König Kommerz

Noch 1994 hätte sich jemand mit der Behauptung, die Zukunft der Kommunikationstechnik läge im Internet, als weltfremder Technikfreak disqualifiziert.

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Lesezeit: 23 Min.
Von
  • Ralf Hüskes
  • Dusan Zivadinovic
  • Axel Kossel
Inhaltsverzeichnis

Das Internet befindet sich im Übergang vom technischen Modethema zur Basistechnik der neuen Informationsgesellschaft. Kaum ein Milliarden-Gewicht aus dem Telekommunikations- oder Softwaremarkt, das nicht ins Internet drängt. Ob IBM, AT&T, die Deutsche Telekom oder Microsoft - alle wollen ihren Obolus verdienen.

Firmen wie Novell und Lotus krempeln ihre seit langem erfolgreichen Softwarearchitekturen um und setzen künftig aufs Internet. Die Online-Dienste brechen ihre proprietären Zelte ab und wollen ihr Geld künftig unter der Sonne des gemeinsamen Netzes verdienen. Und schließlich gibt es Tausende von Newcomern, die ihre eigene kleine Nische im Netz suchen.

Doch die realen Umsätze im Netz lassen (noch) zu wünschen übrig. Die Preise auf dem Softwaremarkt sind mittlerweile derart ruiniert, daß selbst Microsoft einen Großteil seiner Internet-basierten Software nach dem Shareware-Konzept vertreibt - ohne es freilich so zu nennen. Der Markt für die teure Server-Software wackelt gleichermaßen. Microsoft verdient an den Betriebssystemen und kann es sich leisten, den hauseigenen Web-Server zu verschenken. Netscape lebt zwar vom Verkauf der Server-Systeme, bietet für interessierte Anwender aber zumindest kostenlose Testversionen an. Dennoch haben die beiden zusammen mit ihren Web-Servern einen geringeren Marktanteil als die kostenlosen Systeme aus dem Umfeld der Universitäten.

Im Markt der Internet-Provider sieht es nicht viel besser aus. Mit Dumpingpreisen von bis hinunter zu zehn Mark im Monat kämpfen diese um die Gunst von Neueinsteigern. Daß derartige Preise kaum kostendeckend sein können, beweist ein Blick in die Bilanzen von CompuServe und AOL: Trotz rasant wachsender Teilnehmerzahlen (erkauft mit Dumping-Angeboten in den USA und teuren Werbeaktionen hierzulande) weisen beide derzeit massive Verluste vor.

Last, but not least sieht es auch im Content-Bereich, also bei den WWW-Inhalten, nicht viel besser mit den Umsätzen aus. Die meisten Verlage pflastern ihre Anzeigenplätze im Internet mit Eigenanzeigen, damit sie nicht ganz so leer aussehen. Und selbst bei voller Auslastung, das hat so mancher Controller errechnet, würden die meisten Angebote die Kosten kaum decken. Zu gering ist die Zahl der Leser und zu groß ist die `Werbekonkurrenz´ der anderen Medien, als daß sich mit Online-Werbung abkassieren ließe.

Endet das Internet 1997 demnach als konkursreifes Versuchsprojekt? Mit Sicherheit nicht. Nach anfänglichem Zögern setzt sich mittlerweile selbst in konservativen Unternehmen die Einsicht durch, daß am Internet als weltweite Kommunikationsplattform kein Weg vorbeiführt. Daß man, wenn die Software erst einmal soweit ist, durch den Umstieg auf Intranet-Technik eventuell sogar viel Geld sparen kann.

IBM, nach wie vor mit Abstand der größte Fisch im EDV-Teich, wirft mittlerweile sein gesamtes Gewicht in die Waagschale Intranet. Während der Gigant auf der Server-Seite noch einigermaßen erfolgreich mitschwimmt, geht ihm auf der Client-Seite mit OS/2 Warp allmählich die Luft aus. Windows 95 ist für IBM aber auf Dauer keine brauchbare Alternative, dient es Microsoft doch als Türöffner, um mit dem eigenen Server hausieren zu gehen.

Als eleganter Ausweg aus der drohenden Microsoft-Abhängigkeit drängen sich Internet-basierende Netz-PCs und Java als Entwicklungsplattform förmlich auf. Wie ernst es IBM damit ist, zeigt das große Engagement auf diesem Bereich: Programmierer aus aller Welt, in virtuellen Arbeitsgruppen organisiert, sollen rund um die Uhr an Java-Komponenten entwickeln.

So arbeitet IBM beispielsweise unter dem Codenamen `San Fransisco´ an einem Business-Framework für verteilte Java-Anwendungen. Die Tochterfirma Lotus wurde ebenfalls auf die Java-Linie eingeschworen. Noch Mitte dieses Jahres, so diktierte es IBM-Stratege John Thomson in die To-do-Liste von Lotus, müssen die ersten Java-Clients fertig sein.

Daß IBM und Lotus mit Internet nicht zwangsläufig das World Wide Web und HTML meinen, stellte der Lotus-Chef Jeff Papows unmißverständlich klar: HTML sei viel zu starr für den Aufbau interaktiver Geschäftsanwendungen, so Papow auf einer Entwicklerkonferenz in Orlando, Florida, Anfang des Jahres.

Lotus setzt daher ebenfalls auf Java als Programmiersprache und das Internet InterORB Protocol (IIOP) als Standard für die Datenübertragung via Internet. IIOP ist ein Standard für die Kommunikation verteilter Objekte. Es basiert auf der Common Object Request Broker Architecture (CORBA) der OMG. Während sich CORBA im Enterprise-Markt mehr und mehr Gehör verschafft, ignoriert der Massenmarkt den Standard bislang noch weitgehend. Mit dem Internet und IIOP könnte er jedoch zu einer unerwarteten Blüte kommen.

Auch Netscape hat die Unterstützung von IIOP angekündigt und möchte das Protokoll in die Internet-Architektur Netscape ONE, auf welcher der Navigator und die SuiteSpot-Server-Familie basieren, aufnehmen. Der auf CORBA spezialisierte Hersteller Iona bietet mit OrbixWeb bereits ein komplettes Framework zur Entwicklung von Softwarelösungen auf der Grundlage von IIOP an. Außerdem hat er eine eigene Firewall-Lösung im Programm, über die sich IIOP-basierte Datenströme abgesichert in ein Unternehmen leiten lassen.

So manchem innovativen Newcomer werden große Chancen im Internet-Markt eingeräumt. Einer davon ist die Firma Marimba. Ihr ist es binnen weniger Monate gelungen, die gebannten Blicke der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen und gleichzeitig mit einer ganzen Reihe Key-Playern im Internet-Markt ins Geschäft zu kommen, darunter die Groupware-Kontrahenten Netscape und Lotus.

Die Idee ihrer Technik mit dem klangvollen Namen Castanet ist dabei bestechend einfach. Sie basiert auf einem Internet-Server, auch Transmitter genannt, der verschiedene Kanäle mit Informationen via Internet `ausstrahlt´. Wer die Informationen empfangen möchte, kann sich einen Empfänger (Tuner) installieren und die gewünschten Kanäle abonnieren. Sobald ein Kanal neue Informationen anbietet, werden diese über das Internet geladen und stehen dann direkt auf dem Client zur Verfügung.

Welche Informationen via Castanet übertragen werden, ist dabei unerheblich. Die Firma Bulletproof beispielsweise verwendet Castanet zur Übertragung von Börsendaten. Das Online-Magazin HotWired hat einen Chat-Client auf der Basis von Castanet entwickelt, und das in Amerika ansässige `National Center for Missing and Exploited Children´ hat mit Castanet ein System aufgebaut, das die Polizei und andere besorgte Amerikaner über den Stand von vermißten Kindern auf dem laufenden hält.

Die größte Anwendung von Castanet dürfte jedoch der Softwaremarkt selbst sein. Denn Castanet kann nicht nur Informationen, sondern auch Programme transportieren und auf dem Client-Rechner installieren. So lassen sich Updates automatisieren.

Netscape möchte die Castanet-Technik in den Java-Desktop Constellation (s. S. 216) integrieren, der Mitte dieses Jahres auf den Markt kommen soll. Microsoft plant eine Einbindung in ActiveX, und Lotus hat zu Beginn dieses Jahres angekündigt, die Castanet-Technik zur automatischen Administration von Notes-Clients einzusetzen.

Die Firmen werden die neuen Internet-Techniken zunächst hauptsächlich in ihren lokalen Netzen nutzen (Intranet). Internet-fähige Workflow-Lösungen sollen nach einer Studie der Gartner Group bis 1998 von ihrem Nutzen her sehr beschränkt sein, da sie auf unausgereiften Standards basieren. Wenn diese Standards aber geschaffen sind, werden Firmen innerhalb des öffentlichen Internet virtuelle private Netze aufbauen (Extranet) und darüber sicher miteinander kommunizieren. Nach Meinung der Gartner Group werden dann 60 Prozent aller großen Firmen ein Extranet betreiben.

Die vielfältigen Interessensgruppen, die alle an der Zukunft des Internet mitbasteln, machen es schwierig, neue Standards zum Erfolg zu führen. Ein Beispiel hierfür ist das vergebliche Ringen um ein einheitliches HTML (s. S. 136). In anderen Fällen sind es technische Unzulänglichkeiten, aufgrund derer neue Techniken die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen können. Dies gilt unter anderem für VRML, Telefonie und Video-Konferenzen.

Die Server-Betreiber haben schon genug Schwierigkeiten, den übersättigten Web-Surfer auf ihre Seiten zu locken. Wer möchte da schon die Reichweite seines Angebots noch zusätzlich einschränken, indem er es um VRML erweitert? Denn die allermeisten Anwender haben die passende Software dafür nicht installiert. Zudem sind die Ladezeiten der VRML-Welten enorm. Und das breite Publikum ist nicht bereit, wertvolle Online-Zeit mit dem Download virtueller Messen und Galerien verstreichen zu lassen.

Als ähnlich gering erweist sich die Akzeptanz von Internet-Telefonie. Während vor einem Jahr die Möglichkeit, Ferngespräche über das Internet zu einem Bruchteil der normalen Kosten abzuwickeln, noch als Revolution gefeiert wurde, ist es heuer sehr ruhig darum geworden.

Exemplarisch hierfür ist der Meinungsumschwung von Jim Clark, Mitbegründer der Firma Netscape. Er prophezeite Anfang letzten Jahres, Internet-Telefonie bedeute das Ende des klassischen Telefons. Mittlerweile hört man von ihm leisere Töne: `Die Internet-Telefonie ist nicht mehr als eine romantische Idee. Die Sprachübertragung in Echtzeit über das Internet ist derzeit nicht realistisch.´ Er rechne mit einem Zeitraum von vier bis fünf Jahren bis zu einer tatsächlichen Marktreife von Intra- und Internet-Lösungen.

Auch im Bereich Video-Konferenzen ist der Groschen noch nicht gefallen. Mittlerweile gibt es zwar Lösungen, die selbst über schlechte Internet-Verbindungen ein oder zwei Einzelbilder pro Sekunde übertragen, doch das Interesse daran scheint nicht sonderlich groß zu sein. Lediglich im halbseidenen Gewerbe erfreuen sich die diversen Video-Konferenz-Programme großer Beliebtheit: Regen Zulauf finden Angebote, bei denen sich junge Damen für das Internet live entkleiden - freilich erst nach Angabe einer Kreditkartennummer.

Weniger Aufsehen erregen die Internet-Angebote der klassichen Medienunternehmen. Sie sind zwar teilweise sehr attraktiv gestaltet, doch meist reichen die Einnahmen nicht aus, um die Kosten zu decken. Die meisten Online-Zeitschriften fahren derzeit herbe Verluste ein, zu teuer ist die Produktion von redaktionellen Inhalten, und zu gering sind die Werbeeinnahmen. Selbst der Suchdienst Yahoo, der ebenfalls eine große Redaktion unterhält, schrieb lange Zeit rote Zahlen. Erst im letzten Quartal meldete er Gewinn: gerade mal 96 000 US-Dollar, bei einem Umsatz von 8,55 Millionen.

Nicht viel anders sieht es bei den Abo-Angeboten aus, die der Leser bezahlen muß. Die meisten Angebote bringen es erst gar nicht auf eine halbwegs interessante Leserzahl. Einige wenige kommen zwar auf eine erkleckliche Zahl von Lesern, doch für Gewinne reicht es dennoch nicht. So agiert auch die Online-Ausgabe des Wall Street Journal mit ihren 70 000 Abonnenten noch weit in der Verlustzone.

Einer der wenigen Anbieter, die Gewinne mit ihrem Online-Angebot einfahren, ist der Fernsehsender CNN, und das bei immerhin 120 Mitarbeitern. Der größte Teil der Einnahmen entfällt jedoch nicht auf das Geschäft mit den Anzeigen, sondern auf Lizenzverträge, beispielsweise mit dem Pager-Service PageNet.

Die meisten Verleger stehen ihrem Online-Aktivitäten dennoch positiv gegenüber. Sie verbuchen die Verluste als Investition in die Zukunft. Darüber, daß die Werbeeinnahmen im Internet steigen werden, sind sich die Marktbeobachter einig. Die in San Francisco ansässige Investment-Bank Hambrecht & Quist beispielsweise geht davon aus, daß im Jahr 2000 rund 3,8 Milliarden US-Dollar mit Online-Anzeigen verdient werden. 1996 waren es gerade mal 300 Millionen.

Ganz ähnlich sieht es derzeit im Bereich Online-Shopping aus. Die Einnahmen bewegen sich meist noch auf bescheidenem Niveau, wohingegen große Ausgaben für Werbung notwendig sind, um genügend Interessenten in die eigenen Shops zu locken. Doch die Gartner Group sagt voraus, daß im Jahr 2000 immerhin 60 Prozent der globalen Firmen elektronische Märkte für kommerzielle Transaktionen nutzen werden.

Derzeit geben sich die potentiellen Kunden noch sehr zurückhaltend und verlassen die virtuellen Geschäfte in der Regel, ohne etwas gekauft zu haben. Häufig sind es weniger als ein Prozent der Besucher, die tatsächlich bestellen.

Dies mag allerdings am Fehlen sicherer Bezahlungsmöglichkeiten liegen. In den USA machen die Online-Verkäufer bereits bessere Geschäfte als ihre deutschen Kollegen. Dort benutzen die Standard-Browser von Microsoft und Netscape aber auch sichere Verschlüsselungsverfahren. Diese dürfen jedoch nur in selten genehmigten Ausnahmefällen exportiert werden, so daß hierzulande nur bedingt sichere Verfahren zur Verfügung stehen. Obwohl kaum jemand einen Großrechner stundenlang damit beschäftigen wird, eine einzige Kreditkartennummer zu entschlüsseln, hat sich in den Köpfen der deutschen Internet-Teilnehmer festgesetzt, daß man diese Informationen keinesfalls preisgeben darf.

Abhilfe kann nur ein allgemein akzeptierter Standard zur Bezahlung im Internet bringen, der allerdings auch in Sicht ist. Bis vor einem Jahr hatten IBM, Netscape, Microsoft, Visa und Mastercard noch verschiedene Ansätze verfolgt. Doch die Banken, die das Geld und damit auch die Macht besitzen, bestanden auf einem einzigen Standard. So raufte man sich schließlich zusammen und verkündete am 1. Februar vergangenen Jahres, daß es eine gemeinsame Entwicklung namens SET (Secure Electronic Transaction) geben werde. Bis zum Jahresende soll SET Einzug in die Browser und Server der Marktführer halten.

Versandhäuser wie Otto verbuchen bereits heute erhebliche Bestellungen aus dem Online-Bereich (420 Millionen Mark im laufenden Geschäftsjahr). Doch die gehen weniger auf Web-Surfer zurück, die sich in die virtuellen Niederlassungen verirrt haben, als vielmehr auf Katalogkunden, die ihre klassischen Bestellungen online absetzen.

Daß sich der Handel dennoch Hoffnungen macht, zeigen die massiven Investitionen im Online-Bereich. So möchte Karstadt in den nächsten Jahren rund 65 Millionen Mark in den Bereich Online-Shopping investieren. Teilweise wirken die Bemühungen der Multis jedoch etwas unbeholfen. So versucht Otto beispielsweise im Internet sein Glück ausgerechnet mit Damenmoden. Nicht nur, daß es in Deutschland laut W3B-Untersuchung gerade mal 9 Prozent Frauen im Internet gibt. Die amerikanische GVU-Befragung attestiert zudem bereits über einen Zeitraum von mehreren Jahren ein geringes Interesse der Online-Gemeinde an Shopping-Angeboten für Mode.

Ziellos stochert auch manch Werbetreibender auf der Suche nach der richtigen Zielgruppe im Netz herum. Langnese beispielsweise duzt seine vermeintlich jungen Besucher, serviert ihnen lockere Sprüche und berichtet von der Bravo-Supershow. Wenngleich die deutschen Internet-Teilnehmer mit einem Durchschnittsalter von 29 Jahren recht jung sind, scheinen die Werber übersehen zu haben, daß der Anteil der Teenager gerade mal bei 7 Prozent liegt (laut W3B).

Im Gegensatz hierzu könnte das Konzept des Windel-Produzenten Pampers aufgehen. Seine Zielgruppe entspricht dem Altersdurchschnitt im Internet. Anstelle flotter Sprüche liefert er sachliche Informationen, etwa über die verschiedenen Entwicklungsstufen von Kleinkindern. Diese kommen, wie diverse Umfragen ergeben haben, bei den Internet-Teilnehmern weitaus besser an als lockere Sprüche und bunte Bilder.

Wie sich das Internet-Engagement der werbetreibenden Industrie in Zukunft entwickelt, ist noch nicht abzusehen. Derzeit zumindest läßt sich ein reges Interesse von Agenturen beobachten. Die Kosten für die Werbung im Internet liegen derweil in der Regel jedoch noch weit über dem Nutzen, sieht man von Angeboten der Computerbranche einmal ab.

Doch die Zunft der Internet-Provider ist auf branchenfremde Firmen angewiesen, die ihre Reklame-Server bei ihr unterstellen und von ihr warten lassen. Denn die Zukunft dieses noch recht neuen Gewerbes sieht nicht unbedingt rosig aus: Selbst wenn man nur die großen, von Milliardenkonzernen getragenen Unternehmen betrachtet, herrscht bereits Enge im Markt. Hinzu kommen allein in Deutschland Hunderte von Mittelständlern und Kleinunternehmen, die um ihren Standort kämpfen. Wer in diesem Markt die nächsten Jahre überleben will, braucht nicht nur Durchhaltevermögen und eine gesunde Kapitaldecke, sondern auch ein gutes Konzept.

Für die Kunden bringt der Kampf im Provider-Markt zunächst einmal günstige Preise mit sich. In den letzten beiden Jahren hat wohl so ziemlich jeder Provider in Deutschland seine Preise gesenkt - und das nicht zu knapp. Gleichzeitig spricht sich jedoch mehr und mehr herum, daß man für ein Low-cost-Angebot nicht unbeding High-end-Qualität erwarten kann. Viele der Dumping-Angebote weisen technische Einschränkungen auf. Die Einwahlknoten sind teilweise belegt und die Leitungen überlastet.

Ein Beispiel hierfür ist Metronet, ein Ableger des Metro-Konzerns. Eine Werbeflut, die dem Teilnehmer schon beim Eintritt ins Netz entgegenschlägt, soll diesen Zugang trotz lächerlicher 10-DM-Monatspauschale finanzieren. Doch die Geldquelle sprudelt nur verhalten und reicht nur für einen Internet-Zugang von geringer Qualität.

Mag das ein Privatkunde mit einem grimmigen Gefühl noch in Kauf nehmen, so ist das für den professionellen Nutzer schlicht untragbar. Und so dürften in Zukunft auch jene Internet-Anbieter eine Chance haben, die zwar etwas teurer sind, aber eine höhere Verfügbarkeit bieten. Die Folge wäre eine Aufteilung des Marktes in zwei Bereiche: Low-end-Preisbrecher und High-end-Angebote in der mittleren Preiskategorie.

Doch das Internet ist auf eine Infrastruktur angewiesen, für die alle Teilnehmer gemeinsam bezahlen. Knapp kalkulierte Dumping-Angebote werfen zu wenig Gewinn ab, um damit teure schnelle Leitungen unterhalten zu können. Wenn das Internet aber nicht ständig weiter ausgebaut wird, droht es zu verstopfen. Durch lahme Leitungen verlängerte Online-Zeiten machen auch Billig-Zugänge zum teuren (Miß-)Vergnügen.

Wenn jedoch die Privatkunden wegbleiben, führt dies zu leeren Kassen in den Online-Shops. Dann droht dem Internet letztlich doch die Pleite. Was danach übrig bleibt, ist ein Backbone für weltweit operierende Firmen - und die Wissenschaftler. Die hatten das Netz einst aufgebaut und können es heute angesichts der Verstopfung durch multimediale Unterhaltung kaum noch nutzen.

So nimmt der Anteil der Stundenten im Internet ständig ab. Während es Ende 1995 noch 48 Prozent waren, sank er bis Ende 1996 auf gerade einmal 30 Prozent. In den USA haben sich kürzlich diverse Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammengetan, um ein neues Wissenschaftsnetz aufzubauen - parallel zum Internet. Es basiert auf modernster Technik (622 MBit/s Übertragungsrate) und ist für Privatleute und die Industrie nicht zugänglich.

Doch auch das gute alte Internet könnte bald einen Leistungsschub bekommen. Kaum hat der ISDN-Zug in Deutschland an Fahrt gewonnen, da droht er schon überholt zu werden: Kabel- und DSL-Modems (Digital Subscriber Line) in einer Fülle von Varianten befinden sich entweder noch in der Entwicklung oder sind schon im Einsatz. Und sie warten mit Übertragungsbandbreiten von bis zu 30 MBit/s auf; die Technik für noch höhere Geschwindigkeiten reift in den Laboren bereits heran.

Als Übetragungsmedium nutzen diese DFÜ-Raketen die Kabel-TV-Netze, an denen bereits Millionen Haushalte angeschlossen sind. Set-top-Boxen, eine Kombination aus Kabel-Tuner und -Modem zum Anschluß an den Fernseher, würden dem Internet ein völlig neues Publikum bescheren: computerlose Couch-Potatoes, die mit der Fernbedienung durchs Internet zappen. Bertelsmann hat seine Mediabox mit Internet-Zugang via AOL längst vorgestellt, Sony und Philips entwickeln gemeinsam an WebTV.

Derzeit mangelt es den Set-top-Boxen ebenso wie den Kabel-Modems für PCs an Standards - sowohl hinsichtlich der Modulationsverfahren als auch was die Anschlußtechnik zum Endanwender und zum Glasfasernetz angeht. Daher dürfte es noch eine Weile dauern, bis diese Technik wirklich breite Anwendung in den Haushalten findet. Heute surfen jedenfalls nur vereinzelte Internet-Anwender mittels Kabel-Modems. Derlei Mini-Feldversuche laufen zum Beispiel im Zusammenspiel von Studentenwohnheimen mit Universtitäten.

Die Deutsche Telekom betrachtet die Entwicklung der Kabel-Modems argwöhnisch, da der Noch-Monopolist bereits in Konkurrenz zu privaten Kabel-TV-Anbietern steht. Daher favorisiert die Telekom ADSL-Modems, die über die herkömmlichen Telefonleitungen arbeiten. Sie sind nicht mit herkömmlichen Modems zu verwechseln, da sie bauartbedingt nicht mehr als vier bis fünf Kilometer überbrücken. Doch am anderen Ende der Leitung - in der Telekom-Vermittlung - steht das Gegenstück. Von dort bis zum Hausanschluß lassen sich je nach Technologie 5 bis 10 MBit/s übertragen; in der Gegenrichtung reicht es meist nur für ISDN-Geschwindigkeiten.

Und schießlich kann man das Internet auch per Satellitenfunk anzapfen. Derzeit gibt es weltweit zwei Firmen, die diesen Service anbieten http://www.direcpc.com sowie http://www.skystation.com. Dabei erhält der Empfänger die Daten von einem speziellen Receiver, der eine herkömmliche Satellitenschüssel nutzt (Downlink). Vom Receiver wandern die Daten zu einer Steckkarte (ein Standard fehlt noch), welche ihrerseits den IP-Stack des Rechners füttert.

Der `Uplink´ ist nach wie vor drahtgebunden, das heißt, die Eingaben des Anwenders laufen über ein Modem oder eine ISDN-Karte zu einem Internet-Provider, der eine Verbindung zum Backbone-Betreiber besitzt und diesem die Daten schicken kann. Solche Provider sind in Deutschland noch sehr rar. Derzeit wird dieser Service vorwiegend Großkunden angeboten, in erster Linie den Internet-Providern selbst.

Die klassischen Online-Dienste basierten bislang auf einer eigenen Infrastruktur aus Einwahlpunkten und einem Leitungsnetz mit Übergängen in die USA. Nachdem MSN es vorgemacht hatte und seine Infrastruktur auf die Netze von EuNet und T-Internet umstellte, nutzen nun auch CompuServe und AOL das von allen Teilnehmern finanzierte Internet: Die neuen Versionen ihrer Zugangssoftware können über die Winsock.DLL und eine bestehende Internet-Verbindung auf die Dienste zugreifen. Damit belasten nunmehr auch die bunten Bildchen aus CompuServe und AOL das deutsche Internet.

Während die Online-Dienste bislang noch angenehm werbefrei waren, will sich CompuServe nun mit Bandenwerbung aus der Finanzkrise retten. Bei T-Online steht dem bislang auf dem CEPT- und KIT-Standard basierenden Kernbereich des Online-Dienstes noch in der ersten Jahreshälfte eine `weiche Migration´ in Richtung Internet-Technologie (HTML) bevor. Der neue, auf dem Netscape Navigator basierende Decoder dürfte die `alten´ Standards durch Plug-ins weiterhin unterstützen und nutzt als Übertragungsprotokoll dann den PPP-Standard statt des bisherigen Btx-Tunneling.

MSN bleibt durch den massiven Einsatz von ActiveX-Controls auch weiterhin Windows-zentriert, bringt aber zumindest in Sachen User-Interface den WWW-Bereich in Bewegnung. Es bietet dem Anwender verschiedene Kanäle an, über die er nonstop mit Ton, Text und Videos versorgt wird. Er ist dadurch in der Lage, das Internet ähnlich wie das Fernehen passiv zu konsumieren.

Zieht man Anfang 1997 Bilanz zum Thema Internet, so muß man attestieren: Das Netz der Netze hat den Durchbruch geschafft. Eine ganze Reihe großer Konzerne investiert Unsummen, sei es wie im Falle von IBM in die Technik oder von CNN in den Inhalt. Die derzeitigen Umsätze rund um das Internet sind zwar noch gering, doch das könnte sich bald ändern. Was jedoch nicht heißt, daß jeder, der auf das große Geschäft mit dem Internet setzt, auch wirklich zu den Gewinnern gehört. Der Kunde profitiert zumindest vorerst von der harten Konkurrenz unter den Anbietern. (ad) (ad)