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Die Zeiten, in denen online lediglich Computerfreaks in den einschlägigen Newsgroups Stellentipps austauschten, sind lange vorbei. Seit der Etablierung des WWW hat sich die Stellenvermittlung im Internet zu einer ständig wachsenden Branche entwickelt, die zunehmend professioneller agiert.

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Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Angela Meyer
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35 Millionen Euro zahle StepStone für die Übernahme der Aktienmehrheit von Job-Today, kündigten die beiden Internet-Stellenbörsen Anfang September an. Ehrgeizige Pläne haben die beiden entwickelt: StepStone und Job-Today wollen ‘ihre Kräfte vereinen, um ihren Kunden und Geschäftspartnern von nun an einen gemeinsamen Service anzubieten, der im Bereich Online-Stellenvermittlung nicht nur in Deutschland und der Schweiz, sondern in ganz Europa Maßstäbe setzen wird’.

Auch wenn manche Insider sich fragen, ob der den Börsianern versprochene höhere Umsatz nicht zu teuer bezahlt worden ist - ganz aus der Luft gegriffen ist dieser Anspruch nicht. Sowohl nach Umsatz, Besuchern, Seitenabrufen als auch nach der Zahl der Stellenangebote war StepStone auch bisher schon der größte private Online-Stellenvermittler in Europa. In Zahlen: 12,4 Millionen Euro Umsatz allein im zweiten Quartal 2000, etwa 115 000 Jobangebote in zehn Ländern und 316 000 Lebensläufe aus ganz Europa sowie 2,3 Millionen Besucher pro Monat gibt StepStone an. Zu den Kunden zählen 12 000 Unternehmen, Arbeitgeber der öffentlichen Hand, Personalberater und Arbeitsvermittler. Die Zahlen steigen rasant: 1999 lag der Jahresumsatz bei 12,2 Millionen, Anfang 2000 standen 63 000 Offerten auf der Website.

Mit Job-Today hat sich StepStone nun eine Plattform geangelt, die mit DV-Job die im deutschsprachigen Raum führende Jobbörse im IT-Sektor beherbergt - dank der Bewerberknappheit ist dies für die Personalvermittler eine besonders interessante Branche. Die Umsätze der Job-Today AG erreichten im ersten Halbjahr 2000 immerhin 3,6 Millionen Euro, gegenüber einem Vorjahresumsatz von 3,2 Millionen Euro ebenfalls eine deutliche Steigerung.

Satte Gewinne wirft das Unternehmen dagegen noch nicht ab: Vor der Übernahme rechnete DV-Job mit einem Jahresminus von gut einer Million Euro. Damit liegt es allerdings noch besser in der Bilanz als sein stark expandierender Aufkäufer, der gerade weitere Internet-Präsenzen in Österreich, Finnland, den Niederlanden, Portugal und Spanien aufbaut: StepStone rechnet für 2000 mit einem Jahresfehlbetrag, der etwa das Doppelte seiner Umsätze beträgt.

Direkter Konkurrent für die neue Allianz ist vor allem Jobs & Adverts mit 30 000 Jobangeboten, 40 000 Gesuchen und 1,6 Millionen Besuchern Ende Juli dieses Jahres. Auch dort legt man nicht untätig die Hände in den Schoß. Der ebenfalls international agierende Jobvermittler hat sich im Frühjahr an der Börse mit Spielgeld versorgt, um seinerseits die Nummer eins in Europa zu werden. Tochtergesellschaften in 14 europäischen Ländern existieren bereits. Neben rund 20 weiteren Kooperationen soll vor allem die Zusammenarbeit mit AOL Europe dem Erfolg zusätzlichen Auftrieb verleihen.

Bisher lässt vor allem der Blick auf die Potenziale dieses Marktes die Herzen der Investoren höher schlagen: Lediglich 10 bis 20 Prozent ihres bisherigen Budgets zur Personalsuche investieren Unternehmen bisher im Internet, schätzt Michael Weideneder, Gründer und Geschäftsführer von Stellenanzeigen.de. ‘Damit können sie drei bis fünf Stellenbörsen nutzen, denn Anzeigen sind hier deutlich billiger als im Print-Bereich.’ Trotzdem ignorieren etwa drei Viertel der Unternehmen diesen Weg bisher. Auch bei den Bewerbern gingen bisher lediglich ein Drittel zur Jobsuche online.

Entsprechend erwartet DV-Job, dass die Umsätze in den kommenden fünf Jahren etwa um den Faktor 10 auf 600 Millionen US-Dollar in Deutschland und rund 2,8 Milliarden US-Dollar in Europa steigen werden. Zum Vergleich: Für die USA prognostiziert Forrester Research für 2005 ein Volumen von 4 Milliarden US-Dollar. An die 30 000 Jobbörsen in den USA überbieten das europäische Angebot um ein Vielfaches - auf dem deutschen Markt gehen Schätzungen von etwa 250 Stellenvermittlern aus.

Wer in Deutschland ein großes Stück von dem kontinuierlich wachsenden Kuchen abbekommt, wird sich nach Weideneders Ansicht in den nächsten ein bis zwei Jahren entscheiden - vor allem durch Übernahmen und Zusammenschlüsse. Jüngstes Beispiel ist die Kooperation von Jobonline und Jobline, die wiederum bereits im April den Stellenmarkt des Handelsblattes KarriereDirekt übernommen haben.

Nicht alle wollen oder können bei diesem Wettlauf um die Marktmacht in Europa mithalten. Stellenanzeigen.de rangiert zurzeit zwar ganz vorne unter den deutschen Anbietern. Eine europaweite Ausdehnung des eigenen Stellenmarktes schließt Weideneder aber aus. ‘In Europa sind die Arbeitsmärkte in jedem Land anders, das kann man nicht mit einem einheitlichen Angebot abdecken.’ Gut vorstellen kann er sich dagegen Kooperationen mit den jeweiligen Marktführern in anderen Ländern.

Vorerst will sich das Unternehmen aber vor allem auf den deutschsprachigen Raum konzentrieren. ‘Drei Viertel der Unternehmen brauchen keine High Potentials, die mal in New York und dann wieder in Paris arbeiten wollen. Mit einer internationalen Ausrichtung können diese Firmen gar nichts anfangen.’

Entscheidend sei die Qualität des Service. Was das heißt, macht Jobware.de bei seinem gerade abgeschlossenen Relaunch deutlich: Es reklamiert für sich den Wandel ‘vom Online-Stellenmarkt zum Marktplatz Human Resource Portal’, den auch die anderen größeren Anbieter inzwischen mehr oder weniger umfassend vollzogen haben.

In den Anfangszeiten reichte es, eine Liste mit Stellenangeboten zu veröffentlichen, so wie die gedruckten Stellenmärkte es seit eh und je tun. Leider hat man dabei nicht in der Hand, ob sich tatsächlich jemand bei den Firmen bewirbt. Offen bleibt auch, warum ein Unternehmen diesen zusätzliche Kosten verursachenden Weg gehen sollte, wenn das Ergebnis genauso ungewiss ist wie bei einer Stellenanzeige in einer weiteren Zeitschrift.

Ein Seminarangebot der TÜV-Akademie Rheinland mit dem Titel ‘Mehr ‘Asse’ und weniger ‘Nieten’ rekrutieren’ bringt die Probleme bei der Online-Anzeige auf den Punkt: Der Vorteil, dass sich Bewerber mit einer Kurznachricht per E-Mail zu jeder Zeit und kostengünstig auf eine Stellenanzeige melden können, erwies sich für die Unternehmen eher als Nachteil: Die Hemmschwelle, pauschal alles anzutesten, was irgendwie interessant sein könnte, sinkt für die Bewerber erheblich.

So wird das neue Angebot eher zur Zusatzbelastung: Neben den Rückläufen auf die nach wie vor notwendigen Print-Anzeigen müssen die Personalsuchenden auch noch den elektronischen Posteingang durchforsten. Die Idee der Bewerberdatenbanken entstand, in denen die Unternehmen sich mit Hilfe von Suchfunktionen geeignete Kandidaten aussuchen können, um von sich aus den Kontakt aufzunehmen.

‘Der Jobagent achtet darauf, dass Sie nur Bewerbungen von Kandidaten erhalten, für die Sie sich interessieren. Der Jobagent übernimmt somit die Aufgaben eines Personalvermittlers, er arbeitet schnell und ist sehr kostengünstig. Sie können ihn beliebig aktivieren und deaktivieren.’

Dieser Hinweis auf der Website von StepStone weist auch noch einmal darauf hin, wer der eigentliche Geschäftspartner der Jobbörsen ist: Das personalsuchende Unternehmen, das für diesen Zweck einen Teil seines Budgets bereitgestellt hat. Es geht nicht vorrangig darum, Arbeitslosen zu einer Stelle zu verhelfen, wie bei der mit rund 400 000 Angeboten größten Datenbank unter www.arbeitsamt.de, sondern um möglichst guten Service für die suchenden Unternehmen. Schließlich müssen sie die Unternehmen davon überzeugen, dass es sich lohnt, neben den Kosten für Stellenanzeigen zum Beispiel 1000 Mark im Monat zu zahlen, um regelmäßig die Bewerberdatenbank durchstöbern zu dürfen.

Die Bewerber erscheinen unter diesem Blickwinkel eher als eine besondere Art von Ware, die es in möglichst guter Qualität und ausreichender Anzahl aufzutreiben gilt. Die Betreiber hören diese Interpretation naturgemäß nicht so gern und sprechen lieber von Nutzern.

Wie man es auch nennt, das Problem bleibt: Die Konjunktur hat angezogen, die Konkurrenz schläft auch nicht, und wirklich gute Leute laufen selbst in schlechten Zeiten nicht lange unbeschäftigt herum. Der Bewerber profitiert von diesem Druck: Alle Angebote kosten ihn nichts - sieht man einmal von den Online-Kosten ab. Um wirklich interessante Arbeitnehmer zu bekommen, muss man sich allerdings noch mehr einfallen lassen.

Denn wie immer beim Handel im Internet erweist sich auch auf diesem Markt der leichte Zugang als Bumerang: So schnell und einfach Unternehmen und Bewerber mal vorbeigucken können, so leicht können sie es halt auch bei der Konkurrenz. Ralph Vollmer, Geschäftsführer bei Jobware, wünscht sich daher so etwas wie eine ‘Leser-Blatt-Bindung’. Um das zu erreichen, soll neben der Stellenbörse der redaktionelle Teil stark ausgebaut werden: ‘Wir wollen weg vom reinen Job-Board hin zum Info-Center Karriere.’

News vom Arbeitsmarkt, Unternehmensportraits, Gehaltsübersichten, juristisch fundierte Karriereberatung und einen ‘Einblick in die Seminarlandschaft inklusive Buchung à la Last-Minute-Reisen’ sind nur einige Ideen, die für regelmäßige Besuche potenzieller Bewerber auf ihren Webseiten sorgen sollen. Andere ergänzen ihre Info-Angebote durch Chats um Mitternacht mit dem Personalberater und virtuelle Assessment-Center oder Recruiting-Messen.

Der leergefegte Arbeitsmarkt in den USA lässt die Jobbörsen dort zu noch ungewöhnlicheren, direkteren Mitteln greifen: College-Hire.com - spezialisiert auf IT-Absolventen - verloste sogar ein nagelneues Luxusauto unter den Bewerbern, um mehr Einträge in seine Datenbank zu bekommen.

Von den Bewerbern wird allerdings auch einiges verlangt. Mit der schlichten Auflistung von Stellengesuchen, wie man sie aus dem Printbereich kennt, haben Bewerberdatenbanken im Idealfall nicht mehr viel gemein. ‘Matching’ heißt das Zauberwort, mit dem die Jobbörsen in das Rundum-Sorglos-Paket für die Unternehmen einsteigen wollen: Anhand detaillierter Angaben zur Kompetenz der Bewerber und den Anforderungen der Unternehmen gleicht eine Software die Einträge ab. Wahlweise ergänzen ein umfangreicher Persönlichkeitstest und ein Video die Selbstdarstellung. Ob sich das Bewerbungsverfahren für die Unternehmen dadurch tatsächlich schneller und kostengünstiger erledigen lässt, muss sich erst noch zeigen.

Ein Problem der Jobbörsen könnte der hohe Zeitaufwand für die Bewerber aber möglicherweise mildern: Festangestellte, die nicht wirklich wechseln wollen, sondern nur mal gucken, wie hoch eigentlich ihr Marktwert ist, dürfte diese Variante eher abschrecken. Bisher behelfen sich die Jobbörsen damit, erst noch einmal beim Bewerber nachzufragen, ob er auch wirklich am Stellenangebot interessiert ist, bevor sie das Unternehmen benachrichtigen. Vorläufig noch Zukunftsmusik ist die Idee, die Vorschläge dann direkt in die Personalinformationssoftware des suchenden Unternehmens einzuspielen, um die Personalauswahl komplett online verwalten zu können.

Auch beim Thema Datenschutz ist noch nicht alles ausgereift. Viele Sites bewegen sich bestenfalls in Grauzonen. Ziemlich viel Vertrauen verlangt unter anderem www.futurestep.de, findet Peter Wedde, Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationstechnik an der Fachhochschule Frankfurt und gleichzeitig Leiter eines Projektes zum Datenschutz in der Arbeitswelt. ‘Obwohl auf der Website sämtliche Arbeitgeber, das derzeitige Gehalt und ähnlich sensible Daten abgefragt werden, gibt es weder einen Datenschutzhinweis noch teilen sie mit, wo die Daten bleiben’, bemängelt er. Möglicherweise landeten bei der international agierenden Jobbörse die Daten auf einem amerikanischen Server, ohne dass man das wolle.

Das Datenschutzgesetz schreibt für das Sammeln personenbezogener Daten bisher sogar eine schriftliche Einwilligung der Betroffenen vor. Das findet Wedde für Internetangebote zwar reformbedürftig, aber unverzichtbar sei auch bei einer elektronischen Form der Einwilligung, dass klar und deutlich gesagt wird, was mit den Daten passiert. Die pauschale Behauptung, man halte die Datenschutzbestimmungen ein, ist nach Weddes Ansicht auch dann unzulässig, wenn der Bewerber um seine Einwilligung gebeten wird.

Auch bei Monster.de sucht man ebenso wie bei vielen deutschen Websites vergeblich nach entsprechenden Informationen. Seit dem Sommer versucht der Ableger des weltweiten Marktführers Monster.com den Einstieg in den deutschen Markt. Die Site ist nur ein Anklang an das von fröhlichen Monstern durchsetzte US-Angebot. Auf dem deutschen Markt qualifiziert man sich bisher vor allem durch Seriosität - das ist der wichtigste Eindruck, den der Webauftritt neben der Kompetenz auf dem Personalmarkt vermitteln soll. Also zeigt die seriöser gestylte Tochter monster.de gerade so viel Tierchen, wie nötig, um die Site noch mit ihrer Mutter in Verbindung zu bringen.

Im Detail gestaltet sich der Auftritt von monster.de etwas hemdsärmeliger als sonst in Deutschland üblich. Die Stellenanzeigen haben bestenfalls im Kopf ein Logo des Unternehmens. Im Unterschied zur Homepage kann man sie nur als schlicht bezeichnen. Dagegen gehört es hierzulande nicht nur bei Jobs & Adverts zum Service, dass Bewerber eine passend zur Corporate Identity des suchenden Unternehmens gestaltete Anzeige präsentiert bekommen. Insider vermuten daher, dass es monster.de nicht allzu leicht fallen dürfte, den deutschen Markt zu erobern. Vielleicht erweist sich diese Prophezeiung aber auch als Pfeifen im Walde.

Konkurrenz kommt nicht nur aus der US-amerikanischen Internetwelt, sondern auch aus der traditionellen Personalwirtschaft. Wenn auch vieles noch nicht perfekt läuft, die Matching-Funktionen noch ausgebaut werden müssen und der Service für die Firmen noch längst nicht bei allen so umfassend ist, wie es gewünscht wird - die Jobbörsen entwickeln sich zu ernst zu nehmenden Personalvermittlern und machen damit nicht mehr nur den Stellenmärkten in den Print-Medien Konkurrenz. Die zunehmende Akzeptanz bei Unternehmen und Bewerbern für die Internetangebote hat jetzt wieder einen der Großen im herkömmlichen Geschäft zur Offensive veranlasst: Mit der Karriereplattform newmonday.com drängen die Randstad Holding, nach eigenen Angaben der drittgrößte Personaldienstleister weltweit, und VNU, ein Verlags- und Informationskonzern, auf den europäischen Internetjobmarkt. Während VNU unter anderem die Meta-Stellensuchmaschine Jobworld mit einbringt, will Randstad 68 Millionen Euro investieren. Cap Gemini Ernst & Young, weltweit drittgrößtes Unternehmen für Management- und IT-Beratung, greift dem Joint Venture dabei hilfreich unter die Arme. (anm) (anm)