Luxusspielzeug

Glaubt man Sony, erscheint am 24. November in Deutschland die ultimative Spielkonsole, die nebenbei einen DVD-Player ersetzt und eigentlich auch als Computer durchgehen müsste.

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Von
  • Nico Jurran
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Diese Funktionsvielfalt hat einen stolzen Preis: 869 Mark. Dafür bekommt der Käufer die Konsole, einen Analogcontroller vom Typ ‘Dualshock 2’, ein AV-Multikabel und eine Demo-CD-ROM. Ein Spiel ist noch nicht dabei, pro Titel sind weitere 110 bis 130 Mark anzulegen. Auch eine Memory Card, auf der man Spielstände abspeichert, sucht man in der Packung vergebens. Die Speicherkarten der ersten Playstation, jetzt PS One genannt, kommen als Ersatz nicht infrage, da das neue Modell mit 8 MByte die 64fache Kapazität besitzt. Sony verlangt dafür laut Liste 89 Mark, eine ‘Grundausstattung’ mit Konsole, einem Controller, Memory Card und einem Spiel schlägt folglich mit etwa 1100 Mark zu Buche.

Auch wenn sich davon einige Hartgesottene nicht abschrecken lassen und ihre PS2 schon vorbestellt haben, gaben Händler auf Nachfrage an, dass es zum Verkaufsstart noch ausreichend Konsolen geben wird. Jeder Interessent sollte ein Gerät bekommen, in Ballungsgebieten aber längere Wege und Wartezeiten an der Kasse einplanen. Sony hat zu Weihnachten eine weitere Lieferung angekündigt, die die Gesamtstückzahl auf 170 000 Exemplare erhöhen soll.

Für diejenigen, die die PS2 vorrangig als Spielgerät erwerben, sind vor allem Anzahl und Qualität der verfügbaren Spiele wichtig. Von den für die Playstation 2 angekündigten 33 Starttiteln blieben auf Nachfrage von c't noch 26 übrig, weitere Absagen wahrscheinlich. Hinzu kommt, dass nur Nostalgiker der dritte und vierte Aufguss des Ballerspiels ‘Gradius’ (immerhin zusammen auf einer CD) interessieren dürfte. Auch ‘Super Bust-A-Move’ unterscheidet sich kaum vom Vorgänger für die PS One. Nischenprodukte par excellence sind die Billardsimulation ‘Pool Master’ und das Feuerwerksspiel ‘FantaVision’.

Das restliche Angebot unterteilt sich hauptsächlich in Sport- sowie Rennspiele jeglicher Art. Und obwohl unter den Premiere-titeln ‘Fun-Sportarten’ wie Sky- und Snowboarding zu finden sind, mangelt es an innovativen Spielideen. Die Spielehersteller setzen bisher lieber auf grafisch aufpolierte Fassungen von Titeln, die sich bereits für andere Plattformen gut verkauften. Dabei wird die PS2-Hardware oft nicht ausgereizt. Den Programmierern bereiten vor allem das fehlende Hardware-Antialiasing und der nur 4 MByte große Videospeicher Probleme.

Doch seit der Japan-Release hat sich schon einiges getan, die in [[#lit1 1]] vorgestellten Spiele wurden nachgebessert. Ein Blindkauf empfiehlt sich auch bei in Japan und in den USA erfolgreich gelaufenen Spielen nicht, da die Bildwiederholrate der dortigen Fernsehnorm NTSC mit 60 Halbbildern pro Sekunde gut 17 Prozent schneller ist als bei der europäischen PAL-Fernsehnorm, dafür hundert Bildzeilen weniger hat. Besonders bei Rennspielen tritt der Geschwindigkeitsunterschied hervor, weshalb Programmierer hier sorgsam nacharbeiten müssen.

Dass man laut Sony alle Spiele des Vorgängermodells wiedergeben könne, verbessert die Situation nicht wesentlich: Gerade im direkten Vergleich mit den Neuentwicklungen wirken die alten Schinken regelrecht unansehnlich. Wichtiger ist da schon, dass sich laut Sony sämtliche Eingabegeräte des Vorgängermodells weiter verwenden lassen. Für die PS2 ungeeignet ist lediglich der Multiplayer-Adapter (MultiTap) der alten Playstation, entsprechendes für die Nachfolgerin wird für etwa 100 Mark angeboten. Sony hat auch an die Fans von Strategie-, Rollenspielen und Ego-Shootern gedacht, die sich nicht mit Controllern anfreunden können: Alternativ lassen sich USB-Mäuse und -Tastaturen aus der PC-Welt einsetzen, die an die beiden USB-Ports der PS2 anschlossen werden - sofern das Spiel dies unterstützt.

Während die deutsche Dreamcast serienmäßig mit 33,6-kBit-Modem ausgestattet ist, sind Online-Spiele bei der PS2 noch Zukunftsmusik (dazu später mehr). Dafür lassen sich mehrere Konsolen über den Firewire-Anschluss (von Sony ‘i-Link’ genannt) an der Front miteinander verbinden - über die genaue Anzahl schweigt sich Sony jedoch aus. Die Spielehersteller setzen aber für Gruppenaktivitäten bislang lieber auf die Split-Screen-Technik, bei der der Bildschirm geteilt wird. Voraussichtlich erst Ende des ersten Quartals 2001 wird ‘Unreal Tournament’ bei uns erscheinen, das die Verbindung mindestens zweier PS2 ermöglicht.

Im Audiobereich fällt die Unterstützung der Digital-Surround-Formate Dolby Digital (AC-3) und DTS auf, die Töne über bis zu sechs beziehungsweise sieben diskrete Kanäle liefern. Der Bitstream beider Formate wird über den optischen Digitalausgang an der Rückseite der Konsole angeliefert. Von hier gelangt er über ein Lichtleiterkabel beispielsweise zu einem Dolby-Digital-Receiver. Theoretisch sind damit direktionale Effekte in der Art möglich, dass sich beispielsweise bei Ego-Shootern die Gegner auch akustisch von hinten links auf den Spieler zu bewegen. Doch noch ist unklar, ob die PS2 in Spielen nur fertige Samples abspielen kann oder zugleich die Berechnung von Digital-Surround-Effekten in Echtzeit bewältigt. Dies wäre wichtig für eine realistische Soundkulisse, die sich dem Spielgeschehen anpasst. Dreht sich der Spieler in der beschriebenen Szene beispielsweise um, bleiben aber die Geräusche der Gegner in der hinteren linken Ecke, ist die Atmosphäre dahin. Für Käufer, die keine entsprechende Anlage besitzen, stellt die Konsole daneben immer ein analoges Stereosignal bereit.

Die PS2 ist die erste Konsole, die die DVD als Speichermedium einsetzt. Ihr Laufwerk spielt DVD-ROMs mit 4facher, CD-ROMs mit 24facher Geschwindigkeit ab. Eine DVD bietet Platz für riesige Level und lange Full-Motion-Videosequenzen, die dank MPEG2 Spielfilmqualität erreichen. Allerdings scheinen die Spielehersteller von diesem Angebot bislang keinen Gebrauch machen zu wollen: Die ersten PS2-Games erscheinen auf CD-ROM, dieses Mal mit blauer Beschichtung.

Dank der DVD-Wiedergabemöglichkeit soll die PS2 aber immerhin einen DVD-Player ersetzen können. Seit der Japan-Release hat sich dabei einiges getan: US- und Euro-Modelle dekodieren DVDs rein auf Hardwareebene, die Speicherung der DVD-Treiber auf der Memory Card entfällt. Das Bild der PS2 überzeugt durchaus, eine hochwertige Übertragung des Videosignals vorausgesetzt. Die bietet das mitgelieferte AV-Multikabel nicht, da dies nur ein Verbundsignal liefert, das alle Informationen für Helligkeit, Farbsättigung und Farbton enthält. Bessere Qualität bekommt man über die S-Video- oder die Scartbuchse am Fernseher, Kabel für die PS One lassen sich verwenden.

Dass die PS2 sowohl Dolby Digital als auch DTS von Video-DVDs ausgeben kann, ist nichts Besonderes, sondern bei modernen DVD-Playern Standard. Die beherrschen in der Regel auch die Wiedergabe von VideoCDs, die PS2 nicht. Auf 24-Bit/96-kHz-LPCM-Ton muss man anscheinend auch verzichten. Unser Testgerät produzierte bei den entsprechenden Musik-DVDs jedenfalls in unregelmäßigen Abständen Aussetzer. Auf die gewöhnliche DVD-Wiedergabe wirken sich diese Einschränkungen nicht aus. Wer auch US-DVDs anschauen will, wird aber enttäuscht sein, dass die deutsche Verkaufsversion der PS2 nach Aussagen des Sony-Sprechers als reines Euro-Modell nicht nur einen Regionalcode hat, sondern überhaupt keine NTSC-Scheiben abspielen kann. Bleibt die Hoffnung, dass der entsprechende Part der Elektronik lediglich abgeschaltet wurde und findige Techniker diesen ‘Mangel’ beheben.

Eine echte Zumutung ist die Steuerung der DVD-Wiedergabe über den Controller, mit dem sich der Benutzer durch ein On-Screen-Display hangeln muss. Die Anschaffung einer Fernbedienung, die Drittanbieter für 40 bis 60 Mark im Programm haben, ist daher dringend anzuraten.

Mehr zur Playstation 2 lesen Sie in der aktuellen c't. (nij)