Wegschauen ist kurzsichtig

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Norbert Luckhardt

Wegschauen ist kurzsichtig

Die Welt ist schlecht. Und wenn dann einer daherkommt und der ganzen schlechten Welt verrät, wie sie Kreditkarten manipuliert oder in Computer einbricht, dann ist das ganz besonders böse. Deswegen darf auch die Software CARDS nicht mehr vertrieben werden - so hat das die blinde Justitia zumindest vorläufig entschieden. Eurocard klagt, mit dem Programm könnten jetzt nicht mehr nur eine Handvoll Spezialisten, sondern auch Otto Normalverbraucher Magnetkarten manipulieren. Dabei hat sich der Anbieter von CARDS alle Mühe gegeben, mit schlechter und völlig überalterter Software die Kreditkarten-Cracker in spe zur Verzweiflung zu treiben - aus Käufersicht sind der Vorwurf der irreführenden Werbung und das Vertriebsverbot insofern sogar zu begrüßen.

Ansonsten ist damit aber keinem geholfen: das System ist und bleibt unsicher. Bei Anbietern stößt man regelmäßig auf taube Ohren, wenn man theoretische Angriffsszenarien zur Sprache bringt - schließlich kostet Sicherheit Geld und geht zu Lasten der Bequemlichkeit. Wer wirklich Mißbrauch treiben will, wird den Teufel tun, seine Tricks zu verraten, und die Mahnungen von Spezialisten verhallen ungehört, solange es keine konkreten Fälle oder schlechte Presse gibt.

Bei Computer-Software und -Netzen ist das nicht anders. Darf man aber der Allgemeinheit Wissen und Werkzeuge zur Verfügung stellen, die Sicherheitslöcher offenbaren? Man muß es sogar. Der arglose Anwender hat ein Recht darauf, zu wissen, wie es um die Sicherheit seiner Daten bestellt ist - ansonsten wird nur der schöne Schein gewahrt. Es ist eine trügerische Sicherheit, denn wo es Lücken gibt, da werden sie auch gefunden - entweder heimlich, still und leise von Kriminellen oder mehr oder weniger öffentlich von mehr oder weniger aufrechten Hackern.

Solange das Wissen nur einem kleinen Kreis bekannt ist, tut sich nichts. Und solange man Otto Normalverbraucher nicht zeigt, wie einfach alles - selbst für ihn - ist, wird er das Risiko nicht einschätzen können. Gleiches gilt für Richter, die noch vor kurzem keinen Weg sahen, wie ein Angreifer an die gespeicherten Daten eines T-Online-Nutzers kommen sollte. Ohne Aufklärung tappt die Welt im dunkeln. Und einige wenige können sich auf Kosten von anderen bereichern. Demgegenüber ist das Risiko, den Mißbrauch einem größeren Kreis zu eröffnen, vernachlässigbar: Wer eine Bombe bauen will, der findet auch die Anleitung dazu - aber auch, wer die Anleitung frei Haus bekommt, wird dadurch nicht zum Terroristen.

Norbert Luckhardt (nl)