Kuschel-Spam

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dorothee Wiegand

Kuschel-Spam

Es ist jeden Morgen dasselbe: zu spät aus dem Bett, zu spät im Büro. Während ich lang-sam zu mir komme, schaue ich meine Mails durch. Das finde ich immer noch spannend. Vielleicht hat ja eine alte Jugendliebe meine Adresse aufgespürt und mir geschrieben? Das wärs doch jetzt: eine richtig nette Mail, nur für mich geschrieben, ganz persönlich.

Ein Blick über die Betreffzeilen macht den Träumen ein Ende: Hersteller X stellt Produkt Y vor, der Newsletter zum Thema Z erscheint jetzt jede Woche, die Chefredaktion mahnt die überfälligen Artikel an - das Übliche halt. Und dann noch diese blöden Spam-Mails, die Penisverlängerungen, Wunderpillen und heißen Sex offerieren. Man sieht die schmierigen Geschäftemacher förmlich vor sich, im lila Cabrio sitzend, mit Goldkettchen um den Hals. Doch halt, was war das? "Weißt du, wie lieb ich dich habe?" Nein, würde ich aber gern mal hören.

"Jemand möchte dich kennen lernen!" Wer solche zarten Zeilen textet, betrachtet die Welt doch sicher aus großen Augen, etwas verwirrt zwar, aber herzensgut, leicht bekleidet vielleicht, aber dafür umso schutzbedürftiger ... Ja, fallen denn erwachsene Menschen wirklich auf so was rein? Fühlt sich tatsächlich irgendwer angerührt von dieser neuen Masche? Mir jedenfalls ist sonnenklar, dass dahinter dieselben finsteren Gestalten stecken wie bisher.

Was kann man gegen die Mailbelästigung tun? Politisch Korrekte engagieren sich in der Anti-Spam-Bewegung. Leute, die für oder gegen alles ein Programm schreiben, feintunen auch ihre Spam-Filter mit Hingabe täglich neu. Da müssen jetzt auch Wörter wie "lieb" und "kennen lernen" mit auf den Index. Aber ist das nicht riskant? Es könnte doch sein, dass auch die eine wundervolle, höchst persönliche Mail dabei ungelesen im Papierkorb landet.

Und überhaupt: Ganz genau muss man da festlegen, welche Mails gefiltert werden sollen. "Löschen, wenn mein Name nicht im An- oder CC-Feld steht, es sei denn, der Absender heißt Soundso oder aber die Nachricht wurde zwischen 18 und 19 Uhr verschickt". Ehrlich gesagt, für so was habe ich keine Zeit.

Die tägliche Portion Spam lösche ich schneller von Hand. Ob die Betreffzeile nun auffallend viele Großbuchstaben enthält, ob ein merkwürdiger Absender, unmotivierte Ziffernfolgen oder eingestreute Leerzeichen auf Spam hindeuten, alles wird sofort entsorgt. "Weißt du, wie lieb ich dich habe?" - nein, so was lässt mich kalt.

Allerdings ... wenn da eines Morgens stehen würde "Jemand möchte Deine Wohnung für Dich staubsaugen", "Weißt du, wie gern ich deinen Müll runterbringe?" oder "Lass mich deine Steuererklärung machen" - also, ich weiß nicht, ob ich da nicht doch mal draufklicken würde.

Dorothee Wiegand (th)