Das Schlimmste steht mir noch bevor

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

Das Schlimmste steht mir noch bevor. Natürlich bekommt Sarah ihr Handy; und David kann schließlich ohne Laptop keine Schularbeiten mehr machen. Immerhin: Benjamin, der Jüngste, ist noch mit einer Dreamcast zufrieden zu stellen. Fachmännisch beurteilt er aber schon die Weihnachtsgeschenke der Älteren. Ich befürchte, seinen nächsten Wunschzettel wird er auf Davids Laptop schreiben.

Und dann kommen sie doch wieder angeschlappt, weil nichts funktioniert, wie es soll. Arme Kinder. Und fürchterlich beeindruckt von der Werbung: Keinen blassen Schimmer haben sie, auf was sie sich da einlassen. Dabei hätte ich sie doch aufklären können. Ich könnte ihnen da Geschichten erzählen ...

Das fängt doch schon bei der Office-Suite für Davids Hausaufgaben an. Blocksatz und mindestens fünf verschiedene Schriften sind das Minimum - und dafür braucht es dann halt einen Superrechner mit genügend Hauptspeicher für alle jemals geschriebenen Briefe, da sonst die Textverarbeitung nach einer halben Seite abstürzt.

Oder all die krampfhaften Versuche, ein Betriebssystem zu bauen, mit dem ein normaler Mensch umgehen kann. Erinnert sich noch jemand an OS/2? Bekannt geworden vor allem dadurch, dass man ohne Probleme gute Technik durch mieses Marketing und Ignoranz gegenüber Anwenderbedürfnissen in den Sand setzen kann. Und wie war das mit Windows 98: Miese Technik durch gutes Marketing trotz Ignoranz gegenüber Anwenderbedürfnissen in den Markt gedrückt. Aber erst Linux! Bewundernswert als Beweis, dass aus uralter Technik bei geschicktem Marketing und penetranter Besserwisserei gegenüber Anwenderwünschen ein Kult entsteht, gegen den Sex, Drugs und Rock’n’Roll spießig wirken. Apples Leistung, Spät-Hippies mit veralteter Software und überteuerter Hardware in moderne Yuppies zu transformieren, ist allerdings auch kein schlechtes Kunststück.

Das also sind die Meilensteine der jüngeren EDV-Geschichte. Aber im nächsten Jahrtausend wird ja alles besser. Denn dann hat der Y2K-Bug genug Geld abgeworfen, um endlich etwas Vernünftiges zu produzieren ... Die Chefs von Sun und Oracle legen zusammen einen flotten Walzer aufs Parkett - sie haben auch was zu feiern. Sind die Deppen von Systemadministratoren doch tatsächlich auf ihre lockeren Sprüche reingefallen und kaufen wie verrückt Thin Clients und Design-PCs. Purer Minimalismus und das Augenlicht gefährdende Kreischfarben: Genialer Schachzug, die Fehler der Software nicht etwa durch Abschaffung der Fehler vergessen zu machen und dabei noch ein gutes Geschäft zu tätigen.

Das also ist der technische Fortschritt des ausgehenden Jahrhunderts: Computer. Oder: Wie man es schafft, sich eine goldene Nase zu verdienen, obwohl man die Leute mit Versprechungen auf Arbeitserleichterung von ihrer eigentlichen Arbeit abhält - weil sie damit beschäftigt sind, diese verdammten Blechdinger zur Mitarbeit zu bewegen.

Benjamin ist inzwischen sanft eingeschlummert, mit der Dreamcast als Teddybärersatz. Sarah und David haben sich, leicht angenervt, schon lange vor den Fernseher verkrümelt. Aber worüber beschwere ich mich überhaupt: Mit dem ganzen Durcheinander verdien ich schließlich das Geld für ihre Weihnachtsgeschenke.

Jürgen Kuri

(jk)