Alles Ohne Liebe

'Jetzt testen!, 10 Stunden gratis, Zugang auch per ISDN, Gratis! Internet' - so zu lesen auf dem Faltblättchen zu der in c't 12/96 eingeklebten AOL-CD. Au fein, bin ich doch frischgebackener ISDN-Nutzer mit digitalem Modem, das nach Arbeit sucht - also nichts wie ran.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Andreas Stiller

Die Aussagekraft des 'Flyers' zur Installation liegt auf Nullniveau ä nun, auf der CD ist ja ein 'Liesmich'. Doch hier steht lediglich was von einer Multimedia-Show - ich will mich allerdings nicht berieseln lassen, sondern einen Testzugang. Immerhin findet man ebendort aufgeführt, daß man für ISDN-Betrieb die Software Aolisdn.exe installieren muß. Die befindet sich im Ordner ISDN - wo sich noch ein Liesmich zum Thema ISDN tummelt, demzufolge man bei externen ISDN-Modems eben kein Aolisdn.exe installieren müsse - 'man brauche nichts weiter zu tun, als einfach AOL zu installieren'.

Von wegen! Schon die Installation ist hanebüchen. Zugegeben, meine C:-Partition ist schon gut gefüllt, hat nur noch ein paar MByte Platz, aber auf H: sind ja noch 128 MByte frei - das müßte doch wohl reichen. Der AOL-Installer meint das auch und schlägt H: für die Installation vor - um dann nach geraumer Zeit mit 'Zu wenig Speicherplatz' abzubrechen. Doch nicht H: ist voll, sondern C:, oh Wunder, wo doch auch das Temp-Verzeichnis längst auf H: umgestellt ist. Also C: etwas aufgeräumt: nun 5 MByte frei: Abbruch ä 7 MByte: Abbruch. Schließlich, nach etlichen Flüchen über die hochinformativen Installermeldungen und mit 14 MByte freiem C:-Platz, klappt's. Wer das vorgeschlagene Multimedia-Spektakel genießen möchte, muß sogar noch gut 5 MByte mehr für QuickTime einplanen.

Endlich am Ziel? - aber nein! Mein ISDN-Modem (TKR FastLink, baugleich mit Elsa MicroLink Pro) wird nicht automatisch erkannt, aber immerhin steht es, heureka, in der Modem-Auswahlliste. Es wählt auch brav - aber was ich auch mache - ein Connect kommt nicht zustande. Insider merken schon, mit ISDN kenne ich mich noch nicht so aus. Nach diversen Versuchen rufe ich (Sonntag abend viertel vor elf!) die AOL-Hotline an. Dort ist man freundlich und hilfsbereit, gibt mir ein paar Modem-Initialisierungsstrings durch (offenbar die der analogen Microlinks), zum Erfolg führen sie indes nicht. Immerhin erzählt der Hotliner etwas von V110 und 19 200 Bit/s. Wat dat? - frage ich mich als ISDN-Neuling, ich dachte bislang, ISDN arbeitete mit 64 KBit/s; frage mich außerdem, warum nix dazu in den Liesmichs steht - und gebe erstmal auf.

Nächsten Tag klärt mich Kollege Du san über das 'völlig antiquierte und unzumutbare' V110 auf und murmelt etwas von 'Schrittgeschwindigkeit'. Man muß dann nur ATG hier und ATB da bei der Modeminitialisierung eingeben - und tatsächlich ä AOL meldet sich, wenn auch im Schneckentempo von 19 200 Bit/s, deutlich langsamer als analog (bei 28 800 Bit/s plus Komprimierung).

Ich wollte ja erstmal nur gratis schnuppern, und hab mich demzufolge als 'Gast' und nicht als 'Neu-User' angemeldet - da empfängt mich ein neudeutsches Eröffnungsmenü, weiter komme ich nicht. Zur Anmeldung steht im Flyer und im Liesmich natürlich nichts. So versuche ich's mal als Neu-User: AOL will dann einen Namen und ein Paßwort. Irgendwas stand auf der Rückseite der CD-Verpackung - etwa da, wo der Klebstoff draufgekleistert ist. Statt Name steht dort zwar eine Registriernummer - aber oh Wunder, damit klappt's. Doch nun die nächste Überraschung - AOL will meine Kreditkartennummer oder Bankverbindung, sonst kein Zugang. Verstehen die das unter zehn Stunden gratis?

Wie man hört, wird bei dieser Angabe viel geschummelt. Der eine gibt die Bankverbindung irgendeiner Zeitschrift an, ein anderer gar die Stadtkasse Hannover - und alle hätten damit schon seit Monaten kostenlos Zugang. Aber ich bin ja ehrlich und gebe meine Bankverbindung korrekt an: Stadtsparkasse Hannover - aber die akzeptiert wiederum das Formular nicht. Mag AOL Hannover nicht, oder was? Läßt man Hannover weg - voilý, die Stadtsparkasse allein wird anstandslos entgegengenommen.

Nach ein paar weiteren Formalitäten bin ich nun endlich im AOL-Wunderland - und will gleich wieder weg ins Internet, sehe einen bekannten Namen: Netscape, will es downloaden und werde leichenblaß: 260 Minuten Download-Zeit werden veranschlagt. Da wären die zehn Stunden Gratiszeit aber schnell verbraucht (später lerne ich, daß weder die im Datei-übertragungsfenster angegebene Übertragungszeit noch die bei der Software angegebenen (viel kürzeren) Zeiten irgendetwas mit der Realität zu tun haben).

Gefrustet gebe ich 'endgültig' auf. Zwei Wochen später versuch ich's doch noch mal, lade statt Netscape den AOL-Internet-Browser (der wird nicht berechnet, soll HTML 3.0 kompatibel sein und kennt weder Java noch Javascript), was in etwa zwanzig Minuten getan ist. Zumindest den hätten AOL ruhig mit auf die CD spielen können, wo ja noch gut 600 MByte Platz sind. Odyssee zu Ende? Aber nein. Kaum bin ich endlich im Internet, da haucht mir die Soundkarte ein 'bis bald' entgegen - und der AOL-Kontakt ist wie von Geisterhand abgebrochen. Das passiert mir hinfort öfter, entweder der Service bricht ab oder der AOL-Kontakt bleibt bestehen, aber der Internetzugang funktioniert nicht mehr.

Ein Blick in unsere Mailbox (ct.ger) zeigt, daß auch etliche Leser über Verbindungsabbrüche klagen. In Amerika haben sich einige Leute gar so über Einwahlprobleme aufgeregt, daß sie AOL mal eben auf 20 Millionen Dollar Schadenersatz verklagt haben.

Etliche andere Leser monieren, daß trotz rechtzeitiger Kündigung AOL Geld von ihrem Konto abgebucht hätte und sich stur stelle. Ich wollte mich überraschen lassen und nach genau einem Monat wieder kündigen (schließlich hab ich noch etliche 10-Stunden-CDs hier herumliegen) - doch AOL nimmt die 30-Tage-Probezeit offenbar unkaufmännisch genau - und der Dezember hat nun mal 31 Tage ... (as) (as)