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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Ole Voß

Großes dräut

Microsoft und ihre visionäre Triebfeder Bill Gates tun nichts ohne Grund, und erst recht nichts, das ihnen nicht nützt. Microsoft und Gates tun oft unverständliche Dinge. Je unverständlicher sie anfangs wirken, desto erfolgreicher sind sie im nachhinein.

Gerade jetzt tut Firma Microsoft etwas unerhört Unverständliches: Sie düpiert ihre Kunden in aller Öffentlichkeit. Das läßt nur den Schluß zu, daß etwas Gigantisches bevorsteht.

VFAT32 ist das Stichwort, und es wirkt eher belanglos. VFAT32 ermöglicht unter Windows 95 logische Laufwerke mit mehr als 2 GByte Größe (s. Seite 196). Technisch ist das kaum der Rede wert, geht das mit NTFS unter NT oder HPFS unter OS/2 doch längst. Spektakulär jedoch ist der Vertrieb. Es gibt weder eine Update- noch eine Vollversion für Windows 95 mit VFAT32 im freien Handel. Es gibt auch keine Updates im Web. VFAT32 ist nur als Teil einer neuen OEM-Version von Windows 95 erhältlich. Das heißt: Ein Windows 95 mit VFAT32 bekommen Sie auf legalem Wege nur durch den Kauf eines neuen PC. Überdies verweigert Microsoft jeglichen Support - das sei allein Sache der OEM-Lizenznehmer.

Die praktischen Auswirkungen dieses Microsoft-Konzepts sind faszinierend. Obwohl Sie nur ein Buch kaufen wollen, müssen Sie es inklusive angeleimtem Regal nehmen. Erwischt man Sie ohne Regal beim Lesen dieses Buches im Park, müssen Sie erst mal beweisen, daß dies keine Hehlerware ist. Und wehe, Sie können kein Regal vorweisen - Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.

Der versierte PC-User, der für Spezialaufgaben wie Videoschnitt dringend größere Partitionen unter Windows 95 braucht, muß also rund zehnmal mehr als für ein normales Windows 95 bezahlen. Und will er nicht gegen die Lizenzbestimmungen verstoßen, muß er es auf dem daran klebenden PC betreiben.

Umgekehrt jedoch bekommen x-beliebige PC-Käufer den technischen Leckerbissen einfach serviert, noch dazu unwissentlich - und die werden ihn darob vermutlich eher hassen: Denn VFAT32 ist zu nichts als sich selbst kompatibel; DOS, NT 4.0 oder OS/2 können nicht mit VFAT32-Platten umgehen. Keine Dokumentation zu VFAT32, keine Warnung vor Inkompatibilität - die Katastrophe beim arglosen User ist programmiert.

Wenn ein nicht visionär erleuchteter Konzern, der pro Quartal Milliarden-Gewinne einfährt, sich weigert, fälschungssichere Pentiums herzustellen, weil das Millionen kosten würde, so kann man das als Arroganz eines Monopolisten gegen seine Kunden abtun. Oder einfach als Witz. Bei Microsoft greift solch simple Erklärung für Absurdität nicht. Hier sind stets Visionen im Spiel.

Steht folglich die untrennbare Einheit aus Hard- und Software unmittelbar bevor? Kommt das Software-Bundle zum PC demnächst nur noch im gekapselten, mit dem PC-Gehäuse verschweißten CD-ROM-Drive daher? Oder will Gates nur herausfinden, wieviel dem Anwender die nächste Windows-Version wert ist? Ich bin nicht sicher, doch weiß ich eins. Wann immer jemand Microsoft einer offensichtlichen Idiotie zeihen wollte, wurde er eines anderen belehrt. Ich bin sehr gespannt.

Detlef Grell (ole)