"Stromsparen bringt nichts fürs Klima"

Die europäische Klimapolitik steht sich selbst auf den Füßen, meint Umweltökonom Grischa Perino. Mitunter haben gut gemeinte Maßnahmen sogar negative Effekte auf das Klima.

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Die europäische Klimapolitik steht sich selbst auf den Füßen, meint Umweltökonom Grischa Perino. Mitunter haben gut gemeinte Maßnahmen sogar negative Effekte auf das Klima.

Grischa Perino ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Ökologische Ökonomie, an der Uni Hamburg.

Technology Review: Wenn ich Ökostrom nutze oder Strom spare, dann tue ich doch etwas Gutes fürs Klima – oder nicht?

Grischa Perino: Die Frage ist: Was macht der Ökostromanbieter mit Ihrem Geld? Wenn er damit tatsächlich in neue Anlagen investiert, kann das lang-fristig einen Effekt haben. Ansonsten reduzieren Sie damit zwar Ihren eigenen CO2-Fußabdruck, aber nicht den von Europa. Und wenn EU oder Bundesregierung etwa Glühbirnen verbieten oder Kohlekraftwerke abschalten wollen, dann verschweigen sie, dass das erst mal keinen direkten Klimaeffekt hat.

TR: Warum nicht?

Perino: Konventionelle Kraftwerke werden dann zwar weniger CO2 ausstoßen. Aber die eingesparten Emissionsrechte können sie sich für die Zukunft aufheben, an andere fossile Kraftwerke oder Aluminiumwerke verkaufen. Solange am Ende alle Zertifikate benutzt werden, ändert sich erst mal nichts direkt an den Emissionen. Im Gegenteil, das könnte sogar nach hinten losgehen.
Inwiefern?

Es gibt empirische Studien, die sich anschauen, was passiert, wenn sich Menschen etwa effizientere Geräte zulegen. Wenn sie dadurch Geld sparen, werden sie das früher oder später ja wohl ausgeben. Und wann immer man Geld ausgibt, ist es derzeit sehr schwer, das auf eine Art und Weise zu tun, die keine Emissionen verursacht. Denn was Sie auch kaufen, muss ja hergestellt werden. Damit sind in der Regel Emissionen verbunden. Fallen sie außerhalb des Emissionshandelssystems an, dann erhöhen sich durch das Stromsparen die Gesamtemissionen.

TR: Was kann der einzelne Bürger denn für das Klima tun?

Perino: Den Konsum in Gebieten reduzieren, die nicht dem Emissionshandel unterliegen – zum Beispiel bei Lebensmitteln, insbesondere Fleisch. Den Benzinverbrauch senken. Wenn Sie eine Gasheizung haben: weniger heizen und besser isolieren. Oder sich politisch engagieren, um die Politik zu bewegen, die Klimaziele zu verschärfen.

TR: Wenn der Emissionshandel so wenig bringt – wäre es dann nicht konsequent, ihn ganz abzuschaffen?

Perino: Was wäre denn die Alternative? Der Emissionshandel ist gut darin, politisch vorgegebene Ziele zu erreichen. Die große Frage ist, ob die Zielvorgaben die richtigen sind. Wenn sie strenger wären, wäre auch der Preis für Emissionen höher.

TR: Trauen Sie der Politik zu, den Emissionshandel zu retten?

Perino: Die EU hat ihn gerade reformiert. Dabei hat sie erstens beschlossen, die jährlich ausgegebene Menge schneller zu senken. Das macht Sinn. Einen zweiten Punkt sehe ich sehr viel kritischer: Die sogenannte Marktstabilitätsreserve. Sie soll überschüssige Zertifikate auf die Seite legen, um sie später, wenn der Überschuss unter einen bestimmten Wert fällt, wieder auszugeben. Sie verlagert also einfach nur die Ausgabe von neuen Zertifikaten in die Zukunft. Solange es aber nicht zu einer echten Reduktion kommt, hat das für den Klimawandel praktisch keine Bedeutung.

TR: Wäre eine Emissionssteuer sinnvoller?

Perino: Dafür bräuchte man auf EU-Ebene aber ein einstimmiges Votum. Das wird man kaum kriegen. Und selbst wenn – würde die EU es tatsächlich schaffen, eine Emissionssteuer von 30 Euro die Tonne einzuführen, was mal politisches Ziel war? Das ist im Moment vollkommen utopisch. (grh)