Gleichzeitig überall

Wenn amerikanische Unternehmen die mobile Nutzung ihrer Software ankündigen, dann haben sie selten die GSM-Netze im Visier, die im eigenen Land nicht den Stellenwert haben wie beim Rest der Welt. c't sprach deshalb in Las Vegas mit Uffe Sorensen, dem für EMEA zuständigen Lotus Chief Technology Officer, über die Verwendung von Lotus Sametime in GSM-Netzen.

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Lotus hat anlässlich der Entwicklermesse DevCon 2001 in Las Vegas [1|#literatur] eine Erweiterung der Instant-Messaging-Lösung Sametime angekündigt, die Angaben zur Erreichbarkeit und das Instant Messaging auf PDAs und Mobiltelefone ermöglicht.

Lotus Sametime ähnelt anderen Instant-Messaging-Diensten von AOL, Microsoft oder Yahoo, mit dem wesentlichen Unterschied, dass der Messaging-Server jeweils beim Kunden läuft und sich in dessen Authentifizierung integriert, sei es über LDAP oder eine Eingliederung in bestehende Notes-Infrastrukturen. Der Nachrichtenaustausch ist damit gesichert und wird zudem verschlüsselt.

Sametime Everyplace (STEP) erweitert diese Lösung nun derart, dass der Anwender durch sein virtuelles Login am Sametime-Server nicht nur seine Verfügbarkeit signalisiert, sondern auch, dass er derzeit nur per Handy erreichbar ist. Andere Teilnehmer erkennen das an einem speziellen Icon. Eine ausgehende Kommunikation initiiert Sametime durch eine SMS an den Handybenutzer. Dieser kann dann antworten, indem er eine Chat-Session per WAP-Browser eröffnet.

Der WAP-Browser dient außerdem dazu, sich unterwegs beim STEP-Server an- oder abzumelden. Man kann auch in der Buddy-Liste nachschauen, welche anderen Teilnehmer gerade erreichbar sind. Es ist eher unwahrscheinlich, dass jemand mit einem normalen Tele-fon ausgedehnte Chat-Sessions durchführen würde, sieht man einmal von Geräten mit Tastatur wie dem Nokia 9210 ab. STEP dient eher dazu herauszufinden, wer aktuell erreichbar ist. STEP soll ab Ende Juli verfügbar sein und 35 US-Dollar pro Anwender kosten.

c't: Welche Anwendungen sehen Sie derzeit bei Mobiltelefonen?

Sorensen: Es ist zunächst einmal wichtig zu verstehen, welche Art von Business-Anwendungen die aktuellen GSM-Netzwerke unterstützen können. Wenn wir uns die Fähigkeiten des Netzwerks ansehen, dann finden wir einen einzelnen Datenkanal, mit dem man sich vom Telefon über den Provider bis zum Corporate Server verbinden kann. So lange man die Leitung offen hält, kann man darüber eine Session fahren, die beendet wird, wenn man aufhängt. Während dieser Session können Sie mit dem Wap-Browser Anwendungen auf dem Server benutzen.

Natürlich gibt es darüber hinaus einige Einschränkungen durch die Geräteeigenschaften eines Mobiltelefons, etwa hinsichtlich der Größe des Bildschirms oder der Tastatur. Sie können deshalb normalerweise keine längeren Nachrichten schreiben. Sie können auf so einem Gerät zum Beispiel Ihre E-Mails anschauen, aber Sie werden sicher keine E-Mails schreiben wollen. Sie können in einen Kalender schauen, Leute in einem Verzeichnis finden, oder etwa an einem Workflow teilnehmen, bei dem Sie lediglich zustimmen oder ablehnen müssen.

Wir haben im Laufe des letzten Jahres einige Anwendungen auf dieser Basis gesehen, bei denen Kunden Informationen in Form von Domino-Anwendungen auf mobile Geräte bringen, etwa für Manager oder mobile Techniker, die Zugang zu bestimmten Informationen benötigen, zum Beispiel Ersatzteilnummern oder Lagerbestände von Ersatzteilen. Das sind in der Regel sehr einfache Transaktionen. Dabei haben Sie meistens nur sehr wenig Informationen selbst einzutippen.


Killeranwendungen erkennt man immer erst im Nachhinein


Darüber hinaus ist speziell in Europa die Verwendung von SMS-Nachrichten sehr populär. Das hat sich als eine echte Killeranwendung herausgestellt. Natürlich war das nicht so geplant; meiner Ansicht nach erkennt man Killeranwendungen immer erst im Nachhinein.

c't: Inwieweit nutzen Sie diese Fähigkeiten für Sametime ?

Sorensen: Das sind die Grundlagen, auf denen wir Instant Messaging anbieten können, ganz ähnlich, wie wir es jetzt schon im Bereich der PC-Netzwerke nutzen, mit sicheren, authentifizierten Nachrichten und der so genannten Awareness. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit, die Anwesenheit von Personen im Cyberspace zu erkennen. In der physischen Welt können Sie andere Personen sehen, Sie können sehen, ob sie Sie hören können. Sie wissen, dass sie da sind, Sie können ihnen Dinge zeigen, Sie haben Kenntnis von ihrer physischen Anwesenheit. In der virtuellen Welt stellen wir Ihnen diese Informationen per Sametime zur Verfügung. Damit wissen Sie, ob andere für Sie erreichbar sind oder nicht, ob sie jetzt nicht gestört werden wollen und so weiter.


Sie haben kritische Geschäftsentscheidungen, da müssen Sie zeitnah jemanden finden, dem Sie eine einfache Frage stellen können


Wir haben uns dann überlegt, wie wir diese Fähigkeiten über die PC-Netzwerke hinaus auch auf Mobilfunknetze ausdehnen können. Viele Unternehmen wie Beratungs- oder Prüfungsgesellschaften haben viele mobile Mitarbeiter und wollen diese jederzeit finden können. Diese Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource und das Unternehmen will wissen, wo sie sind. Sie haben kritische Geschäftsentscheidungen, da müssen Sie zeitnah jemanden finden, dem Sie eine einfache Frage stellen können. Nun, einfach müssen die Fragen nicht unbedingt sein, aber es sind typischerweise solche, bei denen der Mitarbeiter sofort eine Antwort weiß.

Für das Knowledge Management in einem Unternehmen haben wir uns genau angeschaut, wie man Mitarbeiter befähigen kann, andere jederzeit zu finden. Da war es ein ganz logischer Schritt, diese Fähigkeit auf Mobilfunknetze auszudehnen und somit Sametime auf Mobiltelefone zu bringen, so dass ich jederzeit feststellen kann, dass zum Beispiel Volker gerade nicht im Firmennetz, aber dafür per Mobiltelefon zu erreichen ist.

c't: Wie muss man sich das technisch vorstellen?

Sorensen: Wir hatten ja eingangs schon über die Fähigkeiten der GSM-Netze gesprochen. Um in diesem Beispiel zu bleiben, muss Volker sicherstellen, dass er ein virtuelles Login auf dem Server hat. Das kann er von seinem PC aus machen, aber auch über das Mobilgerät. Das ist nur eine Zustandsänderung auf dem Server. In Sametime wird dann neben seinem Namen statt eines grünen Punktes eine kleine Antenne angezeigt, an der ich erkennen kann, dass er nun nicht mehr im Netz ist, aber mobil zu erreichen ist. Ich kann nun Volker jederzeit eine Instant Message schicken, genau wie ich das auf dem PC tun würde. Ich muss aber davon ausgehen, dass Volker sein Telefon eingeschaltet lässt, da ich keine Möglichkeit habe festzustellen, ob das Telefon aus ist oder nicht erreichbar ist.

c't: Können Sie das nicht feststellen? Der Provider weiß doch auch, in welcher Zelle ich mich aufhalte.

Sorensen: Nein, das GSM-Netzwerk gibt uns keine Möglichkeit, dies festzustellen. Ich kann natürlich eine Nachricht schicken und sehen, ob Volker reagiert, aber wir haben keine Möglichkeit, auf andere Weise festzustellen, ob die Nachricht ankommen würde. Wenn ich nun vom Netzwerk aus eine Nachricht an Volker schicken will, dann wird Sametime diese Nachricht als SMS übermitteln. Wenn Volker dann eine Konversation beginnen will, dann wird er sich mit dem Wap-Browser bei Sametime anmelden und wir haben eine Session.

c't: Könnte er nicht per SMS antworten?

Sorensen: Nein, SMS ist asynchron implementiert. Abhängig davon, welche Art von SMS-Gateway der Provider betreibt, gibt es eine Empfangsbestätigung oder nicht. In dieser Umgebung können Sie kein synchrones Kommunikationsprotokoll aufbauen. Je nach der verwendeten SMS-Software haben Sie keine Chance, die Auslieferung der Nachricht zu gewährleisten.

c't: Dennoch wäre es angenehm, wenn ich auf eine eingehende Nachricht einfach per SMS antworten könnte, ohne eine Wap-Session aufzubauen.

Sorensen: Das stimmt, aber das hinge sehr stark davon ab, welche Art von Vereinbarung Sie mit dem Service-Provider haben. Wenn Sie als Unternehmen SMS-Nachrichten aus dem GSM-Netzwerk empfangen wollen, dann brauchen Sie ein entsprechendes Agreement mit einem Adressierungsschema, möglicherweise ein SMTP-Gateway oder ähnliches. Wir sehen häufig eine andere Nutzung. Mobiltelefone haben die Fähigkeit, aus SMS-Nachrichten Telefonnummern zu extrahieren. Wenn ich aus dem Intranet eine Sametime-Nachricht in das GSM-Netzwerk schicke, dann steht darin, dass die Nachricht von mir ist, und meine Telefonnummer ist ebenfalls enthalten. Häufig wird der andere einfach zurückrufen, wenn dies möglich ist.

Es gibt aber auch Situationen, bei denen ein Telefonanruf keine Option ist, weil man sich etwa in einem Bereich aufhält, in dem Telefonieren nicht akzeptabel ist. Sie wollen vielleicht nicht, dass irgendjemand hört, was Sie sagen. In diesem Fall werden Sie sich eher per Wap am Sametime-Server anmelden und eine kurze Antwort eintippen. Wir haben außerdem festgestellt, dass durch den Einsatz von Sametime das Aufkommen von Voicemail dramatisch sinkt. Sie rufen nicht mehr lange herum und hinterlassen überall Nachrichten, sondern Sie stellen fest, wer erreichbar ist, und wenden sich direkt an die passende Person. Um jemanden zu finden, werden Sie sich auch schnell mit Sametime verbinden.

c't: Ändert sich dieses Szenario, wenn wir statt GSM nun GPRS betrachten?

Sorensen: Ja und nein. Was sich vor allem ändert, ist die Awareness-Komponente. Sie können zum Beispiel ein automatisches Login bei Sametime provozieren, wenn Sie das Telefon einschalten. Da Sie sich in einem paketvermittelten Netzwerk befinden, haben Sie bereits eine Session, die nicht leitungsgebunden ist. Sie brauchen dazu eine Vereinbarung mit dem Service-Provider, dass er Ihren Dienst ruft, sobald das Telefon eingeschaltet wird. Wir haben das noch nicht formalisiert, sind aber mit einigen Anbietern im Gespräch. Das erfordert keine Veränderungen am Kern von Sametime, sondern nur etwas zusätzlichen Code.

Der Operator hat einige Informationen: nicht nur, dass das Gerät eingeschaltet ist, sondern auch, wo es sich befindet. Diese Information könnte er dem Kunden zur Verfügung stellen und wir könnten mit Sametime nicht nur anzeigen, dass jemand erreichbar ist, sondern auch, wo er sich aufhält. Das erfordert keinerlei Änderungen an Sametime selbst. Vodafone hat auf seiner Entwicklerkonferenz vor kurzem eine Anwendung demonstriert, bei der man im Directory eine Person nachschlägt und dann in einem Kartenfenster sehen kann, wo sie sich in Großbritannien aufhält. Technisch ist das ohne weiteres möglich, unterliegt aber selbstverständlich gesetzlichen Einschränkungen.

c't: Ist das nur mit GPRS oder auch mit GSM möglich?

Sorensen: Das geht auch mit GSM. Nur die Automatisierung mittels virtuellem Login setzt GPRS voraus. Was sich möglicherweise auch ändert, ist die Initiierung der Outbound Session über SMS. Daran arbeiten wir noch. Es könnte sein, dass wir auch ohne SMS bereits jetzt eine Chat-Session erzeugen können.

c't: Herr Sorensen, wir danken für das Gespräch. (hps)

[1] Volker Weber, Workflow und Webservices, Highlights der Lotus DevCon 2001, c't 14/01, S. 44 c't (hps)