Spielstände

Auf der ersten Video- und Computerspielemesse in Deutschland waren fast alle Entwickler und Publisher vertreten. Bis auf wenige Ausnahmen zeigten sie auf der Games Convention (GC) ihre Spiele für alle aktuellen Systeme wie PC, Playstation 2 (PS2), GameCube und Xbox; darunter viele Europa- und sogar Weltpremieren. Firmen, die Entwickler ausbilden, informierten Interessierte über ihre Kurse.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • David Adamczewski
  • Nico Nowarra
Inhaltsverzeichnis

Noch bevor sich am 29. 8. die gläsernen Messetore der Hallen 2 und 3 in Leipzig für die Besucher öffneten, läuteten Sony Computer Entertainment Europe (SCE) und Microsoft eine neue Runde im Preiskampf der Konsolen ein: Sie senkten den Preis für die Playstation 2 und Xbox gleichermaßen auf 250 Euro. Nintendos GameCube kostet hingegen unverändert 150 Euro. Während sich Sony somit zum Verkauf der einmillionsten PS2 in Deutschland bis Ende August gewappnet sieht, hofft die Konkurrenz aus Redmond, langfristig zur Nummer zwei der Konsolenhersteller zu avancieren. Ob dieses Vorhaben realistisch ist, lässt sich schwer beurteilen. Microsofts strikte Unternehmenspolitik verhindert, dass konkrete Verkaufszahlen nach außen gelangen.

Wer wegen der Preissenkungen bereits mit dem Kauf einer Konsole liebäugelte, um sich sogleich online mit anderen zu messen, wurde jedoch erneut vertröstet. Weder Sony noch Microsoft gaben einen Starttermin für ihre Online-Spieledienste oder konkrete Preisvorstellungen für die Mitgliedschaft bekannt. Nintendo war auf der Messe erst überhaupt nicht erschienen. Hans Stettmeier, bei Microsoft Deutschland zuständig für den Bereich Home und Retail, wagte eine vorsichtige Prognose. ‘Wenn die noch 2002 beginnende Pilotphase problemlos verläuft, werden wir im kommenden Frühjahr Xbox Live für Kunden mit Breitband-Internetanschluss anbieten’. Sony-Sprecherin Alexandra Wankum verwies gegenüber c't darauf, dass SCE erst im Oktober nähere Details zum PS2-Onlineservice bekannt geben wolle.

Die beinahe uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Messebesucher, von denen die meisten zwischen 13 und 25 Jahren alt gewesen sein dürften, galt den zahlreichen europäischen und deutschen Spielepremieren. Nicht zu überhören war Acclaims Dinoabenteuer Turok Evolution (PS2, Xbox, GameCube). In der schicken, aber tropisch warmen Glashalle, die beide GC-Hallen miteinander verband, dröhnte aus riesigen Boxen das Grollen von Dinosauriern. Dass diese Urzeit-Ungetüme zumindest virtuell noch längst nicht ausgestorben sind und Indianer zum Frühstück bevorzugen, wurde Besuchern des Acclaim-Standes schnell klar. Die ungeschnittene englische Version zeigten die Konsolenspezialisten jedoch nur in einem für Minderjährige abgeschotteten Raum. Aber auch die spielbaren Versionen des Action-Adventures Vexx (PS2, Xbox, GameCube) und des Arcade-Renntitels Burnout 2 (PS2) lockten die Fans an den Acclaim-Stand.

Eine seit Jahren erfolgreiche Rennspielserie soll mit Colin McRae Rally 2003 neue Verkaufserfolge feiern. Der Spieler steuert in der Meisterschaft neuerdings immer Rennfahrer Colin McRae. Somit entfällt die Wahl eines Charakters oder eines eigenen Namens. Gern verweist Codemasters auch auf den gesteigerten Realismus im Detail: Fahrer, die ihren Wagen gegen Leitplanken drücken und dabei einen Seitenspiegel ruinieren, müssen das Rennen mit einem Spiegel zu Ende fahren. Die Besucher am Stand sahen jedoch nicht unbedingt eine gelungene Europapremiere. Die aufgestellten Xbox- und PS2-Konsolen verschluckten sich offenbar an dem erst zu 60 Prozent fertig gestellten Titel. Auf ihnen war lediglich ein stehendes Bild zu sehen.

Stabil lief IGI 2: Covert Strike (PC); leider fehlte hier aber noch der von den Fans geforderte Mehrspielermodus. Überzeugen konnte man sich bereits von der originellen Speicherfunktion, die in den Spielverlauf integriert ist: Der Protagonist David Jones trägt die Speicheroption in Form eines virtuellen Notebooks bei sich, das bei jedem Zugriff wertvolle Energie verbraucht. Codemasters glaubt, dass der Shooter wegen der zwar nicht bequemen, dafür aber pfiffigen Einschränkung die Fans weder unter- noch überfordert.

Der nach eigenen Angaben im weltweiten PC-Spielegeschäft führende Publisher Electronic Arts präsentierte sein einziges Spiel aus Deutschland: das schon jahrelang vom Entwickler Sunflowers angekündigte Anno 1503. Die spielbare Version war genauso ein Publikumsmagnet wie der PC-Strategietitel Command & Conquer Generals und die Aufbau-Simulation Sim-City 4. Die Mehrspielerdemo des PC-Onlinetitels Battlefield 1942 gab es jedoch nur am Stand des Internet-Spiele-Magazins Krawall.de zu sehen, das die offiziellen Server betreibt. Selbst abends nach Messeschluss bekämpften sich dort noch Interessierte zu Lande, Wasser und in der Luft.

Gekämpft wurde auch bei der im Rahmen der Games Convention ausgetragenen deutschen Endausscheidung zu den World Cyber Games. Diese Olympiade der Computerathleten findet zum zweiten Mal in Korea statt. Vom 28. 10. bis zum 3. 11. 2002 treffen Spieler aus 50 Ländern zusammen und wetteifern um insgesamt 300 000 US-Dollar. 2000 Teilnehmer hatten sich für die diesjährigen Cyber Games beworben, wobei die 136 Besten in den Disziplinen Age of Kings, CounterStrike, FIFA WM 2002 und Starcraft: Brood Wars nach Leipzig eingeladen wurden. Das Regelwerk ist jedoch wie beim realen Sport knallhart: In den meisten Ligen fliegen nur die ersten drei Spieler nach Korea.

Dass Microsoft neben dem Xbox- auch das PC-Spiele-Geschäft gleichberechtigt weiterführen will, machten die Redmonder anhand einer Präsentation ihrer Strategie-Hoffnung Age of Mythology (AOM) deutlich. In den Räumlichkeiten des Völkerschlacht-Denkmals demonstrierte Bruce Shelley von den Ensemble Studios (Age of Empires) erstmals den mit vielen Vorschusslorbeeren versehenen Titel, der noch im Herbst dieses Jahres erscheinen soll. Zwar überzeugt AOM durch allerlei mächtige Götterzauber und an die griechische Mythologie angelehnte Wesen, dennoch ist eine Ähnlichkeit zu Age of Empire 2: The Age of Kings offensichtlich. So scheint es, als hätten die Entwickler die Sounds aus Age of Kings unverändert übernommen. Grafisch gibts jedoch nichts zu meckern: Schon die hübsch anzusehende Brandung, die am Strand ihre Spuren hinterlässt, weckt Erwartungen.

Das niederländische Studio Davilex fuhr auf der GC gleich mit drei Weltpremieren vor. Wie erwartet kündigte der Entwickler den vierten Teil der Autobahn-Raser-Serie an, der offenbar erneut weniger durch detaillierte Grafik als durch einen niedrigen Preis (20 Euro für die PC-Version) überzeugen soll. Während RTL in Deutschland alle 88 Folgen der TV-Serie Knight Rider erneut ausstrahlt, kündigten die Niederländer das gleichnamige PC- und PS2-Spiel an. Der gezeigte Trailer vermittelte einen kleinen Einblick in die Spielewelt: Als Michael steuert man das Wunderauto K.I.T.T der 80er-Jahre und rettet dank Turbo Boost die Welt. Ebenfalls erstmals vorgestellt hat Davilex das Spiel zur 80er-Jahre-Krimiserie Miami Vice für den PC und die PS2. Konkrete Details zum für Ende 2003 geplanten Titel sollen bald folgen.

Infogrames war auf den ersten Blick nirgends auf der Games Convention auszumachen. Nur wer wusste, dass die Franzosen durch die Übernahme von Hasbro Interactive im Besitz der Atari-Lizenz sind, erkannte in dem komplett im Atari-Look eingerichteten Stand die Messepräsenz von Infogrames. Großen Anklang fand dort der PS2-Titel Stuntman bei den Besuchern. Beim Actionspiel des Driver-Entwicklers Reflections ist der Name Programm: Stuntfilme, in denen Kotflügel italienischer Edelkarossen durch die Luft wirbeln, müssen hier vom Spieler spektakulär in Szene gesetzt werden. Von den angekündigten Spielumsetzungen der Kinofilme Matrix 2 und Terminator 3 und 4 gab es noch nichts zu sehen.

Eine Ausweitung des klassischen Multimedia-Sinnesspektrums verspricht der Sniffman von ComScent, der bei Infogrames zu sehen war. Der Sniffman, äußerlich nur ein kleines unscheinbares Kästchen, soll in Zukunft die Welt riechbar machen. Stellen detaillierte Grafik, räumlicher Sound und weiche Animation nur Verbesserungen von bereits Gehabtem dar, so bringen Düfte als zusätzliche Sinneseindrücke tatsächlich einen völlig neuartigen Aspekt in Computerspiele hinein. Das Intro der speziellen Messedemo zu Neverwinter Nights wurde bereits durch Gerüche aufgepeppt. So duftet es im Wald nach Nadelgehölz und Szenen, in denen ein Schwert geschmiedet wird, bekommen eine Note von glühender Kohle. Die Hardware soll jedoch leider erst im kommenden Jahr ausgeliefert werden.

Daran, dass es Computerunterhaltung nicht erst seit gestern gibt, erinnert das Computerspiele-Museum. Die privaten Veranstalter stellten auf der GC eine kleine Auswahl dessen aus, was Besucher normalerweise in Berlin zu sehen bekommen. Doch dort kämpft der Initiator seit 2000 mit dem Senat um neue Räumlichkeiten, wodurch die komplette Ausstellung nicht gezeigt werden kann. Wann die Sammlung an Hard- und Software von den 70er Jahren bis heute wieder regelmäßig zu sehen ist, steht nicht fest.

Obwohl die Spielebranche laut VUD Jahr für Jahr starke Umsatzzuwächse verbuchen kann, ist der Bedarf an speziell ausgebildeten Game Designern derzeit eher verhalten. Dies stellen Thomas Dlugaiczyk, Gründer der Games Academy, und Stephan Reichart, Seminarleiter der IT-Akademie, fest. Dennoch starten beide Institute noch in diesem Jahr je ein neues Seminar, jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. So will die IT-Akademie ihren Kursteilnehmern primär vermitteln, wie man Spieleprodukte konzipiert. ‘Dass der Absolvent dabei auch Leveldesign und Programmierung in C++ lernt, wird ihm später helfen, den zu bewältigenden Aufwand eines Projektes genau einzuschätzen’, weiß Reichart. Dlugaiczyk bildet seine Kursteilnehmer direkt auf das Erstellen von Leveldesigns aus.

Nach Darstellung der Veranstalter und Aussteller war die Games Convention ein voller Erfolg. Mit rund 80.000 Besuchern zählte die Messeleitung exakt so viele Interessierte, wie der VUD zuvor vorsichtig prognostiziert hatte. Angesichts der zahlreichen Europa- und Deutschland-Premieren dürften aber auch die Besucher zufrieden sein. (daa) (ole)