Ernstfall Service

Wer heute ein Komplettsystem kauft, erwirbt in der Regel zusammen mit dem Rechner auch ein mehr oder minder umfangreiches Servicepaket. Je nach Hersteller enthält dieses entweder einen Vor-Ort-, einen Bring-In- oder aber einen Pick-Up-Service, der im Falle eines (Un-)Falles dafür sorgen soll, dass der PC binnen kürzester Zeit wieder betriebsbereit ist. Doch was ist dieser Service in der Praxis wirklich wert? Wir machten die Probe aufs Exempel und präparierten zehn anonym eingekaufte Rechner namhafter Hersteller mit kleinen Fehlern.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Georg Schnurer
Inhaltsverzeichnis

Beim Erwerb eines neuen Rechners machen sich die wenigsten Kunden Gedanken um den Service nach dem Kauf. Warum auch, schließlich gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Gewährleistungszeit von derzeit sechs Monaten, in der der Verkäufer verpflichtet ist, auftretende Mängel kostenlos zu beseitigen. Darüber hinaus gewähren fast alle Hersteller inzwischen eine über das Vorgeschriebene hinausgehende Garantie von zwölf oder gar 24 Monaten, oft verbunden mit einem so genannten Vor-Ort-Service. Dieser kommt ins Haus, wenn der PC mal streikt, und beseitigt den Fehler sofort.

Also ist ‘Service’ zumindest beim Kauf eines neuen Rechners eigentlich kein Thema? Unsere tägliche Erfahrung an der Hotline der c't-Redaktion spricht da eine andere Sprache: Beinahe täglich erreichen uns Anrufe von verzweifelten Lesern, die oft schon seit Monaten erfolglos versuchen, den Hersteller oder Verkäufer eines Komplettsystems zur Reparatur eines Defekts zu bewegen - und das trotz 24-monatiger Garantie und Vor-Ort-Serviceversprechen. Leben wir also doch in der viel beschworenen ‘Servicewüste Deutschland’ oder ist unsere Hotline nur das Ventil für die ewigen Querulanten, die man auch mit dem kulantesten Service nicht zufrieden stellen kann?

Wir wollten es genau wissen und begaben uns selbst in die Rolle des Servicesuchenden. Dazu schickten wir unser Testkauf-Team los, um aktuelle Komplettsysteme von fünf bekannten Herstellern anonym einzukaufen. Damit sich die Hersteller später bei möglicherweise schlechten Ergebnissen nicht darauf zurückziehen können, dass wir nur bedauerliche Einzelfälle getestet hätten, orderten wir von jedem Anbieter zwei Systeme in der 1999-DM-Klasse. Was die erworbenen Geräte von Fujitsu-Siemens, HP, Medion und Vobis im normalen Büroalltag und bei aktuellen Spielen leisten, darüber berichteten wir ausführlich in [1]. Die beiden von Dell via Internet bestellten PCs (Dimension 4300 und Dimension 8100) stellten wir bereits in [2, 3] vor.

Neben den bereits bei einigen Systemen beim Kauf vorhandenen Fehlern versahen wir die Rechner mit drei zusätzlichen Bugs. Da nahezu alle Hersteller ihren Service auf Hardware-Fehler beschränken, verzichteten wir darauf, Softwarefehler einzubauen. Die Anregungen für die von uns durchgeführten Manipulationen stammen übrigens alle aus der täglichen Hotline-Praxis. Auf exotische Fehlerbilder, die nur mit Spezialkenntnissen zu beseitigen sind, verzichteten wir bewusst.

Servicefreundlich: Die Dimension-PCs von Dell unterstützen den Techniker bei der Fehlersuche und sind leicht zu warten.

Im ersten Testsystem jedes Herstellers konzentrierten wir uns auf offensichtliche Fehler, die eigentlich jeder Hotliner und erst recht jeder gut geschulte Servicetechniker sofort erkennen sollte. Dazu gehörte ein defektes Speichermodul, bei dem wir eine Adressleitung kappten. Je nach Speichertyp fiel das Modul dadurch komplett aus (DDR-SDRAM, Rambus-Speicher) oder seine Kapazität reduzierte sich drastisch (SDRAM-Speicher).

Beide Fehlerbilder sind bei gut konzipierten Systemen offensichtlich, da der Rechner den Ausfall des RAMs entweder per Beep-Code oder sogar per Leuchtdioden-Code signalisieren kann. Aus der Anzahl und dem Rhythmus der Piepstöne oder dem Blink-Rhythmus der LEDs ergibt sich hier eindeutig, bei welchem Teil des internen Systemtests der Rechner stehen geblieben ist.

Zur Not genügt aber in jedem Fall eine einfache Port-80-Karte, über die der Techniker sofort erfährt, welches Fehlerbild hier vorliegt. Um es gleich vorweg zu nehmen: Keiner der bei unseren Testkäufern aufgelaufenen Experten hatte ein entsprechendes Diagnosewerkzeug in seinem Servicekoffer.

Da ein so offensichtlicher Speicherfehler noch keine ausreichende Herausforderung für einen geschulten Servicemann darstellt, manipulierten wir bei den Systemen auch noch den Prozessorlüfter. Soweit die Geräte mit einer Überwachungsfunktion für die Lüfterdrehzahl aufwarteten, beschränkten wir uns darauf, das Tachosignal des Prozessorlüfters unauffällig zu durchtrennen. Das Leben des Prozessors ist in diesem Falle nicht gefährdet. Dennoch gibt ein so manipuliertes System entweder akustisch Alarm oder zeigt zumindest bei jedem Neustart des Rechners auf dem Bildschirm an, dass mit dem CPU-Lüfter etwas nicht in Ordnung ist.

Die schönste Überwachungsfunktion nutzt allerdings nichts, wenn sie bei Auslieferung des Rechners im BIOS abgeschaltet wurde. Abgesehen von Dell war dies bei allen erworbenen Systemen der Fall, ein geradezu fahrlässiger Fehler der jeweiligen Hersteller. Um dem Techniker respektive der Hotline dennoch die richtigen Hinweise liefern zu können, aktivierten wir das so genannte ‘System Health Monitoring’ bei allen Systemen.

Bei den Rechnern, die keine Überwachung der Lüfterdrehzahl ermöglichen, mussten wir den CPU-Lüfter komplett außer Funktion setzen. In der Regel schlug dann nach kurzer Betriebsdauer die Temperaturüberwachung des Rechners Alarm. Bei den von Medion gefertigten Rechnern (HP Pavilion A941 und Microstar) hatte man allerdings komplett auf eine Lüfter- oder Temperaturüberwachung verzichtet - wohl um den PC noch etwas billiger zu machen. Hier sorgte der defekte CPU-Lüfter dann für einen Totalausfall des Prozessors (HP mit Athlon) oder aber für eine mit der Zeit immer langsamer arbeitende CPU (Microstar mit Pentium 4).

Den zweiten Rechner eines jeden Herstellers versahen wir mit einem subtileren Fehler: einem defekten Festplattenkabel. Wir durchtrennten dazu nur die in der Kabelmitte liegende DMARQ-Leitung (Pin 21). Die Festplatte wird so beim Booten noch erkannt, arbeitet aber nur noch im langsamen PIO-Modus. Der für moderne Laufwerke vorgesehene Ultra-DMA-Modus (Ultra-ATA/33, -/66 oder -/100) funktioniert ohne dieses Signal nicht.

Auch dieser Fehler ist durchaus nicht aus der Luft gegriffen, sondern in der Praxis schon aufgetreten, nachdem ein verkehrt herum aufgestecktes IDE-Kabel den Signalpin an einer Festplatte verbogen hatte. Probleme mit dem DMA-Modus, verursacht durch defekte oder zu lange Kabel, gehören nach unseren Erfahrungen zum Alltag bei PC-Komplettsystemen.

Je nach verwendetem Festplattentreiber resultieren aus dieser Manipulation unterschiedliche Fehlerbilder unter Windows. Setzt man die mit vielen Systemen ausgelieferten Intel-Treiber ein, so stürzt Windows beim Systemstart mit einem Bluescreen ab. Dies erfolgt nach sehr langer Wartezeit, während der die Festplatten-Lampe leuchtet. Im abgesicherten Modus funktioniert Windows dagegen tadellos, da hier ja nur der langsame PIO-Modus läuft.

Verwendet man statt des Intel-Treibers einen von Microsoft oder VIA, so startet der Rechner zunächst normal, legt aber eine sehr lange Pause ein, während der ebenfalls die Festplattenlampe leuchtet. Beim nächsten Systemstart scheint der Rechner dann normal zu arbeiten - nur dauern Festplattenzugriffe unerträglich lange. Im Gerätemanager entdeckt man dann unter den Eigenschaften der Festplatte, dass die DMA-Checkbox nicht mehr aktiv ist, die Platte also im langsamen PIO-Mode arbeitet. Knipst man DMA wieder an, so dauert der nächste Windows-Start wieder endlos lange, und das Feld ist anschließend wieder inaktiv.

Damit die Hotline eine Chance hat, diesen Fehler zu finden, haben wir die Fehlerbeschreibung hier entsprechend detailliert mit angegeben. Fast alle Hotliner tippten zunächst auf einen Software-Fehler und rieten uns, das Betriebssystem per Recovery-Funktion wieder neu aufzuspielen. Als der Fehler dann blieb, schickten viele einen Techniker.

Einige bestanden jedoch darauf, dass es sich hier um einen Software-Fehler handelt und dass wir im Falle eines Falles für den Service selbst zahlen müssten. Eine Erklärung darüber, dass wir diese Kosten übernähmen, sollten wir vorab per Fax an das Unternehmen schicken, was wir auch taten. Völlig aus der Rolle fiel dabei die Hotline von Dell: Hier verweigerte man uns den Vor-Ort-Service komplett. Selbst als wir die Bereitschaft signalisierten, gegebenenfalls die Kosten zu übernehmen, wollte man uns keinen Techniker schicken - doch dazu später mehr.

Die Servicetechniker bestellten wir in zwei verschiedene Privatwohnungen, in denen wir in Zusammenarbeit mit einem Fernsehteam des Hessischen Rundfunks Kameras installiert hatten. Das so gefilmte Material bildete die Grundlage für eine Folge der Sendung Com.p@ss [4]. Wer sich auszugsweise selbst ein Bild vom geleisteten Service machen möchte, findet die Videoclips im Real-Video-Format im Internet [5].

Bevor wir allerdings die Servicetechniker in Aktion bewundern konnten, galt es erst einmal, den ‘Servicefall’ auszulösen. Bei vielen Herstellern, darunter Vobis, Medion und HP, muss man dazu erst einmal eine Registrierungskarte ausfüllen und abschicken. Vorher lohnt es sich jedoch, von der Karte und den Garantiebedingungen eine Kopie zu machen, um später nachprüfen zu können, auf welche Leistung man eigentlich Anspruch hat.

Einfach so einen Techniker bestellen kann man bei keinem Anbieter mit Vor-Ort-Service. Um hier unnötige Anfahrten zu vermeiden, aber wohl auch, um eine Hemmschwelle für den Kunden zu errichten, haben alle Hersteller eine Service-Hotline vorgeschaltet. Dieser schildert man zunächst sein Problem und der Hotliner versucht dann im Idealfall, den Fehler gemeinsam mit dem Kunden möglichst weit einzugrenzen. Worauf man hier zu achten hat und wie man sich auf solch einen Anruf am besten vorbereitet, haben wir im Kasten ‘Service bitte!’ zusammengefasst.

Manche Hotline-Mitarbeiter scheinen ihre Aufgabe aber auch darin zu sehen, den Kunden abzuwimmeln und den Vor-Ort-Service um jeden Preis zu vermeiden. Die ersten Wertungspunkte für die Servicequalität eines Herstellers vergaben wir deshalb für dessen Hotline. Waren die Mitarbeiter freundlich und kompetent? Hielten sie Zusagen für Rückrufe und Ähnliches ein? In der Tabelle am Ende dieses Artikels haben wir diese Punkte in c't-Manier mit ‘sehr gut’ bis hin zu ‘sehr schlecht’ bewertet.

Für die Leistung des Technikers, der letztlich den Rechner reparieren soll, gab es ähnliche Kriterien. Ein hervorragender Servicemann ist natürlich pünktlich und zuverlässig, schließlich wartet niemand gern stundenlang. Freundlicher und verbindlicher Umgang mit dem Kunden sollten in einem Dienstleistungsunternehmen selbstverständlich sein. Als wichtigstes Kriterium gilt natürlich die letztlich erbrachte Reparaturleistung. Wurden alle Fehler gefunden und fachgerecht beseitigt oder hat der Experte versucht, sich um die Reparatur herumzumogeln?

[1] Georg Schnurer, Von der Stange, Auf der Suche nach dem optimalen Komplett-PC, c't 22/01, S. 94.

[2] Georg Schnurer, Ungenutztes Potenzial, Dell Dimension 4300 mit 2-GHz-Pentium-4, c't 20/01, S. 82. [3] Georg Schnurer, Gipfelstürmer, Systeme mit Intels Pentium-4-Prozessor, c't 2/01, S. 142.

[4] Informationen zu Com.p@ss: www.compasstv.de und www.heise.de/ct/cttv

[5] Real-Video-Clips des Servicetests (gs)