Multimedia online

Online-Shopping, interaktives TV, virtuelle Realität &endash; so lauten die magischen Worte des Cyberspace. Wer heute jedoch online surft, wird oft enttäuscht. Trotzdem beginnen viele Firmen, sich auf den vermeintlich milliardenschweren Multimedia-Markt der Zukunft vorzubereiten.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Michael Kurzidim

Multimedia, damit verbinden viele nicht mehr nur Videos und Grafiken auf CD-ROMs; verstärkt wird das Zauberwort der Computer- und Unterhaltungsindustrie auch mit Online- Medien wie T-Online, CompuServe, AOL oder dem World Wide Web in Verbindung gebracht. Hersteller, deren Produkte bis jetzt ausschließlich für den Offline-Publishing-Sektor gedacht waren, beginnen zunehmend, Utilities etwa für die Anbindung ans Internet/World Wide Web anzubieten, mit denen, so das Versprechen der Hersteller, fertig produzierte CD-ROM- Applikationen problemlos ins globale Netz gestellt werden können.

Macromedia beispielsweise präsentierte auf der CeBIT eine Beta-Version seines Multimedia-Entwicklungssystems Director 5.0. Die englische Vollversion soll mit dem Erscheinen dieses Heftes auf den Markt kommen, auf die deutsche Version müssen Director-Entwickler noch bis zum Sommer dieses Jahres warten. Der neue Director 5.0 läuft als echte 32-Bit- Anwendung unter Windows 95, Windows NT und auf dem Macintosh. Das Produkt enthält einen überarbeiteten Lingo-Debugger, eine verbesserte OLE-Funktion und Xtra-Plug-ins, die die Xobjects als Cross-Platform-Verbindung zum Director ersetzen und erweitern sollen. Bereits einige Wochen vor der CeBIT in Hannover bot die Multimedia-Schmiede Macromedia das Internet-Utility Shockwave zum kostenlosen Download auf seiner Website an. Shockwave macht Director-Anwendungen fit fürs Internet/World Wide Web: `Macromedia shockt Millionen', titelt das Unternehmen großspurig in seinen Produktbeschreibungen. Asymetrix' Toolbook, der alte Rivale des Director, hat seinen Benutzern ebenfalls einen Internet-Anschluß in Aussicht gestellt.

Am World Wide Web kommt keiner mehr vorbei, obwohl sich Experten einig sind, daß die jetzige Bandbreite und Übertragungsrate des Netzes für anspruchsvollere Multimedia- Anwendungen keinesfalls ausreicht. Die virtuelle Bank und das virtuelle Einkaufszentrum, die auf der CeBIT zu sehen waren, holen ihre Grafiken und Animationen denn auch von der Festplatte des Rechners und nicht aus dem Netz. Um nervende Wartezeiten für das Laden von Megabyte- schweren Grafikdateien zu umgehen, werden deshalb Online-Aktivisten auch in Zukunft nicht an den silbernen Scheiben vorbeikommen. Die aktuellen Texte und Zahlen kommen zwar aus dem Netz, die bunte Multimedia-Kulisse aber liefert die CD-ROM auf dem heimischen Rechner. Ein derartiges Konzept wird von CompuServe schon lange praktiziert.

Zum ersten Mal nahm auf der diesjährigen CeBIT auch das Thema Online-Shopping einen breiteren Raum ein. Mit dem Intershop Online der Firma Netconsult aus Jena beispielsweise können Benutzer ohne Programmierung ihr eigenes virtuelles Kaufhaus entwickeln. Dem Produkt liegt eine Sybase-Datenbank zugrunde, unter anderem sind Artikelverwaltung und Fakturierung bereits integriert. Der Intershop Online läuft unter Windows NT und Unix, die NT-Version kostet 9200 DM.

Allerdings eignen sich nicht alle Produkte für die Online-Vermarktung. Die größten Chancen auf Rentabilität haben Artikel, die keinen materiellen, sondern einen ideellen Wert verkörpern, wie zum Beispiel Geschenke, kleine Mitbringsel, Konzert- und Kinokarten, Flugtickets oder Blumen. Da das typische Einkaufserlebnis fehlt, trauen die Online-Kunden eigentlich nur Produkten, die sie schon kennen und die sie nicht erst ausprobieren müssen. Selbst unter diesen Voraussetzungen nehmen sich die Umsätze des Online-Marktes eher bescheiden aus. Zwar setzten in den USA, so schreibt der Spiegel, Online-Händler im vergangenen Jahr rund 350 Millionen Dollar um. Verglichen mit einem US-Gesamtumsatz von 2,2 Billionen Dollar aber ist Online-Shopping nach wie vor ein Nischenmarkt, und die deutschen Zahlen fallen bedeutend niedriger aus.

Obwohl Anbieter wie AOL, T-Online oder CompuServe zum Großangriff auf das Portemonnaie des Konsumenten blasen, krankt das Online-Geschäft der Gegenwart noch vehement an der Kaufunlust der Kunden. Online-Shopping ist heute immer noch die Spielwiese von Avantgardisten und Technik-Pionieren. Präsenz und technische Innovation zählen mehr als der tatsächlich erzielte Gewinn. Viele Hersteller bieten deshalb Online-Anbindung als Gratisoption an und konzentrieren sich auf den mittlerweile konsolidierten Markt der CD-ROMs. Strata Inc. aus Utah stellte eine Beta seines Multimedia-Autorensystems MediaForge 2.0 für Windows 95/NT vor. Das Produkt ist in erster Linie für die Entwicklung von Spielen gedacht und soll im April auf den Markt kommen. MediaForge unterstützt Media-Basic, eine Untermenge des verbreiteten Visual Basic. Weitere Programme wie StudioPro oder Strata MediaPaint erlauben dreidimensionales Modelling, Rendering und digitale Video-Spezialeffekte. Strata-Produkte werden in Deutschland von der Karlsruher Kodiak TC vertrieben.

Eine interessante Alternative zu programmierbaren Multimedia-Entwicklungssystemen, die eine längere Einarbeitungszeit erfordern, und simplen Drag&Drop- Programmen, die vor komplexeren Aufgabenstellungen meist kapitulieren, präsentierte die dänische Firma Matchware. Der Medi8or arbeitet wie das professionelle Toolbook seitenorientiert und erlaubt eine elementare Form des visuellen Programmierens. Der Entwickler kombiniert Ereignis- mit Aktions-Icons und bestimmt dadurch das Verhalten des Systems auf Aktionen des späteren Benutzers. Der Medi8or kostet ganze 299 DM, Matchware will das Programm an Schulen und pädagogische Einrichtungen verkaufen.

Der Erfolg einer Multimedia-Produktion hängt jedoch nicht nur vom Thema oder den benutzten Werkzeugen ab. Verglichen mit ihren US-amerikanischen Kollegen haben es deutsche CD-ROM-Produzenten ungleich schwerer. Der deutsche Markt reagiert nicht so dynamisch, 80 Millionen potentielle Käufer markieren theoretisch die höchste obere Grenze. Hier gelten 10 000 verkaufte Silberscheiben schon als Erfolg, bei einer Auflage von über 15 000 spricht man von Rennern. Viele Produzenten gehen daher dazu über, ihre Produktionen auch in französisch und englisch zu vermarkten, das Gros der Kosten bleibt dabei konstant. Die Mehrfachvermarktung bleibt jedoch oft auf den europäischen Wirtschaftsraum beschränkt. Beim Sprung über den Teich lauern rechtliche Fallstricke, die den Verkauf in den USA erschweren oder sogar ganz unmöglich machen.(ku) (ha)