Großbritannien: Abgeordnete dürfen überwacht werden

Seit Jahrzehnten haben sich britische Parlamentarier auf eine Zusage des Premiers verlassen, derzufolge sie nicht überwacht werden. Diese Zusage ist jedoch gar nicht gültig, hat das zuständige Gericht nun ganz überraschend geurteilt.

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Großbritannien: Abgeordnete dürfen überwacht werden

Auch das Parlament ist vor dem GCHQ nicht sicher.

(Bild: Michael D Beckwith, CC BY 2.0 / GCHQ)

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Die private Kommunikation von britischen Abgeordneten ist, anders als seit Jahrzehnten angenommen, juristisch nicht vor Überwachung geschützt. Zu diesem überraschenden Schluss ist das für die Geheimdienstaufsicht zuständige Gericht IPT (Investigatory Powers Tribunal) gekommen, berichtet der Guardian. Eine diesbezügliche, vor Jahrzehnten formulierte Doktrin sei im englischen Recht nicht anwendbar, habe das Gericht geurteilt. In der Entscheidung ging es nicht darum, ob die Kommunikation der Parlamentarier tatsächlich überwacht wird, sondern nur, ob das juristisch verboten wäre.

Zu prüfen hatte das IPT demnach die sogenannte Wilson-Doktrin. So heißt eine 1966 von Premierminister Harald Wilson gegebene Zusicherung, dass die Telefone der Abgeordneten des Ober- und des Unterhauses nicht abgehört werden. Wilson hatte jedoch ergänzt, dass das widerrufen werden könnte. Darüber müsste das Parlament dann nicht sofort informiert werden. In der Folge wurde diese Doktrin trotzdem als gültig anerkannt und 1997 von Premier Tony Blair auf elektronische Kommunikation wie E-Mails erweitert. Erst am Montag habe Innenministerin Theresa May Abgeordneten zugesichert, dass die Wison-Doktrin weiterhin gelte.

Dem hat das IPT nun widersprochen und Wilsons Zusage als "politisches Statement in einem politischem Zusammenhang" bezeichnet, inklusive der damit "zuweilen verbundenen Zweideutigkeit". Die Kommunikation von Parlamentariern sei nicht stärker geschützt als die aller Bürger. Anders als Journalisten und Anwälte seien Abgeordnete in dieser Beziehung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht gesondert geschützt. An dieser Stelle spekuliert der Guardian wie die Abgeordneten auf solch ein Nein zu parlamentarischen Privilegien reagieren würden, wäre es aus Straßburg selbst gekommen.

Ein IPT-Urteil zu der Wilson-Doktrin war von zwei Abgeordneten der Grünen verlangt worden. Die hatten sich demnach beklagt, dass der britische Geheimdienst GCHQ laut den Snowden-Enthüllungen bei seiner Massenüberwachung auch gegen die Wilson-Doktrin verstoße. Mit Caroline Lucas fordert nach dem Urteil eine der Beschwerdeführerinnen, dass künftige Überwachungsgesetze einen Schutz für Abgeordnete festschreiben müssten. Die andere, Jenny Jones, erklärte, dass sie bei ihrer Arbeit immer wieder auch mit Whistleblowern spreche, die geschützt werden müssten. in einer Demokratie gebe es "absolut keine Entschuldigung dafür", Menschen zu überwachen, die Parlamentarier kontaktieren. (mho)