Des Pentiums neue Kleider

Der Pentium 4 markiert nicht nur eine einschneidende Änderung in Intels Prozessorarchitektur, er zwingt auch Systemanbieter sowie Gehäuse- und Netzteilproduzenten zu teilweise drastischen Modifikationen an ihren Produkten.

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Von
  • Georg Schnurer
Inhaltsverzeichnis

Intels Pentium 4 sieht zwar auf den ersten Blick wie ein normaler Prozessor im Sockel-Format aus. Wer sich die Design-Richtlinien genauer ansieht, wird aber schnell feststellen, dass er nicht nur einen neuen Prozessorsockel und damit ein neues Mainboard benötigt: Intels neue CPU verbrät mehr als 55 Watt. Um die dabei auftretende Verlustwärme loszuwerden, ist ein riesiger Kühlkörper erforderlich.

Würde man diesen wie bislang üblich einfach am CPU-Sockel festklemmen, so könnte es passieren, dass sich der Kühler beim Transport löst oder schlimmer noch: Er könnte den gesamten Prozessorsockel aus dem Board reißen und dieses damit unwiederbringlich zerstören.

Um eine sichere Befestigungsmöglichkeit zu schaffen, sieht Intel nun vier zusätzliche Löcher rund um die CPU vor, durch welche der Kühlkörperhalter (Retention-Modul) direkt mit dem PC-Gehäuse verschraubt wird. Entsprechende Verschraubungen gibt es bei bestehenden ATX-Gehäusen noch nicht. Für ein Pentium-4-System ist also ein neues Blechkleid oder zumindest ein neuer Boardträger fällig.

Die Befestigung des Kühlers am Sockel überlässt man nun auch nicht mehr dem Kühlkörperhersteller: Zum Retention-Modul gehören zwei Metallbügel, die den Kühlklotz mit der notwendigen Kraft auf den Prozessor drücken.

Um das empfindliche CPU-Die vor Beschädigung zu schützen, besitzt der Prozessor eine Metallkappe. Diese vergrößert auch noch die Kontaktfläche zum Kühlkörper und sorgt so für einen besseren Wärmeübergang. Probleme, wie es sie bei den ersten Sockel-Athlons aber auch bei den ersten Pentium-III-Modellen im Sockelformat gab, sollen so vermieden werden.

Damit jedes Pentium-4-Board auch wirklich in die neuen ATX-Gehäuse passt, müssten sich sowohl die Board- als auch die Gehäusehersteller an die entsprechende Intel-Spezifikation (ATX 2.03P1 [1]) halten. Diese legt die Position und Orientierung des Prozessors auf der ATX-Platine exakt fest (siehe [[bild_url1] Grafik]).

Wie die ersten Pentium-4-Boards deutlich zeigen, folgt aber längst nicht jeder Hersteller Intels Richtlinien. Asus etwa will die CPU nicht an den Platinenrand setzen. Die Leiterbahnen zwischen CPU, Chipsatz und Hauptspeicher lassen sich besser verlegen, teilte man uns mit, wenn der Prozessor etwas weiter in der Boardmitte liegt. Der Hersteller liefert das WMTA-Board deshalb mit einem unter der Leiterplatte sitzenden Zusatzblech aus, auf dem die Platine und der Kühler festen Halt finden sollen.

Damit das Ganze in übliche ATX-Gehäuse passt, ersetzt der Träger die sonst verwendeten Plastik- beziehungsweise Metallabstandsnippel. Bei Gehäusen mit vernieteten oder eingeprägten Abstandshaltern funktioniert das freilich nicht. Wer also ein entsprechendes Gehäuse verwenden will, tut gut daran, sich vorher darüber zu informieren, welches Pentium-4-Board dort überhaupt hinein passt.

Eigene Wege geht auch so mancher Systemhersteller. Fujitsu-Siemens, der als einziger Hersteller in der Lage war, uns zur Einführung von Intels neuer CPU ein Prototyp-System zur Verfügung zu stellen, weicht beim aktuellen Pentium-4-Board D1192 leicht von der vorgesehenen CPU-Platzierung ab.

In den Scenic-L-Systemen wird ein leichterer Kühlkörper verwendet, der das Board nicht allzu sehr belastet. Zudem sorgt eine aufwändige Luftführung dafür, dass es auch ohne großen Lüfter nicht zur Überhitzung des Prozessors kommt.

Für höhergetaktete Pentium-4-Prozessoren bieten sich Kühlkörper mit Kupferplatte an, wie sie etwa EKL im Programm hat. Allerdings sind diese recht schwer und sollten deshalb vorsichtshalber nur bei Systemen mit verschraubter Kühlerhalterung zum Einsatz kommen. Andernfalls riskiert man bei ruppigen Transporten Schäden am Mainboard.

Damit der Halter für den schweren Pentium-4-Kühler wirklich fest sitzt, soll er mit dem Gehäuse verschraubt werden. Entsprechende Bohrungen sieht die ATX-Version 2.03P1 vor.

Für Pentium-4-Modelle mit Taktraten jenseits von 1,6 GHz schreibt Intel explizit eine Erdung des Kühlkörpers vor, um die EMV-Eigenschaften des Systems zu verbessern. Hierzu müssen die Boardhersteller ‘Ground-Pads’ rund um die vier Befestigungslöcher für den CPU-Halter vorsehen. Den Kontakt zum Kühlkörper stellt ein so genannter EMI Ground Frame, ein speziell gestanztes Blech, her. Dieses gehört allerdings im Gegensatz zum Kühlerhalter selbst nicht zum Pflichtlieferumfang der ersten Boards. Erst wenn höhere Frequenzen erreicht werden, sollen die Boardhersteller die Bleche mitliefern. Bleibt nur zu hoffen, dass Käufer der ersten Platinen die Kontaktbleche dann bei Bedarf noch nachordern können.

Der erhöhte Energieverbrauch des Pentium 4 stellt natürlich auch das Netzteil und die Spannungsregler auf dem Board vor neue Probleme. Als Beitrag zu deren Lösung hat Intel vorgesehen, dass die Schaltregler künftig aus dem 12-Volt-Strang des Netzteils, statt wie bislang üblich aus der 5- beziehungsweise 3,3-Volt-Leitung versorgt werden. Er soll mindestens 10 A und maximal 12 A liefern, was über den einsamen Kontakt im klassischen ATX-Netzteilstecker natürlich nicht mehr zu machen ist. Also kreierte Intel die ATX12V-Spezifikation [1], die einen zusätzlichen vierpoligen Stecker beinhaltet, über den die Spannungsregler direkt Anschluss zum Netzteil bekommen.

Neben diesem 12-Volt-Stecker benötigen die bislang von uns geprüften Pentium-4-Boards noch einen zusätzlichen sechspoligen Stecker, der zwei 3,3-Volt-, eine 5-Volt- und drei Masseleitungen zur Platine führt. Dieser Stecker ist ebenso bereits Bestandteil der aktuel-len ATX-Netzteil-Spezifikation (Version 2.03) wie die auf 1,5 A erhöhte Leistung des 5-Volt-Standby-Anschlusses.

Ein typisches Pentium-4-Netzteil sollte gemäß Intel-Empfehlung eine Gesamtleistung zwischen 200 und 300 Watt bieten. Damit das gute Stück dann auch in Europa verkauft werden darf, ist ab Januar nächsten Jahres noch eine so genannte Power-Faktor-Korrektur notwendig, die dafür sorgt, dass das Netzteil Strom und Spannung auf der Netzseite halbwegs in Phase hält.

Das Pentium-4-System, das uns Intel zu Testzwecken zur Verfügung stellte, glänzte mit einem schmucken Gehäuse von Cooler Master, das noch nicht die zusätzlichen Befestigungspunkte für den Kühlerhalter aufwies. Diese Version sei noch in Arbeit, teilte der Hersteller mit. Immerhin konnte uns Intel mit einem der raren ATX-12V-Netzteile aus dem Hause Delta Electronics (Modell DPS-300KB-1A) versorgen. Pentium-4-geeignete Spannungsversorgungen soll es unterdessen auch bei Astec geben.

Wer sich nun angesichts der recht umfangreichen Änderungen an Gehäuse, Netzteil und Board über Intel mokiert, sollte einmal darüber nachdenken, was passiert, wenn entsprechende Vorkehrungen nicht getroffen werden. Ein gutes (schlechtes) Beispiel ist hier AMD: obwohl der aktuelle Athlon kaum weniger Energie verbraucht als der Pentium 4, überlässt es der Hersteller den Boardproduzenten, hier geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Einen festen Halt für den CPU-Kühler hat so kaum ein Hersteller vorgesehen. Alle verlassen sich mehr oder weniger darauf, dass die kleinen Nippel am CPU-Sockel die Kühlklötze schon halten werden. Ähnlich sieht es beim Netzteil aus. Hier beschränkt man sich auf die Erstellung einer Kompatibilitätsliste, statt sich zu überlegen, wie man das Problem des erhöhten Energiebedarfs der schnellen Athlon-Modelle grundlegend angehen könnte. (gs)

[1] www.teleport.com/~ffsupprt/ (gs)