Brockhaus oder Silberling

Bald wird der letzte Brockhaus-Band erscheinen, macht zusammen 24 Wälzer für satte 5000 Mark. Microsoft behauptet dagegen, daß ihre Encarta-Enzyklopädie auf Silberscheibe für 180 Mark sogar fünf Bände mehr umfaßt, plus Multimedia. Auch andere Verlage verkünden das Ende der schweren Schinken im Regal. Aber ist 29 wirklich mehr als 24?

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Von
  • Thomas Schult

Der Preis für den großen Brockhaus ist so hoch, daß der Normalverdiener sich höchstens einmal im Leben darauf einlassen wird - möglicherweise erst in einem Alter, in dem er die Enzyklopädie gar nicht mehr so dringend braucht. Dann dient sie vielleicht anderen Zwecken, nicht nur repräsentativen: Sie taugt schließlich auch als Investition in die Ausbildung der Kinder und ist mit Lederrückenschild und Kopfgoldschnitt vor schnellem Verschleiß geschützt. Wenn in Jahrzehnten niemand mehr weiß, was eine CD-ROM überhaupt ist, werden Menschen diese Bücher noch nutzen können - Konvertierung unnötig.

Angesichts der dramatisch sinkenden Halbwertszeit unseres Wissens im naturwissenschaftlich-technischen Bereich stellt sich natürlich die Frage, ob es sinnvoll ist, einen Wissensstand für Jahrzehnte in Leder zu konservieren, ohne ihn anpassen zu können. Aber auch Brockhaus hat beschleunigt: Während die 19. Auflage noch über einen Zeitraum von zehn Jahren bis 1996 erschien, kommen die 24 Grundbände der fast abgeschlossenen 20. Auflage innerhalb von zweieinhalb Jahren auf den Markt. Da der Preis aber auch von Auflage zu Auflage zulegt, profitiert der Kunde nach dem Kauf wenig von der Beschleunigung. Es steht dann eben eine relativ gleichmäßig gealterte Ausgabe im Wohnzimmerschrank - an ein Update ist nicht zu denken, wenn man einmal von den wenigen Ergänzungsbänden absieht, die normalerweise kurz nach Fertigstellung der Enzyklopädie auf den Markt kommen.

Im Multimedia-Zeitalter kommt Brockhaus ganz schön in Bedrängnis. Wer für 100 Mark im Jahr ein Abonnement der Encarta Plus kauft, hat immer einen aktuellen Neunundzwanzigbänder im CD-Laufwerk, verspricht Microsoft. Und Bertelsmann liefert mit seiner Discovery zwanzig Bände auf Silberscheibe, was einmalig 100 Mark kostet.

Natürlich ist ein Zweihundert-Mark-Band von Brockhaus etwas anderes als ein (virtueller) Fünf-Mark-Band von Bertelsmann. Aber wie groß ist der Unterschied wirklich? Der Kunde kann sich keinen rechten Eindruck davon verschaffen - CD-ROMs lassen sich in den meisten Läden nicht näher inspizieren.

Anhand der Ergebnisse eines Wissenstests bewertet c't die inhaltliche Qualität aller Allgemein-Lexika auf dem deutschen Markt. 21 Wissensbereiche von Bildende Kunst bis Weltgeschichte sind mit Stichwörtern vertreten, die wir in allen Werken inspizierten. Im Vergleich zum letzten Test [1] tauschten wir dabei einen Teil der Teststichwörter aus. Insgesamt kamen weit über 2000 Anfragen und Ergebnisse zusammen, die wir auszuwerten hatten.

Gerade eine multimediale Enzyklopädie besteht aber nicht nur aus Text: Eine leistungsfähige Suchmaschine soll den Inhalt zugänglich machen, eine Zeitleiste die Historie chronologisch ordnen, ein Fundus von Animationen, Bild- und Tonaufnahmen Wissen sinnlich erfahrbar machen. Web-Links sollen schließlich durch die Anbindung ausgewählter Internet-Inhalte die Informationsfülle noch drastisch vermehren. Manche CDs bieten sogar eine Art Autorensystem, mit dem sich Referate oder Bildschirmpräsentationen aus dem Lexikonmaterial entwickeln lassen. Besonders Schüler und Studenten werden diese Möglichkeit zu schätzen wissen.

Da sich in den letzten Tests zeigte, daß eine gute Multimedia-Enzyklopädie in englischer Sprache manchmal nur halb so viel wie eine deutsche kostet, sind auch diesmal wieder britische und US-amerikanische Produkte vertreten. Zudem schlug die Encyclopedia Britannica auf CD-ROM bislang stets die deutschen Produkte in puncto Textqualität. Ob das auch bei den neuen Versionen so bleibt, lesen Sie in der gedruckten c't. (ole)