Gipfelstürmer

Intels Werbefilme propagieren zwar immer noch den Pentium III als den Prozessor, der unsere Multimediawelt zusammenhält, echte Jünger des Marktführers wissen es aber längst besser: Intels eigentliches Schmuckstück ist der neue Pentium 4. Was Systeme mit Intels Flaggschiff in der Praxis leisten, überprüften wir an sechs Rechnern von Dell, Fujitsu-Siemens, Gateway und HP.

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Von
  • Georg Schnurer
Inhaltsverzeichnis

Intels jüngster Spross, der Pentium 4, ist mit bis zu 1,5 GHz der höchstgetaktete momentan verfügbare x86-Prozessor. Dass Taktfrequenz allein aber nicht das Maß aller Dinge ist, zeigte bereits unser Vergleichstest [1] mit dem Athlon von AMD. Obwohl dieser mit ‘nur’ 1,2 GHz Takt läuft, schlägt er Intels Neuen in diversen Disziplinen. In Ordnung ist die Intel-Welt aber, wenn es um den direkten Vergleich von Pentium III und Pentium 4 geht - hier dominiert der 4er in allen Tests. Wer daher höchste x86-Leistung von Intel verlangt, liegt mit dem Pentium 4 richtig.

Doch ein schneller Prozessor allein macht noch keinen flotten Rechner aus: Nur in einer rundum angemessenen Hard- und Software-Umgebung kann der Prozessor seine Leistung entfalten. Hat der PC-Hersteller am falschen Ende gespart oder grobe Konfigurationsfehler gemacht, setzt der Käufer bares Geld in den Sand.

Man mag über Prozent-Feilscherei bei der PC-Leistung die Nase rümpfen, aber für jedes Prozent mehr Leistung am oberen Ende der Skala muss der Kunde extrem tief in die Tasche greifen. Wenn dann ein schlechtes Design ein Pentium-4-System auf das Niveau eines Pentium-III-PC ausbremst, hat der Anwender mindestens 1000 Mark ‘für nichts’ bezahlt.

Aber Performance ist auch nicht alles. Wer etliche tausend Mark für einen Highend-Rechner ausgibt, möchte daran auch ohne Lärmbelästigung arbeiten können. Die enorme Abwärme, die ein Pentium 4 produziert, sollte deshalb ein ausgeklügeltes Kühlsystem abführen und nicht etwa ein lärmendes Billig-Gebläse.

Wichtig ist natürlich auch der visuelle Eindruck des Systems - und hier ist nicht nur das Gehäuse-Äußere oder ein aufgeräumter Innenaufbau gemeint. Vielmehr erwartet man von einem teuren Hochleistungssystem auch ein gestochen scharfes Videosignal - ein vermatschtes Monitorbild erlaubt keine längere Bildschirmarbeit.

Für den Großteil der PC-nutzenden Bevölkerung sind 2000-Mark-PCs mit Prozessoren von 866 bis 1 GHz derzeit der beste Kompromiss zwischen Preis und Leistung. Bei den privaten Anwendern gibt es aber eine - sogar recht große - Gruppe von Power-Usern, deren Rechner nie schnell genug sein kann: die Action-Spieler. Immer komplexere Spiele mit nahezu realistischer 3D-Darstellung nehmen dankbar jedes Quäntchen Leistung, das sie bekommen können, und erhöhen damit die Spielfreude.

Im Profi-Lager interessieren sich vornehmlich 3D-Spezialisten aus dem CAD/CAM-Bereich, Programmierer, aber auch Bildbearbeiter und Layouter für einen schnellen Rechner. Kürzere Kompilier- und Renderzeiten bedeuten hier bares Geld. Selbst die drastisch höheren Anschaffungskosten - nicht selten Faktor 2 für nur zehn bis 30 Prozent mehr Leistung - sind im kommerziellen Einsatz schnell eingespielt, wenn ein hochbezahlter Spezialist seine Resultate pro Tag eine Stunde schneller erzielt.

Es sei aber deutlich gesagt: Diese Mehrleistung bringt nur dort etwas, wo Rechenzeiten von zehn auf acht Stunden oder von 60 auf 40 Minuten schmelzen - der typische Excel-Akrobat, Textverarbeiter oder Flatrate-Dauersurfer spürt von 30 Prozent Mehrleistung so gut wie nichts.

Nahezu jeder Hersteller hat offiziell mindestens ein Pentium-4-Modell im Programm, doch sind sie gar nicht so einfach zu beschaffen. Für unseren Test konnten wir drei Profi- und drei Consumer-Systeme auftreiben, die zum Teil mit 1,4-, zum Teil mit 1,5-GHz-Prozessoren bestückt waren. Den günstigsten Pentium-4-Rechner liefert Dell in Form des Dimension 8100 ‘ab 2699 Mark’, wie im Prospekt des Direktversenders zu lesen ist. Unterm Strich kostet das Gerät allerdings in der Minimalausstattung knapp 3000 Mark, doch dazu später mehr. Ebenfalls für den Consumer-Markt ist der GP8GM von Gateway gedacht, für den man gut 5500 Mark auf den Tisch legen muss. Das gleiche Segment bedient Fujitsu-Siemens mit dem üppig ausgestatteten Silverline-Rechner, der beispielsweise bei Saturn-Hansa knapp 6500 Mark kostet.

In der Profi-Klasse schickte Fujitsu-Siemens zwei Modelle ins Rennen: Den Scenic L (4999 Mark) und die Grafik-Workstation Celsius 460 P4 zum stattlichen Preis von 13 499 Mark. Von HP nahm in dieser Kategorie die Vectra VL800 teil (10 626 Mark). Die ebenfalls zum Test geladenen Kandidaten von Compaq und IBM erreichten unseren Prüfstand nicht mehr rechtzeitig.

Als Vergleichssystem ‘für den Normal-User’ bemühten wir den Dell Dimension 4100 aus unserem letzten Kauftest [2]. Mit seinem Arbeitsspeicher von 128 MByte, dem 733-MHz-Pentium-III, einem DVD-Laufwerk und der TNT2-Grafik entspricht er in etwa dem, was heute für knapp 1800 Mark zu haben ist.

Da unsere Testkandidaten das gesamte Spektrum vom ‘Boliden für jedermann’ bis hin zur Grafik-Workstation für Spezialisten abdecken, haben wir unseren Testparcour entsprechend erweitert. Zunächst galt es aber, die üblichen Spiele-Benchmarks (Quake III, Incoming, 3DMark 2000) sowie die auf realen Anwendungsprogrammen beruhende BAPCo-Benchmark-Suite zu absolvieren. Damit gewannen wir grundsätzliche und vergleichbare Anhaltspunkte zur Alltags- (BAPCo) und Spieletauglichkeit der verschiedenen Systeme.

Zum Rendern komplexer Szenen bemühten wir PovRay, zur Berechnung von 3D-Objekten Cinema 4D und 3D-StudioMax (Release 3). PovRay belastet vornehmlich den Prozessor selbst, weshalb sich die Ergebnisse der einzelnen Rechner hier kaum unterscheiden. Cinema 4D und das 3D-Studio nutzen dagegen intensiv die OpenGL-Fähigkeiten der verwendeten Grafikkarten.

Die Eignung für den Arbeitsalltag des ambitionierten Programmierers sollte die Kompilierung des kompletten Mozilla-Codes beweisen, wobei Microsofts Visual Studio 6.0 auch alle notwendigen Objekt-Files erzeugte. Aus gut 27 000 Dateien mit insgesamt 170 MByte Quellcode entstand so ein lauffähiger Web-Browser. Die Rechner arbeiteten dabei mit dem vom Hersteller vorgesehenen Betriebssystem und in der Standardkonfiguration - was hier zu dramatischen Unterschieden führte.

Einige Systeme bewältigten die Aufgabe in 22 Minuten, andere benötigten dafür beinahe drei Stunden. Schuld daran war aber nicht die gelieferte Hardware, sondern vielmehr die Softwarekonfiguration der entsprechenden Systeme. Gerade bei Consumer-PCs installieren die Hersteller diverse Zugaben wie etwa Virenscanner, die permanent im Hintergrund laufen. Im normalen Betrieb stören diese kaum. Beim Kompilieren komplexer Projekte bremsen diese aber gehörig. Nortons AntiVirus etwa sorgte bei unserem Vergleichssystem im aktiven Zustand für eine Kompilierzeit von 163 Minuten. In deaktiviertem Zustand sank die Zeit auf 79 Minuten und nach Entfernen des Programms schrumpfte sie auf 45 Minuten. Wir haben den Compiler-Test deshalb einmal in der Originalkonfiguration der Systeme (Ergebnis in Klammern) und einmal nach Entfernen aller Hintergrundprogramme laufen lassen.

Erfreulicherweise fanden wir bei keinem der Rechner Grund zur Beanstandung des Systemaufbaus. Bei der Konfiguration des Betriebssystems und der mitgelieferten Programme hingegen patzten einige Hersteller zum Teil recht grob: So hielt es bespielsweise keiner der Anbieter, die ein System mit Windows 2000 ins Rennen schickten, für nötig, das seit Monaten verfügbare Service-Pack 1 aufzuspielen.

Als weitgehend unausgegoren erwies sich die von den Herstellern vorgesehene Recovery-Funktion. Sie soll den Anwender in die Lage versetzen, nach einem größeren Desaster das Betriebssystem, die Treiber sowie die mitgelieferte Software komfortabel neu zu installieren.

Ideal wäre eine doppelte Lösung: Der Experte erhält Installations- und Treiber-CDs, um die Software komplett neu aufzuspielen. Der Laie greift zur zusätzlich beiliegenden Image-CD, um damit die ursprüngliche Installation (und nicht etwa den Originalzustand der Festplatte bei Auslieferung) wiederherzustellen.

Leider entsprach keine Lösung völlig unseren Wünschen. Die meisten Hersteller liefern lediglich eine Betriebssystem- und eine Treiber-CD mit. Der Anwender muss sich darauf die benötigten Treiber mühsam zusammensuchen: Ohne brauchbare Hilfestellungen bei teilweise chaotisch organisierten CDs ist das wirklich eine Zumutung.

Das andere Extrem entdeckten wir bei HP: Hier lieferte man lediglich eine Image-CD mit, die die Festplatte zunächst neu partitionierte und dann das Original-Image aufspielte, also exakt den Lieferzustand wiederherstellte. Alle vom Anwender erstellten Dateien, andere von ihm installierte Betriebssysteme auch auf anderen Partitionen sind danach Geschichte. Möglichkeiten, dies zu verhindern, hatte HP nicht vorgesehen.

Es gibt zwar keine prinzipielle Unverträglichkeit zwischen Linux und Pentium 4, wohl aber Stolperfallen in einigen Distributionen. So erkennt der Kernel 2.2.16, den die Installationsroutine von SuSE Linux 7.0 verwendet, den Prozessor nicht korrekt, und es hagelt Fehlermeldungen: ‘RPM meldet Fehler’, ‘Lilo konnte nicht installiert werden’, ‘Root-Passwort konnte nicht gesetzt werden’. Mit einem neuen Installationskernel, den SuSE als Bootdisketten-Image zum Download [3] anbietet, gelang die Installation auf den Testsystemen ohne Schwierigkeiten.

Auf dem Dell Dimension 8100 gab es allerdings danach beim ersten Systemstart einen Kernel-Fehler: Der IO-APIC konnte nicht identifiziert werden und das System meldete sich mit ‘Kernel Panic’ ab. Ähnliches erlebten wir auf dem Dell auch mit Red Hat Linux (Kernel 2.2.16): Hier klappte zwar die Installation mit der Original-CD auf Anhieb, doch mit dem IO-APIC des Dell-Systems kam Red Hat ebenfalls nicht zurecht. Erst bei Angabe des Parameters NoAPIC (Lilo: linux noapic) starteten die beiden Distributionen ordnungsgemäß.

Schuld an diesem Verhalten dürfte die unzureichende Programmierung des zum i850-Chipsatz gehörenden IO-APIC durch das BIOS des Dell-Rechners (Version A01) sein. Ein BIOS-Update - bis zum Redaktionsschluss konnte wir allerdings kein solches auftreiben - dürfte dieses Ärgernis beseitigen. (gs)