Prozessorgeflüster

AMD hat erst einer gewissen Spannung den Pentium 4 abgewartet und jetzt - nach Kenntnis der ersten vorab durchgetunnelten Performance-Werte - Entwarnung gegeben. Und Transmeta geht nun offenbar mit vollem Einsatz an den Start, um mit Hilfe vieler Partner die Intel-Leitkultur anzukratzen.

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Von
  • Andreas Stiller
Inhaltsverzeichnis

Es bedarf gar keines schnelleren Mustang-Renners mit großen und teuren L2-Caches, um der neuen Intel-Generation - zunächst jedenfalls - Paroli bieten zu können: Der alte Athlon-Ackergaul im rasanten DDR-Gespann reicht in vielen Fällen dazu auch aus. Und so hat AMD mal eben die Roadmap für die Pferdezucht geändert und die wilden Mustangs ganz ausgesondert.

Allerdings stehen andere Pferdchen im Stall, nämlich der wegen seiner Farbe so berühmte Palomino - mit goldglänzendem Fell und weißem Kopf sowie Schweif - und das etwas kleinere Morgan Horse, dem man Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und angenehmen Charakter zuschreibt. Beide sollen den neuen Athlon-Kern besitzen, der auch für Mustang vorgesehen war. Von Palomino, der vermutlich mit nur 256 KByte einen deutlich kleineren L2-Cache besitzt als derjenige des dereinst für Mustang vorgesehene mit 1 MByte, wird es gemäß Roadmap sowohl eine Desktop- als auch eine Mobile-Version geben (also mit und ohne PowerNow!). Das Gleiche gilt für den Morgan, der Duron und K6-2+/III+ sowohl in Desktop als auch in Notebooks nachfolgen soll.

Erste Musterfohlen des Palomino (mit mehr als 1,2 GHz) hat AMD noch für dieses Jahr angekündigt, der Morgan (Über 800 MHz) soll ein Quartal später folgen. Im ersten Quartal 2001 will AMD den Palomino in großen Herden ausliefern. Für Juli 2001 sind 1,7 GHz fest eingeplant. Zusammen mit dem nun aufs erste Halbjahr 2001 verschobenen Multiprozessor-Chipsatz 760MP will AMD endlich den Fuß ins Servergeschäft bekommen.

In ihrem Performancevergleich (auf welcher Basis auch immer) hat AMD immer die Nase vor Intels Pentium 4.

Palomino und Morgan werden noch im 0,18-µm-Prozess gezeugt, der Shrink auf 0,13 µm soll dann knapp ein Jahr später noch sprintfreudigere Pferdchen ermöglichen: der von original englischen Ahnen abstammende Vollblüter Thoroughbred und, als Nachfolger für das Morgan Horse, der aus vielen Western so bekannte Schecke Appaloosa. Zu der Zeit sollen aber auch die ersten 64-Bit-Hammer fertig sein, für Desktops und kleinere Server ist der Tischlerhammer (ClawHammer) gedacht. Für die großen Server mit vier bis acht Prozessoren schlägt der Vorschlaghammer (SledgeHammer) zu.

Intel will sich aber nicht so schnell die Butter vom Züchterbrot nehmen lassen und schon etwas früher mit 0,13 µm loslegen (s. c't 24/2000, S. 30). Derweil hat der Markführer erst einmal im Low-Cost-Segment nachgezogen und zwei neue Celerons (733 und 766 MHz ) vorgestellt - just zu genau den Preisen der klar schnelleren Durons des Konkurrenten AMD mit 750 und 800 MHz (112 respektive 170 US-$).

Mit dem High-End lässt sich Intel hingegen sehr viel Zeit: das 64-Bit-Debüt erfolgt nicht mit einem Donnerschlag, sondern schleichend als so genannter ‘Rolling Thunder’. Derzeit wird der aktuelle B3-Stepping in Pilotsystemen an ausgewählte Kunden geliefert. Das europäische Forschungszentrum Cern gehört dazu, hier sollen Itanium-Systeme die nächste Beschleunigungsanlage simulieren - und vielleicht schon mal spekulativ nach Higgs-Teilchen suchen. Intel hofft, dass sich der B3-Step als ‘final’ erweist, was den vorgesehenen Plattform-Launch irgendwann im ersten Halbjahr 2001 vielleicht aufs erste Quartal fixieren könnte.

64-Bit-Prozessoren will jetzt auch Infineon herstellen für den Einsatz in LAN-Switches und IDAs (Integrated Access Devices). Das deutsche Halbleiterhaus, das just mit einer makellosen Bilanz das Geschäftsjahr 2000 abgeschlossen hat (mit 7,28 Milliarden o Jahresumsatz und 1,13 Milliarden o Gewinn), nahm nun den 64-Bit-Core 5Kc von Mips in Lizenz. Während andere mit ihren 64-Bit-Prozessoren erst noch debütieren wollen, ist Mips ein alter 64-Bit-Igel, der seit fast zehn Jahren rufen kann: Ich bin schon da! Im vorigen Jahr brachte die inzwischen wieder selbstständige IP-Schmiede den stromsparenden 5Kc-Core mit einer Leistung von 450 MIPS heraus.

Bewegte Wochen hat Transmeta hinter sich. Mit einem furiosen Auftritt startete der Neuling (‘Fury...’) in die Rennsaison des amerikanischen Hightech-Turfs Nasdaq: der Kurs der Aktie stieg vom Zeichnungswert 21 $ am ersten ‘Renntag’ schnell auf 50 $, um in den darauf folgenden Tagen auf etwa 35 $ zurückzufallen. Ursprünglich ging Transmeta nur von einem Zeichnungswert von 11 bis 13 $ aus, da hat sich also bis zum IPO (Initial Public Offer) der Firmenwert schon nahezu verdoppelt. Bislang sind aber nur 10 % der Aktien im freien Handel.

Herausragende News von der Comdex dürften, denn nun hat auch Microsoft einen Crusoe-bestückten ‘Tablet PC’ vorgestellt. Vorher schon präsentierten AOL und Gateway ihr Gegenstück, den Touch Pad, der Öffentlichkeit - natürlich ebenfalls mit dem modischen Crusoe. Damit ihnen Bill Gates in seiner Eröffnungsrede zur Comdex nicht die Schau stiehlt, haben die beiden Partner schnell die Vorstellung ihres Surfterminals um ein paar Tage vorgezogen.

Aber nicht nur das: Auch die amerikanische Armee hat vor, den waffenerfahrenen Crusoe in ‘wearable PCs’ bei der Militärpolizei einzusetzen. Na ja, vielleicht hätte man solch wearable PCs schon mal in Florida für die Wahlauswertung testweise einsetzen sollen - oder hat man das etwa?

IBM, Compaq und Toshiba betonen unisono, dass sie weiterhin den Einsatz des Transmeta-Chips evaluieren und dementieren damit anderslautende Presseberichte. Hinzugekommen in die Unterstützergemeinde ist nun auch Casio, der große japanische Hersteller von Taschenrechnern und Pocket-PCs mit dem Cassiopeia Fiva. Und zuvor hat auch schon Hitachi - wie angekündigt - das Notebook Flora 220TX (wahlweise mit TM5400 oder TM5600 Prozessor) herausgebracht.

Selbst wenn Crusoe nicht schneller ist als die Konkurrenz und auch nicht arg viel weniger Strom verbraucht - offenbar ist er einfach schick. Und vielleicht werden ja Modefaktoren im PC-Business in Zukunft wichtiger werden als nackte Performance, das könnte Intel und Co. noch den einen oder anderen Strich durch die Rechnung machen. (as) (as)