Lohnt sich IT-Selbstständigkeit?

Das Interesse an Selbstständigkeit hat zugenommen, während Stellenangebote auch in der IT rar geworden sind. Aber ist das Arbeiten auf eigene Rechnung wirklich eine Alternative?

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Von
  • Dr. Claus Becher
  • Dr. Thomas Bürkle
Inhaltsverzeichnis

Der IT-Boom der vergangenen Jahre war durch eine starke Nachfrage nach IT-Arbeitskräften und -Dienstleistungen gekennzeichnet. Seit einiger Zeit hat die schlechte konjunkturelle Lage auch den Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte erreicht. Dieser hat sich inzwischen analog zum restlichen Arbeitsmarkt in einen „Käufermarkt“ umgewandelt: Nach den Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit konkurrierten Ende 2002 um nur noch 14 gemeldete Stellen 100 Bewerber - die Zahl der selbstständig Tätigen steigt dafür in letzter Zeit spürbar an [1|#literatur].

Angesichts dieser veränderten Rahmenbedingungen stellt sich für Selbstständige, Berufseinsteiger und fest angestellte IT-Spezialisten nun die Frage, ob sich die Selbstständigkeit lohnt. Ob sie eine interessante Alternative zu einer abhängigen Erwerbstätigkeit in dieser Branche ist, lässt sich allein anhand finanzieller Gesichtspunkte, ohne die individuelle Situation der jeweiligen IT-Spezialisten zu kennen, aber nicht beantworten.

Altersstruktur der Selbstständigen
Die meisten Teilnehmer arbeiteten freiberuflich.

Schließlich spielen bei der Entscheidung für oder gegen Selbstständigkeit auch Gesichtspunkte wie größere individuelle Freiräume oder eine eigene Einteilung der Arbeitszeit eine Rolle. Der finanzielle Aspekt ist jedoch für viele ITler ein entscheidender [2|#literatur]. Mit der c't-Umfrage „Lohnt sich die IT-Selbstständigkeit?“ wollen wir einen Eindruck von den finanziellen Aspekten sowie den Chancen und Risiken der Selbstständigkeit in der IT-Branche im Jahr 2002 liefern.

Die im September 2003 durchgeführte Online-Umfrage für IT-Selbstständige aus Deutschland, Österreich und der Schweiz war nach Anmeldung auf der c't-Website für jeden zugänglich. Insgesamt erfolgten 1450 gültige Beantwortungen der Fragebögen, davon 1347 aus Deutschland, 62 aus Österreich und 41 aus der Schweiz. Gemäß einer Schätzung des statistischen Bundesamtes waren im April 2001 ungefähr 50 000 Personen in Deutschland der Gruppe der IT-Selbstständigen zuzurechnen. Vollständige Daten über deren Alter, Geschlecht und Ausbildungsniveau liegen dabei aber nicht vor, sodass offen bleibt, ob die Teilnehmer der Umfrage die Zusammensetzung der Selbstständigen insgesamt widerspiegeln.

Vergleicht man die Umfrageteilnehmer hinsichtlich Alter, Geschlecht und Tätigkeit aber mit anderen Erhebungen über IT-Selbstständige, so ergeben sich weit gehende Übereinstimmungen bei diesen Eigenschaften. Für Deutschland kommt auch noch eine relativ hohe Beteiligung hinzu, sodass zumindest die Ergebnisse aus diesem Land immerhin als aussagekräftig erscheinen.

Dies gilt wegen der lediglich geringen Fallzahlen für Österreich und die Schweiz nur bedingt, sodass für diese Länder eine differenziertere Auswertung nicht möglich war. Jedoch kann selbst dort zumindest ein Eindruck davon vermittelt werden, mit welchem Einkommen Selbstständige im IT-Bereich rechnen können.

Selbstständige sind in dieser Branche keine homogene Gruppe. Um ein ausreichend differenziertes Bild zu bekommen, haben wir bei der Umfrage folgende Formen der Selbstständigkeit erfasst:

  • Freiberufler
  • Inhaber eines Gewerbebetriebes
  • nebenberuflich Selbstständige

Dabei gehen die Freiberufler und die Inhaber eines Gewerbebetriebes der selbstständigen Tätigkeit im IT-Sektor hauptberuflich nach. Die Berechtigung, den Status eines Freiberuflers zu erhalten, setzt entweder einen einschlägigen Studienabschluss oder den glaubhaften Nachweis vergleichbarer Kenntnisse voraus.

Freiberufler sind im Unterschied zu den Inhabern eines Gewerbebetriebes gegenwärtig von der Gewerbesteuer befreit. Es entfällt zudem die Pflicht zur doppelten Buchführung und zur Erstellung einer Abschlussbilanz. Zugleich müssen Freiberufler ebenfalls im Unterschied zu Inhabern eines Gewerbebetriebes nicht Mitglied in der Industrie- und Handelskammer (IHK) sein.

Für diejenigen, die nur nebenberuflich selbstständig tätig sind, stellt die IT-Tätigkeit nur eine weitere Einkommensquelle neben beispielsweise einer abhängigen Erwerbstätigkeit dar oder sie wird begleitend zu einem Studium ausgeübt.

Unter den Teilnehmern an der Umfrage gaben 57 Prozent eine freiberufliche Ausübung an. 23 Prozent waren Inhaber eines Gewerbebetriebes, 19 Prozent übten ihre selbstständige Tätigkeit nur nebenberuflich aus.

Jahreseinkommen der Inhaber eines Gewerbebetriebs
Inhaber eines IT-Gewerbebetriebs erzielten 2002 in Deutschland am häufigsten hohe Einkommen.

Bei der Altersstruktur der Selbstständigen fällt auf, dass unter den Befragten in der Altersklasse der unter 30-Jährigen der Anteil der nebenberuflich Tätigen am größten ist, bei den über 30-Jährigen dagegen die Freiberufler überwiegen.

Der Anteil der Frauen war - auch im Vergleich zu anderen Erhebungen - mit weniger als 1,5 Prozent außerordentlich niedrig. Daher ist eine sinnvolle Differenzierung der Ergebnisse nach dem Geschlecht nicht möglich.

Im Zentrum der Umfrage stand die Ermittlung des Einkommens von IT-Selbstständigen im Jahr 2002. Dazu haben wir zunächst die betriebsbedingten Ausgaben vom Umsatz abgezogen wie Betriebskosten, Löhne für Mitarbeiter und Ausgaben für die eigene Weiterbildung.

Im Jahr 2002 betrug danach das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen der befragten hauptberuflich IT-Selbstständigen in Deutschland gut 86 000 Euro, in Österreich gut 116 000 Euro und in der Schweiz umgerechnet knapp 80 000 Euro.

Einkommen im Ländervergleich
Wegen geringer Beteiligung sind die Angaben zu Österreich und der Schweiz nur bedingt aussagekräftig.

Um die Einkommen der Selbstständigen mit denen von Angestellten vergleichen zu können, haben wir für die tiefer gehende Auswertung der Daten aus Deutschland berücksichtigt, dass ein Angestellter über sein Bruttoeinkommen hinaus noch einen Arbeitgeberbeitrag zu seiner sozialen Absicherung erhält. Wir haben dazu für die Selbstständigen einen fiktiven Beitrag bezogen auf das oben ermittelte Bruttoeinkommen bestimmt, der die für Deutschland 2002 geltenden Beitragssätze des Arbeitgeberbeitrags für die gesetzliche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt, und das Einkommen um diesen Betrag bereinigt.

Jahreseinkommen der IT-Selbstständigen
Die Inhaber eines Gewerbebetriebs erzielten 2002 die höchsten durchschnittlichen Einkommen.

Die Arbeitslosenversicherung blieb hierbei unberücksichtigt. Der Grund dafür ist die mangelnde Vergleichbarkeit des versicherbaren Arbeitslosigkeitsrisikos der Angestellten und des nicht versicherbaren Einkommensrisikos der Selbstständigen. Dagegen müssen sowohl die Selbstständigen als auch die Angestellten gleichermaßen für Alter und Krankheit vorsorgen.

Dabei ergibt sich für die drei Selbstständigen-Gruppen ein recht unterschiedliches Bild. Die überwiegend niedrigen Einkommen der nebenberuflich Selbstständigen sind natürlich wenig erstaunlich, da diese Gruppe vergleichsweise wenig Zeit für die selbstständige Tätigkeit aufwendet. Aber auch der Vergleich nur der beiden hauptberuflichen Gruppen ergab deutliche Unterschiede: Das mittlere Jahreseinkommen der Inhaber eines Gewerbebetriebs lag 2002 deutlich oberhalb des mittleren Einkommens der Freiberufler.

Jahreseinkommen der IT-Freiberufler
78 Prozent der deutschen IT-Freiberufler erzielten 2002 ein Jahreseinkommen von unter 100 000 Euro.

Konkret lagen die Jahreseinkommen der Freiberufler in 78 Prozent aller Antworten unter 100 000 Euro. Die größte Häufung gab es zwischen 20 000 bis 30 000 Euro. Bei den Inhabern eines Gewerbebetriebs lag der häufigste Wert ebenfalls im Einkommensintervall von 20 000 bis 30 000 Euro. Im Vergleich zu den Freiberuflern fällt jedoch auf, dass der Bereich hoher Jahreseinkommen ab 200 000 Euro bei den Gewerbetreibenden auffallend häufiger vertreten war.

Jahreseinkommen der deutschen IT-Nebenberufler
Diese Form der Selbstständigkeit liefert überwiegend nur ein „Zubrot“.

Angesichts der Tatsache, dass Nebenberufler die IT-Selbstständigkeit neben einer Haupterwerbstätigkeit ausführen, verwundert eine stark linkslastige Verteilung mit einem häufigsten Wert der Jahreseinkommen von null bis 10 000 Euro bei ihnen nicht. Erstaunlicher ist schon, dass die Angaben nicht kurz über diesen Werten völlig abbrechen, sondern Einzelne auch Einkommen deutlich über 100 000 Euro angaben.

Die bisherige Betrachtung der Jahreseinkommen berücksichtigte den jeweiligen Zeitaufwand noch nicht im Detail. Um das Einkommen auf die Arbeitsstunden umzulegen, wurde für alle befragten IT-Selbstständigen anhand der in der Befragung erhobenen durchschnittlichen Monatsarbeitsstunden eine durchschnittliche Jahresarbeitszeit in Stunden berechnet.

„Stundenlohn” im Ländervergleich
Auch das auf die Stunde umgelegte mittlere Einkommen Selbstständiger fiel 2002 in den betrachteten Ländern unterschiedlich aus (fiktiver Urlaub berücksichtigt).
„Stundenlohn”deutscher IT-Selbstständiger
(fiktiver Urlaub berücksichtigt)

Um die Angaben von Selbstständigen und fest Angestellten vergleichen zu können, haben wir dabei einen fiktiven Standardurlaub von sechs Wochen angenommen - Angaben, wie viel Urlaub IT-Selbstständige im Schnitt machen, waren leider nicht verfügbar. Die Unterschiede in der sozialen Absicherung haben wir im Ländervergleich nicht berücksichtigt. Das so errechnete durchschnittliche Einkommen pro Arbeitsstunde - nicht zu verwechseln mit dem vom Auftraggeber geforderten Stundensatz, weshalb wir im Folgenden stattdessen auch den Begriff „Stundenlohn“ verwenden - war unter den Schweizer Teilnehmern der Befragung mit 63,99 Euro höher als das der Befragten aus Österreich (54,19 Euro) und aus Deutschland (52,89 Euro). Aufgrund der geringen Anzahl der Befragten aus Österreich und der Schweiz sind die Daten dieser Länder jedoch auch hier wenig aussagekräftig.

Einkommen der IT-Selbstständigen pro Arbeitsstunde
Während Nebenberufler bei den niedrigen Stundenlöhnen dominieren, überwiegen im Mittelfeld die Freiberufler. Die größten Chancen, im Spitzenfeld zu landen, haben Gewerbetreibende.

In Deutschland erzielten laut der Befragung die Inhaber eines Gewerbebetriebs mit 75,75 Euro das höchste durchschnittliche Stundeneinkommen. Es folgen die freiberuflich Selbstständigen mit 50,06 Euro vor den nebenberuflich Selbstständigen mit 33,95 Euro pro Arbeitsstunde.

Einfluss der Tätigkeitsschwerpunkte
IT-Beratung und -Consulting boten hauptberuflich IT-Selbständigen in Deutschland 2002 vergleichsweise gute Verdienstchancen.
Einfluss der formalen Qualifikation
Die Art der Ausbildung hatte bei deutschen Freiberuflern und Gewerbetreibenden 2002 einen eher geringen Einfluss auf den Erfolg der IT-Selbstständigkeit.

Auch diese Daten haben wir vor einer detaillierteren Aufschlüsselung noch um die Aufwendungen für die soziale Absicherung bereinigt. Danach zeigte sich, dass unter den Befragten die nebenberuflich Selbstständigen besonders stark bei den niedrigen Einkommen pro Arbeitsstunde vertreten sind. So erzielen fast 40 Prozent dieser Gruppe ein Einkommen von unter 15 Euro pro Stunde. Bei den mittleren Einkommen von 25 bis 135 Euro ist der Anteil der Freiberufler am höchsten, wohingegen die Inhaber eines Gewerbebetriebes bei den hohen Stundenlöhnen von mehr als 135 Euro anteilsmäßig am stärksten vertreten sind.

Einfluss der Fachkenntnisse auf den „Stundenlohn”
Die Art der Spezialisierung entschied 2002 ganz wesentlich mitüber die Höhe des Einkommens deutscher IT-Selbstständiger.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch Nebenberufler ein hohes Einkommen pro Stunde realisieren können. So treten beispielsweise in der höchsten Einkommensklasse zwar alle drei Gruppen von Selbstständigen auf, jedoch sind die nebenberuflich Selbstständigen in dieser Gruppe stark unterrepräsentiert.

Die Vielfalt möglicher Tätigkeiten wirft die Frage auf, welcher Zusammenhang zwischen der ausgeübten Tätigkeit und dem Einkommen besteht. Dazu haben wir die Daten derjenigen unter den hauptberuflich Selbstständigen ausgewertet, die in der Umfrage einen eindeutigen Schwerpunkt angaben.

Ähnlich wie bei der c't-Umfrage unter den fest Angestellten [3|#literatur] erzielten Teilnehmer aus „Beratung und Consulting“ vorwiegend höhere Jahreseinkünfte. „Softwareprogrammierung und Datenbanken“ war als insgesamt häufigster Tätigkeitsbereich über das gesamte Einkommensspektrum relativ stark vertreten, mit einer besonders starken Häufung bei den Jahreseinkommen von 40 000 bis 160 000 Euro.

Die Selbstständigen unter den Befragten, die sich 2002 vor allem im Bereich „Forschung, Entwicklung, Lehre, Training“ verdingten, kamen dagegen überwiegend über die beiden unteren Einkommensklassen bis zu 40 000 Euro nicht hinaus. Dies gilt auch für den Schwerpunkt „Webentwicklung und Multimediadesign“.

Für „Service und Support“ sowie „Administration“ ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Hier kann keine eindeutige Aussage hinsichtlich dominierender Einkommensklassen für diese beiden Schwerpunkte getroffen werden.

Betrachtet man die formale Qualifikation der Freiberufler und der Inhaber eines Gewerbebetriebes in Deutschland, so zeigt sich für die Befragten ein eher geringer Zusammenhang zwischen Einkommenshöhe und Ausbildung - im deutlichen Unterschied zu der c't-Befragung der fest Angestellten, die einen stark positiven Zusammenhang ergab.

Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass formale Ausbildungszertifikate bei Festanstellungen eine „Eintrittskartenfunktion“ bei der Personalauswahl haben, der bei selbstständiger Tätigkeit eine wesentlich geringere Bedeutung zukommt. Trotzdem zeigt der hohe Anteil von Universitäts- und Fachhochschulabsolventen mit einem Einkommen von mehr als 60 000 Euro, dass mit einer hochwertigen Ausbildung die Wahrscheinlichkeit für ein höheres Einkommen steigt.

Betrachtet man jedoch statt der formalen Qualifikation konkret die einzelnen Fähigkeiten der Freiberufler und der Inhaber eines Gewerbebetriebes in Deutschland 2002, so ergaben sich in der Umfrage signifikante Unterschiede in dem durchschnittlich pro Stunde erzielten Einkommen. Die hierzu ermittelten Stundenlöhne lassen sich als Indikator für die Angebots- und Nachfrageverhältnisse bei den jeweiligen Fachkenntnissen interpretieren.

Spitzenpositionen nahmen bei den Befragten im Jahr 2002 Kenntnisse zu Peoplesoft (Bereich Unternehmenssoftware) mit einem durchschnittlichen Stundenlohn von 80 Euro, Groupwise (Bereich Netzwerke) mit 67 Euro sowie DB2 (Bereich Datenbanken) mit 61 Euro pro Stunde ein. Dagegen wurden Kenntnisse zur Grafikbearbeitung und Illustration (Bereich Anwendungen) mit 29 Euro pro Stunde vergleichsweise niedrig vergütet.

Die Grafik zu den Fachkenntnissen weist jeweils den höchsten innerhalb eines Tätigkeitsbereichs erzielten Stundenlohn aus sowie die Durchschnittseinkommen pro Stunde der drei am stärksten nachgefragten Fachkenntnisse. So ergab sich beispielsweise für den Bereich „Anwendungen“, dass dort die höchsten Stundeneinkommen für die Prozessmodellierung erzielt wurden. Zugleich war die Prozessmodellierung der am häufigsten nachgefragte Skill dieser Tätigkeitsgruppe. In den anderen Tätigkeitsgruppen fiel der am höchsten entlohnte Skill nicht mit dem am meisten nachgefragten Skill zusammen.

Einfluss der Berufserfahrung
Die Verdienstmöglichkeiten von IT-Freiberuflern verbessern sich mit den Jahren erheblich.

Für die Auswirkung der Berufserfahrung - gemessen in Jahren - auf die Einkommenshöhe ergab sich zumindest bei den befragten Freiberuflern ebenfalls ein deutlicher Zusammenhang. So erzielten Freiberufler mit nur einem Jahr Berufserfahrung zu 60 Prozent ein Jahreseinkommen von weniger als 20 000 Euro. Einkommen über 60 000 Euro erzielte in dieser Gruppe dagegen niemand.

Mit zunehmender Berufserfahrung ändert sich das Bild relativ rasch: Bereits ab einem Jahr Berufserfahrung sind es nur noch gut 30 Prozent, die Einkommen von unter 20 000 Euro erzielen. Dagegen erreichten in dieser Gruppe bereits 25 Prozent Einkommen von mehr als 60 000 Euro. Auch für die folgenden Gruppen zeigt sich für die Befragten eindeutig: Mit zunehmender Berufserfahrung steigt die Wahrscheinlichkeit, höhere Jahreseinkommen zu erzielen.

Bei den Inhabern eines Gewerbebetriebs ließ sich diese Analyse nicht durchführen, da dort sehr niedrige und sehr hohe Werte zur Berufserfahrung fast überhaupt nicht vertreten waren.

Wenn man die Angaben der deutschen Freiberufler und Gewerbetreibenden zur Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Lage im Jahr 2002 nach Einkommensklassen aufschlüsselt, zeigt sich, dass in der Kategorie bis 60 000 Euro die Lage überwiegend eher pessimistisch eingeschätzt wird. Dies betrifft immerhin 50 Prozent aller Befragten.

Zufriedenheit der IT-Selbstständigen
Insgesamt schätzten die hauptberuflichen Selbstständigen die wirtschaftliche Lage im IT-Sektor im Jahr 2002 eher pessimistisch ein.

Aber auch in der im IT-Sektor eher angespannten Situation gelang es zahlreichen Selbstständigen, aus ihrer Sicht zufriedenstellende Einkünfte zu erzielen. Bei Jahreseinkünften über 60 000 Euro beurteilte über die Hälfte der jeweiligen Einkommensgruppe die eigene Situation als „gut“ oder „sehr gut“.

Wunsch nach Festanstellung
Je weniger deutsche IT-Freiberufler 2002 verdienten, um so häufiger strebten sie eine abhängige Beschäftigung an.

Angesichts der gestiegenen Arbeitslosigkeit und des recht hohen Anteils mit ihrer wirtschaftlichen Situation Unzufriedener stellt sich die Frage, ob die IT-Selbstständigkeit für einen nennenswerten Anteil nur eine „Notlösung“ darstellt. Konkret wollten wir wissen, ob die Befragten im Jahr 2002 eigentlich eine Festanstellung angestrebt hatten. Betrachtet man die Freiberufler, zeigt sich, dass auch in der Gruppe der niedrigen Einkommen bis 20 000 Euro immer noch mehr als zwei Drittel der Befragten angaben, dennoch eine berufliche Selbstständigkeit in der IT-Branche einer Festanstellung vorzuziehen.

Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass nicht finanzielle Aspekte wie größere Autonomie bei der Entscheidung für die Selbstständigkeit in der Gruppe der Befragten eine wichtige Rolle spielen. Alternativ könnten auch optimistische Zukunftseinschätzungen zu diesem Ergebnis geführt haben. Dennoch zeigt sich der Trend, dass mit abnehmenden Einkommen die Selbstständigkeit an Attraktivität verliert und zunehmend eine Festanstellung gewünscht wird.

Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Befragung keine Daten über den Umfang der Übergänge von der Selbstständigkeit in eine abhängige Erwerbstätigkeit enthält. Das heißt, Personen, die 2002 ihren Wunsch nach einer Festanstellung verwirklichen konnten, sind nicht in den oben genannten Zahlen enthalten, sodass der Wechselwunsch insgesamt noch größer gewesen sein dürfte als hier ermittelt.

Für die Frage, ob sich IT-Selbstständigkeit lohnt, ist ein Vergleich zu den Einkommen der fest Angestellten in der IT-Branche interessant. Hierbei wird auf die Daten der bereits erwähnten c't-Befragung der fest Angestellten zurückgegriffen. Der auf Deutschland bezogene Vergleich berücksichtigt bei den Selbstständigen die hauptberuflich tätigen Freiberufler und Inhaber eines Gewerbebetriebes, bei den fest Angestellten Vollzeitkräfte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden.

Fast 40 Prozent der fest Angestellten (Vollzeit) haben 2002 ein Bruttojahreseinkommen zwischen 40 000 und 60 000 Euro erzielt, 38 Prozent erzielten Einkünfte zwischen 20 000 und 40 000 Euro. Bei den Selbstständigen ergab die Befragung einerseits einen wesentlich größeren Anteil in den höheren Einkommensklassen ab 60 000 Euro, andererseits jedoch auch einen signifikant höheren Anteil an niedrigen Jahreseinkünften unter 20 000 Euro. Wie bereits bei der Berufserfahrung angesprochen, befinden sich in der Gruppe der Personen mit niedrigen Einkünften überdurchschnittlich viele Anfänger.

Die Selbstständigkeit eröffnet nach den Ergebnissen der beiden Umfragen vergleichsweise höhere Chancen auf hohe Einkommen, andererseits stellt sie nicht pauschal den „Königsweg“ zur Erzielung hoher Einkünfte dar - im Vergleich zu fest Angestellten ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, nur ein niedriges Einkommen zu erreichen.

Bei dem Einkommensvergleich blieben steuerliche Vorteile der Selbstständigen gegenüber den fest Angestellten unberücksichtigt. Die ausgewiesenen Einkommen der Selbstständigen ergaben sich als Saldo aus Umsätzen und Kosten. Wie beim Bruttoeinkommen des fest Angestellten auch geht hiervon unter anderem noch die Steuer ab. Dabei hat der Selbstständige bessere Möglichkeiten der steuerlichen Anrechnung von Kosten (Firmenwagen, Möglichkeiten der Beschäftigung von Familienangehörigen u. Ä.). Diese Effekte könnten dazu führen, dass die Einkommen der Selbstständigen beim Vergleich der hier betrachteten Bruttowerte tendenziell unterschätzt werden.

Beim Vergleich der „Stundenlöhne“ ergibt sich prinzipiell ein ähnliches Bild wie bei den Jahreseinkommen. Während sich die fest Angestellten tendenziell im Mittelfeld bewegen, heißt es bei den Selbstständigen stärker „entweder/oder“. So gelang es den fest Angestellten 2002 eher selten, gehobene Stundenlöhne über 45 Euro zu realisieren. In diesem Bereich sind die IT-Selbstständigen dagegen noch relativ häufig vertreten, während bei den fest Angestellten nahezu die Hälfte Stundenlöhne zwischen 15 und 25 Euro erzielte. Dafür waren die befragten Freiberufler bei den sehr niedrigen Stundenlöhnen bis fünf Euro im Vergleich zu den fest Angestellten etwas stärker vertreten.

Die Einkommenssituation der Selbstständigen insgesamt für das Jahr 2002 schätzten die Befragten im Verhältnis zum Jahr 2000 als schlechter ein. Trotz dieser eher pessimistischen Sicht war der Wunsch, die Selbstständigkeit gegen eine Festanstellung einzutauschen, bei vielen nicht sonderlich ausgeprägt. Dies lässt eine eher optimistische Einschätzung der Befragten für die Zukunft vermuten.

„Stundenlohn“-Vergleich aller Selbstständigen und fest Angestellten
Hohe Stundenlöhne erzielen fast nur Selbstständige.

Aus dem Vergleich mit den Einkommen der fest Angestellten lässt sich keine eindeutige Aussage auf die Frage „Lohnt sich IT-Selbstständigkeit?“ ableiten. Vielmehr wird dabei deutlich, dass die Schwankungsbreite der Einkommen bei den Selbstständigen größer ist. Die Selbstständigkeit bietet damit zwar die Möglichkeit, wesentlich höhere Einkommen zu erzielen als dies bei abhängiger Erwerbstätigkeit im IT-Bereich der Fall ist. Die damit verbundenen Risiken zeigen sich aber ebenso deutlich in der starken Besetzung des unteren Einkommensbereichs der Selbstständigen.

Einkommensvergleich
Während hauptberufliche Selbstständige ganz unterschiedliche Einkünfte hatten, dominierten bei den fest angestellten Vollzeitkräften mittlere Jahreseinkommen.

Als wichtige Faktoren für den Erfolg als Selbstständiger erwiesen sich die Berufserfahrung, die Wahl des Tätigkeitsschwerpunktes sowie in starkem Maße die „richtigen“ Fachkenntnisse. Dabei gibt die Analyse zu den genannten Fachkenntnissen nur eine Momentaufnahme für 2002 wieder - welche in Zukunft zu einem hohen Einkommen beitragen können, lässt sich daraus nicht pauschal ablesen. Vielmehr liegt der Erfolg eher in einer breiten Wissensbasis, die es ermöglicht, sich bei Veränderungen der Nachfrage rasch weiterzubilden. Eine formale Qualifikation ist dabei anscheinend nur eine der Möglichkeiten, diese Basis zu erwerben - und auf jeden Fall keine automatische Garantie dafür, dass jemand das jeweils praxisrelevante Wissen und das notwendige unternehmerische Geschick hat, um als IT-Selbstständiger erfolgreich zu sein. (anm)

Dr. Thomas Bürkle ist Habilitand am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Personalwirtschaft, der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt.

Dipl.-Volksw. Claus Becher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des „Project Electronic Labor Market“ am Fachbereich Soziologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt.

[1] Bewegung am Freelancer-Markt, c't 24/03, S. 62

[2] Claus Becher, Alfons Schmid: Internetplattformen für Arbeitsleistung, eingereichter Zwischenbericht für das DFG-Projekt „Elektronische Arbeitsmärkte“, 2003; erhältlich beim Autor

[3] Angela Meyer, Wer verdient wie viel?, Ergebnisse der c't-Gehaltsumfrage, c't 6/02, S. 110 (anm)