Wellenlänge

Welches Kabel hätten´s denn gern? Nun, äh ... Wir wissen nicht, was der nette Strippenzieher empfiehlt. Aber gibt es nicht vielleicht eine bessere Lösung fürs LAN als die Auswahl zwischen Coax, Cat3, Cat5, Cat6, Cat0815? Ohne Mauerdurchbrüche und Kabelsalat? Möglicherweise sind ja Funk-LANs die bessere Alternative ...

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

Drahtlose Netze sind in - anfangs ein Nischenprodukt für spezielle Bedürfnisse von Firmen, erobern sie langsam sogar den Privatbereich. Anbieter wie Diamond, Elsa oder Proxim versuchen, LANs ohne Kabel auch dem Endanwender schmackhaft zu machen. Diamond bringt HomeFree, ein speziell auf Endanwender ausgerichtetes Funk-LAN, auf der CeBIT endlich auch für deutsche Anwender heraus (Halle 9, Stand C54). Elsa stellt mit i-Gate einen Internet Access Router mit Funkanbindung ins LAN vor (Halle 9, Stand A62). Und Proxim beispielsweise hat zumindest für den amerikanischen Markt mit Symphony ebenfalls schon eine Lösung für die drahtlose Vernetzung zu Hause im Angebot (zu allen Produkten siehe auch den Artikel auf S. 240 in c't 6/99).

Es sieht so aus, als wären die Wireless LANs einer der großen Trends - nicht nur der CeBIT 1999, sondern der nächsten Jahre. Der aggressive Markteintritt von Diamond dürfte die eh schon bröckelnden Preise zu einem Sturzflug veranlassen. Kein Anbieter möchte sich wohl das lukrative Massengeschäft entgehen lassen: Schließlich verspricht man sich vom Home Networking, also den LANs im Eigenheim und der Mietwohnung, das nächste große Geschäft für die Netzwerkfirmen.

Da haben die Hersteller aber noch ein gutes Stück Weg vor sich. Nicht nur an sinkende Preise müssen sie sich gewöhnen - auch die Zweifel vieler Anwender, ob denn ein drahtloses Netz genauso schnell, zuverlässig und im laufenden Betrieb unkompliziert wie ein kabelgebundenes LAN zu handhaben sei, gilt es auszuräumen.

Das sollte aber zu machen sein. Die Technik der drahtlosen Netze ist schließlich nicht neu, einzelne Hersteller sind schon mehrere Jahre auf dem Markt, und Richtfunkstrecken zur Datenübertragung gibt es von Telecom-Anbietern auch schon länger. Zudem wundert sich schließlich schon lange niemand mehr, daß man zum Telefonieren kein Kabel braucht. Schnurlose Telefone für zu Hause, das Handy für unterwegs - die Preise sind inzwischen weitgehend erschwinglich, die Technik ausgereift.

Das Telefonsystem ist aber auch nichts viel anderes als ein speziell auf die Sprachübertragung ausgerichtetes Netzwerk. Warum also nicht auch die Datenübertragung drahtlos realisieren, Rechner über Funk an ein vorhandenes kabelbasiertes Netz anbinden oder gar gleich das gesamte LAN ohne Verkabelung einrichten?

Wie immer man das Kind auch taufen mag, ob drahtloses Netz, Funk-LAN, Wireless LAN, WLAN, mit unüberwindbaren technischen Hürden wird schon lange niemand mehr konfrontiert. Wer eine normale Netzwerkkarte zum Laufen bekommt, schafft das auch mit einer drahtlosen - und gewinnt dabei ein Höchstmaß an Flexibilität. Es klingt wie ein Wunschtraum: Alle Vorteile eines LAN, etwa gemeinsame Nutzung teurer Ressourcen wie Drucker oder Festplatten oder einheitlicher Zugang zum Internet, ohne sich mit den Unwägbarkeiten von Kabeln, Hubs, Switches und ähnlichem herumschlagen zu müssen. Drahtlose Netze versprechen, dies zur Realität zu machen.

Oft sind gerade die Kabel das größte Problem, vor allem, wenn man das LAN in einer Mietwohnung einrichten will. Mögen im Eigenheim Mauerdurchbrüche und größere Kabelinstallationen noch machbar sein, stößt das in normalen Mietshäusern des öfteren auf Schwierigkeiten. Aber auch das Einfamilienhaus bereitet Probleme, wenn man entsprechende Schächte nicht schon beim Bau vorgesehen hat. Und wer nicht gleich an allen nur vorstellbaren Stellen Netzwerkdosen für Twisted-Pair-Anschlüsse oder T-Stücke im Coax-Kabel vorgesehen hat, kann bei einer neuen Inneneinrichtung unter Umständen gleich wieder von vorne anfangen. Ein Wireless LAN enthebt all dieser Probleme: Da die entsprechenden Frequenzen Mauern und Fenster durchdringen und im Haus Entfernungen von etwa 30 Metern zwischen zwei Sendern möglich sind, ist eine nahezu beliebige Positionierung der Geräte machbar.

Bei diesen Entfernungen ist selbst die Vernetzung mit dem Nachbarn kein Problem - ein Loch in der Mauer zur Nebenwohnung dürfte der Vermieter dagegen gar nicht so gern sehen. Mit der Einführung von Produkten im 2,4- und 5,4-GHz-Band (siehe Artikel auf S. 222 in c't 6/99) stellt sogar die Vernetzung mit dem angrenzenden Grundstück oder über eine öffentliche Straße hinweg kein Hindernis mehr dar: Solche Installationen sind nicht mehr genehmigungspflichtig, bei Überquerung öffentlichen Geländes reicht eine einfache Anmeldung, die keine Kosten verursacht. Die Flexibilität macht Wireless LANs natürlich auch für Unternehmen interessant, die beispielsweise Außendienstmitarbeitern einen einfachen Zugang zum LAN bieten wollen, wenn sie einmal in der Firma sind. Selbst beim Überwinden von Längenbeschränkungen bei Ethernet können Funknetze behilflich sein - schließlich dürfen bei Ethernet auf Twisted-Pair-Kabel normalerweise nur 100 Meter zwischen Hub und Arbeitsstation liegen. Da wird es bei der Verbindung zweier Gebäude schnell eng.

Heute verfügbare WLAN-Lösungen können dagegen mit Richtantennen mehrere Kilometer überbrücken. Zwar benötigen die Antennenstationen dafür eine Sichtverbindung, aber in der Regel ist das machbar. Dafür fallen die Kosten etwaiger aufwendiger Weitverkehrsverkabelung oder gemieteter Standleitungen weg.

Das Kostenargument hat übrigens auch für die Heimvernetzung noch eine zweite Seite. Zwar sind WLAN-Karten immer noch teurer als normale 10-MBit-Ethernet-Adapter, aber schließlich spart man sich die Ausgaben für Kabel, Anschlußstücke oder Hubs. Für zwei Rechner, die man auch per Twisted Pair über ein Cross-Connect-Kabel verbinden kann, mag das noch keine große Rolle spielen - ein Hub oder gar ein Switch kann aber das Budget ganz schön belasten. Und ein Coax-Kabel durch alle zu vernetzenden Räume zu ziehen mag auch leicht einmal ein paar Mark kosten. Insgesamt dürfte man zwar für eine Wireless-LAN-Installation immer noch mehr bezahlen als für ein entsprechendes kabelgebundenes Netz; dies kann sich aber angesichts der Kampfpreise von Diamond schnell ändern (in den USA bietet die Firma momentan drahtlose ISA- sowie PCI-Karten für 99 Dollar an).

Bislang machen die Anbieter noch gute Geschäfte, vor allem, wenn es um komplexere Installation geht, die sogenannte Access Points benötigen (siehe Artikel auf S. 222 in c't 6/99). Für die Heimvernetzung dürften in vielen Fällen drahtlose Netzwerkkarten reichen, zumal man im Unterschied zu Twisted-Pair-Kabel damit auch ein Netz aus mehr als zwei Rechnern bilden kann. Sollen aber etwa kabelgebundene Rechner oder Peripherie-Geräte eingebunden werden, kommt man an einem Access Point nicht vorbei. Auch LAN-Kopplung oder die Erweiterung des WLAN über größere Entfernungen kommt nicht ohne diese Funk-Bridges aus - und dann können die Kosten leicht einmal auf mehrere tausend Mark steigen.

Mögen sich auch die Befürchtungen bezüglich der notwendigen Ausgaben für ein WLAN schnell ausräumen lassen, haben viele dagegen große Bedenken, ihre Daten einer vermeintlich unzuverlässigen Übertragung über Funk anzuvertrauen. Auch scheint sich hartnäckig die Meinung zu halten, drahtlose Netze bedeuteten einen Engpaß in der Kommunikation. Und die Sicherheit gegen Abhören?

Dabei purzeln die Bandbreitenrekorde von WLANs wie die Weltrekorde mit Dopingmitteln vollgepumpter Hundertmeterläufer. Vor einiger Zeit war man noch froh, in einem Funknetz Durchsatzraten von wenigen 100 KByte/s hinzubekommen. Der 1997 offiziell verabschiedete WLAN-Standard (IEEE 802.11) sieht aber schon Bandbreiten von ein und zwei MByte/s vor, einige Hersteller schaffen abseits dieses Standards bereits 10 oder 11 MByte/s. Zudem ist die Standardisierung neuerer Technologien mit 10 oder gar 20 MByte/s im Gange.

Auch die Zuverlässigkeit kann sich sehen lassen - schlechter als bei einem kabelgebundenen Netz ist sie nicht. Zwar sind die Fehlerraten naturgemäß höher, da sich diverse Störungen bei einem Funknetz auswirken können, die Technik sieht aber entsprechende Maßnahmen vor, um die Datenintegrität zu gewährleisten. Geht es dann erst um das Abhören der Datenkommunikation, sind WLANs teilweise sogar sicherer als kabelgebundene Netze (siehe Artikel auf S. 222 in c't 6/99).

Mit den Festlegungen in IEEE 802.11 hat sich ein weiteres Argument gegen WLANs weitgehend erledigt. Zuvor waren Lösungen für drahtlose Netze proprietär - und nicht umsonst scheuen Anwender heute solche Implementierungen wie der Teufel das Weihwasser. Der Standard läßt zwar den Herstellern einige Freiheiten, gewährleistet aber weitgehend die Zusammenarbeit der Produkte unterschiedlicher Anbieter. Außerdem kümmert sich ein Industriekonsortium, die Wireless LAN Alliance WLANA, um Interoperabilität.

In den nächsten Monaten werden sich sicher noch weitere Möglichkeiten zumindest für die Heimvernetzung ergeben, die auf die heute gewohnte Netzwerkverkabelung verzichten (siehe Artikel auf S. 218 in c't 6/99). Drahtlose Netze aber sind heute schon in vielen Fällen praktische Ergänzungen, wenn nicht gar ernstzunehmende Rivalen für die klassischen kabelgebundenen LANs. (jk) (jk)