Gigabit? Ja, schon, aber ...

Gigabit Ethernet verzögert sich. Statt dessen entdecken die Hersteller kleine Firmen und Büros als Kunden - so kann man die CeBIT ´98 aus Sicht der Netzwerker zusammenfassen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Was gab es nicht für eine Aufregung um die neuesten Entwicklungen im Netzwerk vor der CeBIT! Gigabit Ethernet war in aller Munde, manch einer verstieg sich sogar zu der Aussage, das neue, noch schnellere Ethernet wäre das Ende für ATM. Immerhin, noch Ende 1997 sprach die Gigabit-Ethernet-Allianz davon, daß der Standard für Ethernet mit 1000 MBit/s ganz sicher im März 1998 verabschiedet würde. Lange Gesichter gab´s dann bei den Herstellern, als die Verschiebung auf Juni 1998 bekannt wurde.

Der Optimismus, den die Allianz nun in ihren neuesten Pressemitteilungen zur Schau stellt, erinnert fatal an die Aussagen vom letzten Jahr. Die Probleme mit Gigabit Ethernet auf Glasfaser habe man aber in den Griff bekommen, behauptet die Gigabit-Ethernet-Allianz. Allerdings erzwingt der Differential Mode Delay (DMD), die mit Multimode-Glasfaser überbrückbaren Strecken zu beschränken.

So war die Euphorie der Hersteller von Netzwerkgeräten, die sich traditionell in der Halle 11 auf dem Messegelände versammeln, doch sehr gedämpft. Kaum jemand wagt sich zu diesem Zeitpunkt mit Gigabit-Produkten auf den Markt. Einige Hersteller scheuen sich zwar nicht, vor allem Geräte wie Gigabit-Switches oder Gigabit-Einschübe für modulare Hubs anzubieten. 3Com beispielsweise sieht sich aber genötigt, eine Garantie auf einen kostenlosen Umtausch zu geben, falls sich der verabschiedete Standard von der Implementierung in den eigenen Geräten unterscheidet. Solche, für den Hersteller möglicherweise sehr teure Umwege mögen andere nicht gehen. Sie warten lieber ab. Einige haben zwar Geräte fertig, zeigen sie aber nur hinter vorgehaltener Hand. Erst wenn der Standard verabschiedet ist, will man die dann angepaßten Produkte anbieten.

Andere wie Allied Telesyn dagegen halten sich noch mehr zurück und wollen erst nach der Standardisierung mit der Entwicklung beginnen. D-Link etwa sieht das inzwischen ganz gelassen: vor Ende 1999 rechne man eh nicht damit, daß irgend jemand Gigabit Ethernet in einem Produktionsnetz einsetze.

Nun, wenn´s schon mit Gigabit Ethernet nicht so klappt, wie man sich das wünscht, begibt man sich als pfiffiger Hersteller in ganz neue Märkte - um mit Entsetzen festzustellen, daß alle anderen ebenso pfiffig sind ... SMB war wohl das Schlagwort der Messe. Und damit meinte niemand das Protokoll, mit dem sich Clients und Server in Microsoft- und IBM-LANs miteinander unterhalten.

`Small and Medium Business´ ist die neue Zielgruppe der Netzwerker. An Kunden aus diesem Bereich hat man zwar bislang schon Geräte verkauft - jetzt meint man aber, unbedingt auf die speziellen Bedürfnisse kleinerer Firmen und Büros eingehen zu müssen.

Bleibt eigentlich nur die Frage: Warum erst jetzt? Bedenkt man, daß nach neuesten Untersuchungen zwar die Verbreitung von Computern in diesem Bereich bei weit über 50 % liegt, davon aber gerade einmal 35 % vernetzt sind, wären Lösungen für kleine Installationen schon lange lukrativ gewesen. Kleine Firmen ohne eigenes Netzwerk-Know-how schrecken oft vor LANs zurück, weil sie ihnen viel zu kompliziert und wartungsaufwendig erscheinen. Diesen Ängsten mit fertigen, einfach zu installierenden Lösungen zu begegnen, sah sich lange Zeit kaum ein Herstel- ler genötigt. Netzwerke waren etwas für Experten und große Firmen mit eigener EDV-Abteilung. Das soll nun alles ganz anders werden.

Vom Einstiegsserver mit simpler Einrichtungs- und Konfigurationssoftware sowie integrierter Backup-Lösung bis hin zu einfach handhabbaren Hubs und Switches mit geringer Portdichte und ohne Managementfunktion reicht die Produktpalette, die speziell für den SMB-Markt gedacht ist. Allen Produkten ist dabei eines gemeinsam: Die Hersteller versprechen eine Plug-and-Play-Installation, die auch jene bewältigen können, die von Netzwerken so gut wie keine Ahnung haben.

Selbst die Großen der Branche wie Cisco oder 3Com wollen hier unbedingt mitmischen. Und alle sehen sie in diesem Marktsegment die Notwendigkeit, einen Internet Access Router anzubieten. Diese Geräte sind im Prinzip die Nachfolger der ISDN-Multiprotokoll-Router, wie sie größere Firmen zur LAN-Kopplung oder für den Remote Access eingesetzt haben.

Die Internet Access Router bieten aber im Regelfall nur TCP/IP als Protokoll, außerdem sind sie meistens nicht für die Einwahl ins Netz geeignet. Sie konzentrieren sich völlig darauf, den Workstations im LAN Internet-Zugriff zu bieten. Dafür sind sie dann mit Funktionen wie DHCP zur automatischen Zuweisung der lokalen IP-Adressen und NAT (Network Address Translation) zur Nutzung einer einzigen öffentlichen IP-Adresse für das gesamte LAN ausgestattet.

Interessant sind diese Geräte aber nicht nur für Firmen. Wenn 3Com seine Lösung `ISDN LAN Modem´ mit vier 10-MBit-Ports, integriertem ISDN-Anschluß und zwei a/b-Wandlern zum Anschluß analoger Geräte für 869 Mark anbietet, ist das die Hälfte dessen, was andere Anbieter vergleichbarer Produkte haben wollen. Dabei kann das Gerät gleich noch notwendige Netzwerkhardware und eine kleine TK-Anlage ersetzen. (jk) (jk)