dem Testversäumnis haben wir unserem Kunden ein Problem beschert, das vermeidbar war und für das wir uns bei der Deutschen Telekom entschuldigen.'

Schließlich mußte die Telekom in jüngster Zeit eine ganze Reihe von Abrechnungsfehlern eingestehen: Ende letzten Jahres versagte die Erfassung von Anbietergebühren für einige 190er Nummern. Das ehemalige Staatsunternehmen mußte die Anbieter, die unter anderem Erotik-Talks offerieren, pauschal entschädigen. Einigen T-Online-Kunden war in der zweiten Dezemberhälfte die Mehrwertsteuer gleich zweimal berechnet worden, sie bekamen das Geld jedoch unaufgefordert zurückerstattet.

Als das Nachrichtenmagazin Focus jedoch aufgedeckt hatte, daß D1-Kunden über einen längeren Zeitraum aufgerundete Gebühren abgerechnet wurden, ließ sich dieser Fehler nicht mehr ohne weiteres rückgängig machen. Laut Focus Online hat die Telekom den Fehlbetrag auf 400.000 DM geschätzt und diese Summe an das Kinderhilfswerk in Bosnien gespendet.

Doch nicht nur Abrechnungspannen plagen die Telekom, sie hat auch mit peinlichen technischen Problemen zu kämpfen. So sorgte eine Umstellung der digitalen Vermittlungsstellen Anfang Januar für Wirbel. Unaufgefordert schaltete die Telekom das Dienstmerkmal 'Dreierkonferenz' für alle analogen Anschlüsse an digitalen Vermittlungstellen frei. Drückte ein Anrufer daraufhin nach Gesprächsende nicht länger als 900 ms auf die Gabel und wählte dann erneut, baute die Vermittlungstelle eine gebührenpflichtige Dreierkonferenz auf. Nachdem sich etliche Kunden über die ungewollten Zusatzkosten beschwert hatten, sah sich die Telekom Ende Januar zu einem Rückzug gezwungen und sperrte das ungewünschten Zusatz-Feature.

Nach dieser Pannenserie sieht sich die Telekom nunmehr immer häufiger dem Vorwurf ausgesetzt, ihr technischer Standard genüge nicht der Rolle als Monopolhalter einer Schlüsseltechnologie in einer führenden Industrienation. Die Vorfälle der jüngsten Zeit sind jedenfalls dazu angetan, der durch die schrittweise Öffnung des Telekommunikationsmarktes aufkommenden Konkurrenz den Weg zu bereiten. (ad) (ad)