Intels Notnagel

Die großen Umsätze im PC-Geschäft laufen im sogenannten 1000-Dollar-Segment - das mußte inzwischen auch Intel lernen. Der teure Pentium II verkauft sich trotz massiver Werbung einfach nicht so gut wie erwartet.

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Von
  • Georg Schnurer

Um die PC-Gemeinde dennoch auf Pentium-II-Kurs zu trimmen, bringt Intel Mitte nächsten Jahres den Billig-Pentium-II auf den Markt. Wie dieser aussehen wird, und was der 190-Dollar-Chip leisten kann, verraten wir bereits jetzt. Intels ursprünglicher Schlachtplan im Kampf gegen die lästige Konkurrenz war denkbar einfach: Man wollte den Sockel 7 für tot erklären und statt dessen den Slot One etablieren. Damit hätte man AMD, Cyrix und Co. bequem das Wasser abgegraben. Als flankierende Maßnahmen führte man noch den Grafik-Steckplatz AGP ein, und stoppte die Entwicklung leistungsfähiger 586er-Chipsätze. Wer viel Power für Spiele oder viel Speicher für anspruchsvolle Anwendungen braucht, der soll halt zum Pentium II greifen, dachte sich Intel. Die Rechnung scheint aber nicht aufzugehen: statt zum Pentium-II-Rechner greift die Mehrheit der PC-Käufer zum billigeren 586er-System. Die leistungsfähigen Pentium-II-Boliden mit AGP-Grafikkarte und großem Hauptspeicher sind den meisten einfach zu teuer.

Um nicht aus dem Geschäft gedrängt zu werden, zog man jetzt die Notbremse: Den Pentium-MMX, der eigentlich schon im nächsten Quartal auslaufen sollte, gibt es jetzt doch noch bis Mitte 1998. Erst dann ist Intel nämlich in der Lage, einen wirklich billigen Pentium II anzubieten. Dieser soll so um die 190 Dollar kosten und mit einem Dechutes-Kern arbeiten. Bei diesem `neuen´ Chip handelt es sich - das pfeifen die Spatzen inzwischen schon von den Internet-Dächern - um nichts anderes als um einen in 0,25-µm-Technologie gefertigten stinknormalen Pentium-II-Kern mit 2 × 16 KByte integriertem Cache und einem 66-MHz-Bus-Interface.

Das feinere Herstellungsverfahren ermöglicht höhere Taktfrequenzen und eine bessere Nutzung der Silizium-Scheiben (Die), aus denen der Pentium-II-Kern gefertigt wird. Das spart Kosten, reicht aber noch lange nicht aus, um den Pentium II im 1000-Dollar-Bereich marktfähig zu machen. Teuer sind auch das Gehäuse des Prozessors und vor allem sein mit halbem Prozessortakt laufender L2-Cache.

Bei diesem setzt Intel nun die Kostenschere an: Der Billig-Pentium-II - nennen wir ihn einfach mal Pentium-II-SX - wird ohne den bis dato hoch gepriesenen L2-Cache auskommen müssen. Obendrein will Intel das bislang aus sieben Teilen bestehende Modulgehäuse vereinfachen. Dazu muß allerdings auch eine andere Halterung her. Das bisher mit Pentium-II-Boards gelieferte sogenannte Retention-Modul paßt nicht zum Einstiegs-Pentium II - müssen die ohnehin schon arg gebeutelten Board-Hersteller in Zukunft also zwei Modulhalter mitliefern?

Wer die Entwicklung vom Pentium zum Pentium II verfolgt hat und sich noch an die zugehörigen Werbeaussagen erinnert, dem klingeln jetzt sicher die Ohren: Erst lehrte uns Intel, daß der in den Prozessor integrierte und mit vollem CPU-Takt laufende L2-Cache ein Muß für hohe Performance sei (Pentium Pro), dann erfuhren wir beim Pentium II, daß es auch ein mit halbem CPU-Takt laufender L2-Cache tut. Beim Mitte nächsten Jahres herauskommenden Pentium-II-SX will uns Intel dann sicher weismachen, daß es doch auch ganz gut ohne L2-Cache geht. Im Gegensatz zu 586er-Boards haben Pentium-II-Platinen nämlich keinen eigenen L2-Cache.

Der um den L2-Cache beraubte Pentium-II-SX soll Mitte nächsten Jahres mit Taktraten von 233-, 266- und 300 MHz auf den Markt kommen. Nun, was diese Pentium-II-Kastraten leisten können, läßt sich schon heute ermitteln: Es genügt, den L2-Cache eines aktuellen Pentium II abzuschalten und ihn entsprechend getaktet zu vermessen. Bestückt mit 32 MByte RAM, einer Matrox Mystique und einer Quantum Fireball ST 6,4, mußte der Chip zeigen, was er unter Windows 95 und NT zustande bringt. Zum Testen verwendeten wir die BAPCo 32 (1024 × 768 Bildpunkte, 16 Bit Farbtiefe), Intels Media-Bench und den Spiele-Benchmark X-Demo. Zum Vergleichen ließen wir alle Benchmarks einmal mit und einmal ohne L2-Cache auf dem Pentium-II-Board laufen. Hinzu kam noch ein Testlauf mit einem K6-233 (512 KB L2-Cache, TX-Board).

Die Ergebnisse waren mehr als niederschmetternd: Der Pentium-II-233, der bei Intels Media-Bench etwa 25 Prozent schneller arbeitet als ein K6-233, lief ohne L2-Cache bei diesem Intel-freundlichen Benchmark nur noch 7 Prozent schneller als der Konkurrent. Praxisrelevant ist aber eigentlich nur das Ergebnis der auf realen Anwendungen basierenden BAPCo. Hier arbeitete der Pentium-II-SX selbst bei 300 MHz noch knapp 20 Prozent langsamer als der K6-233. Etwas besser sah es beim Spiele-Benchmark aus, wo der Pentium-II-SX-300 den K6-233 nur noch um fünf Prozent verfehlte. Am Gesamtergebnis ändert das freilich nichts: ein Pentium II ohne L2-Cache ist einem schnellen 586er-Prozessor wie dem K6-233 in keiner Weise gewachsen. Wer glaubt, durch solch eine CPU für wenig Geld zu guter Performance zu kommen, lügt sich selbst in die Tasche.

Das scheint wohl auch Intel zu wissen, weshalb dem Pentium-II-SX laut Roadmap auch nur ein kurzes Leben beschieden sein wird: bereits Ende 1998 soll ihn ein neuer Billig-Pentium-II ablösen, der wieder einen L2-Cache haben soll. Dieser ist dann zwar nur 256 KByte groß, arbeitet zum Ausgleich aber mit vollem CPU-Takt. Der kleinere L2-Cache wird, so ist zu hören, - wie bei dem im selben Zeitraum erwarteten AMD-Pendant - in den Prozessorkern integriert sein.

Auch wenn das letzte Wort in Sachen Pentium-II-SX noch nicht gesprochen ist, sollte man als Kunde im nächsten Jahr vorsichtig sein beim Kauf eines vermeintlich billigen Pentium-II-Rechners. Wenn in dem `Schnäppchen´ tatsächlich ein kastrierter Pentium II arbeitet, muß der Preis schon extrem gut sein, damit das Preis/Leistungsverhältnis gegen einen Sockel-7-Rechner mit L2-Cache bestehen kann. (gs) (gs)