Transrapid-Gutachten manipuliert?

Die Metrorapid-Machbarkeitsstudie ist unter Beschuss: Ein freier Journalist fand anhand der heruntergeladenen Kurzfassung heraus, dass wesentliche Textpassagen kurz vor der Veröffentlichung gelöscht wurden.

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Von
  • Holger Bleich

Klaus Lohmann traute seinen Augen nicht: Als der Journalist eine Kurzfassung der Machbarkeitsstudie zum Transrapid-Projekt vom NRW-Verkehrsministerium heruntergeladen und in Word geöffnet hatte, konnte er ohne Probleme eigentlich gelöschte Passagen im Text wieder sichtbar machen. Ein Mitarbeiter des zuständigen Gutachter-Büros hatte kurz vor der Veröffentlichung des Dokuments wesentliche Zahlen geändert und negative Anmerkungen seiner Kollegen zur Umweltbelastung durch die geplante NRW-Transrapidstrecke einfach gestrichen.

So wurden beispielsweise aus 172 plötzlich 192 Stehplätze pro Zug. ‘Große Trassenabschnitte verlaufen durch Landschaftsschutzgebiete und regionale Grünzüge’, haben die Autoren der ursprünglichen Version angemerkt - offenbar war das zu kritisch, auch diese Passage wurde gelöscht. All diese Streichungen konnte der Journalist mit der Word-Option ‘Änderungen verfolgen’ auf den Monitor zurückzaubern. Er erinnerte sich an einen c't-Artikel (c't 3/02, S. 172), in dem beschrieben wurde, welche mitunter heiklen Meta-Informationen Office-Programme in Dokumenten verstecken, ohne dass die Nutzer etwas davon ahnen.

Die Süddeutsche Zeitung verarbeitete den Fund zu einer handfesten Skandal-Story und brachte die teuer vom Bund bezahlten Gutachter in akuten Erklärungsnotstand. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz bezeichnete Günter Scherrer vom zuständigen Ingenieur-büro Spiekermann die Veränderungen als ‘normale Schluss-redaktion’. Man habe versehentlich die Zahlen des Bayern-Metrorapid-Projekts eins zu eins zum NRW-Rapid übertragen. Einige Bemerkungen zu erwarteten Umweltbeeinträchtigungen habe man gestrichen, weil sie ‘zu pauschal’ gewesen seien.

Vorab erhielt die Presse eine andere Kurzfassung der Studie, in der die unkorrigierten Zahlen zu finden sind. Dem NRW-Landesparlament wurde diejenige mit den neuen Zahlen vorgelegt. In NRW bestreitet das Verkehrsministerium, mit schöngerechneten Zahlen zu arbeiten: Man habe in gutem Glauben eine Endfassung vom Bundesministerium bekommen ‘und sie ins Internet gestellt’, erklärte ein Sprecher des Ministeriums.

Auch Wolfgang Dörrius, Magnetbahnbeauftragter im Bundesverkehrsministerium und damit Projektleiter der ganzen Studienphase, wiegelte ab. Es gebe beim Controlling einer solchen Studie eben ‘durchaus Übertragungsfehler, weil verschiedene Gutachter daran gearbeitet haben. Das heißt nicht, dass da etwas geglättet wird, das sind einfach Verwerfungen, die durch das Zusammenspiel und die Hektik in der Schlussphase bei den Gutachtern reingekommen sind.’

Der Fall belegt eindrucksvoll, welche Folgen ein sorgloser Umgang mit Textverarbeitungsprogrammen im Workflow haben kann. Selbst wenn keine Manipulation vorlag, so hat das Word-Dokument die Glaubwürdigkeit der Machbarkeitsstudie erschüttert. ‘Eine schöngerechnete und manipulierte Machbarkeitsstudie ist keine Grundlage, um eine seriöse Entscheidung zu treffen’, sagte etwa der Chef der CDU-Landtagsfraktion Jürgen Rüttgers. Aus dem Umfeld von NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement verlautete, der Regierungschef sei wegen der Panne ‘stinksauer’ gewesen. (hob) (hob)