Couch-Potatoes Liebling

Ob als Medienarchiv und -player oder -recorder, ob als Station fürs gelegentliche Web-Surfen oder gar als flexible Luxus-Spielekonsole: Ein PC fürs Wohnzimmer gewährt Zugang zu attraktiven Funktionen. Tatsächlich im Wohnzimmer zu stehen braucht der Rechner jedoch nicht unbedingt - selbst wenn das Vorteile birgt. Unterhaltungselektronikgeräte mit PC-Anschlüssen oder wenigstens mit Unterstützung für PC-Formate sowie Streaming-Clients schlagen die Brücke - und eventuell tun’s schon ein paar lange Kabel nebst Funkmaus, -tastatur und -fernbedienung.

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Von
  • Manfred Rindl

Etappenweise und vor allem leise schleicht sich der PC ins Wohnzimmer. Günstige Festplatten mit hoher Kapazität, nahezu universelle Format-Kompatibilität, Hardware-Optionen für praktisch jeden Zweck und eine reiche Auswahl an frei oder kostenpflichtig im Internet verfügbaren Medieninhalten laden den Konsumenten ein, auf ein komplett digitales, PC-basiertes Medienarchiv umzusteigen. Und obendrein: Wozu noch eine Fernsehzeitschrift kaufen, wenn man auch aus dem Web eine tagesaktuelle Programmvorschau bekommt? Gratis, versteht sich, wie etwa bei www.tvtv.de. Gar noch eine Nummer luxuriöser wird es mit einem elektronischen Programmführer (EPG), der auch die Aufnahmeprogrammierung vereinfacht - mehr dazu sowie einige technische Hinweise ab Seite 104, c't 18/04.

Doch nicht jeder will einen PC in seiner Wohnzimmeratmosphäre dulden. Zu laut, zu hässlich und - wenn auch vielleicht nur für die übrigen Familienmitglieder - nicht hinreichend einfach zu bedienen. Dass das nicht so sein muss, versuchen inzwischen einige Hersteller mit recht unterschiedlichen PC-Lösungen zu beweisen. Ob und wem das gelingt, verrät der Vergleichstest von acht aktuellen Systemen zwischen 999 und 7200 Euro ab Seite 108. Die Ergebnisse mögen zwar noch nicht hundertprozentig überzeugend ausfallen, doch gerne verwendete Zutaten wie stromsparende Komponenten, kompakte und wertig wirkende Gehäuse sowie aufwendige passive Kühlsysteme und auf Media-Center-Einsatz zugeschnittene Software-Lösungen nebst Fernbedienung weisen jedenfalls schon einmal den richtigen Weg.

Angesichts der für die Komplettlösungen verlangten Preise wird freilich so manches Bastlerherz schneller schlagen - vom Reiz gepackt, das Ganze günstiger und vielleicht gleich noch besser an die individuellen Bedürfnisse angepasst im Eigenbau zu bewerkstelligen. Passende Komponenten gibt’s je nach Anspruch und Verwendungszweck auf jeden Fall zuhauf. Das schafft viel Flexibilität - alleine schon bei der Auswahl des Gehäusetyps: Dem einen passt vielleicht ein konventioneller Mini-, Midi- oder Big-Tower ins Konzept, weil der Rechner ohnehin unauffällig neben oder hinter dem Sofa platziert werden soll. Der nächste greift lieber zu einem hübschen Mini-Barebone-Würfel, weil sich so etwas gut auf der Designer-Anrichte machen würde. Als weitere Alternative kommen veredelte Desktop-Gehäuse in Betracht, denen der Trend zum Wohnzimmer-PC in Verbindung mit dem Wunsch nach Unterbringung im bereits vorhandenen Geräte-Rack gerade zu einer Renaissance verhilft. Elf solcher Edel-Desktops hat c't im Rahmen dieses Schwerpunkts ab Seite 96 ebenfalls auf den Prüfstand gehoben.

Ohne sorgfältige Planung im Vorfeld sollte man indes nicht zur Tat schreiten - im Gegenteil: Vor allem eine gründliche Bedarfsanalyse scheint dringend angeraten, wenn man Fehlinvestitionen und hohe Folgekosten vermeiden will. So kann sich etwa ein System auf Basis eines der günstigen und kleinformatigen EPIA-Mini-ITX-Boards von VIA in Verbindung mit einer TV-Karte mit MPEG-2-En-/Decoder und einem passenden Mini-Desktop-Gehäuse prima als digitaler Festplatten-Videorecorder und Surf-Station machen. Stehen hingegen auch noch moderne 3D-Spiele auf der Anwendungswunschliste, sollte man die EPIA-Lösung aufgrund zu schwacher Prozessor- und Grafikleistung sowie mangelnder Nachrüstbarkeit gleich wieder verwerfen. Generell darf gelten: Je unspezifischer die Wunschliste ausfällt oder je mehr - vor allem verschiedenartige - Funktionen sich darauf finden, desto sicherer führt der Weg zu einer vollformatigen PC-Lösung.

Wer bereits einen prinzipiell für alle gewünschten Funktionen geeigneten PC besitzt, der sollte freilich nicht vergessen, über zwei nahe liegende Lösungsansätze nachzudenken: Scheitert dessen Unterbringung im Wohnzimmer lediglich knapp am Geräuschpegel oder am optisch wenig ansprechenden Outfit, genügen vielleicht schon einige akustische Tuning-Maßnahmen (Dämmmatten, leisere Lüfter et cetera) oder eben ein hübsches neues Gehäuse. Geht es hingegen nur darum, die Audio- und Video-Ausgaben des Rechners an die Unterhaltungselektronik im Wohnzimmer zu liefern, reichen bei moderaten Entfernungen bis circa zehn Meter auch ein paar lange Kabel guter Qualität - etwa einmal S-Video für den TV-Ausgang und einmal S/P-DIF für Stereo- und Surround-Audio-Signale. Knifflig wird’s in diesem Fall nur mit der Bedienung, denn viele Funkmäuse, -tastaturen und -fernbedienungen meistern nur wenige Meter Übertragungsdistanz oder scheitern schon an der ersten Wand.

Beschränkt sich die Funktionswunschliste hingegen im Wesentlichen auf die Wiedergabe der wichtigsten und verbreitetsten PC-Medienformate wie JPEG-Bilder, MP3-Audio und DivX-Video, kommen auch PC-lose Lösungen der Unterhaltungselektronikhersteller in Betracht: Beispielsweise wissen schon die meisten aktuellen DVD-Player zumindest etwas mit JPEGs oder MP3s anzufangen - und noch universellere Modelle machen auch vor DivX und Xvid-Videos nicht halt oder bieten gar Slots für die Flash-Speicherkarten von Digitalkameras oder MP3-Playern. Aber auch weitere Geräteklassen wie etwa Surround-Receiver öffnen sich immer mehr dem PC - etwa via Ethernet-Anschluss, über den sie auf den MP3-Bestand eines angeschlossenen Rechners oder etwa per DSL-Router direkt auf Internet-Radiostationen zugreifen.

Speziell als Bindeglied zwischen PC und AV-Equipment versteht sich die recht neue Gerätekategorie der Streaming-Clients. Diese Art von Set-Top-Boxen verschafft sich ebenfalls in der Regel über Ethernet, neuerdings auch via WLAN, Zugriff auf die Audio- und Video-Daten eines PC, der dann als Medien-Server fungiert. Die eigentliche Wiedergabe - also zum Beispiel die Dekodierung und anschließende DA-Wandlung von MP3-Daten - erledigt allerdings meist komplett der Streaming-Client: Das entlastet zwar den servierenden PC, bringt aber wiederum auch Einschränkungen hinsichtlich der abspielbaren Formate mit sich. Vier solcher Geräte finden Sie übrigens in c't 16/04 ab Seite 136.

Als Universalmaschine ist und bleibt der PC nicht zu schlagen - seine Hardware- und Software-seitige Flexibilität ist auch im Wohnzimmereinsatz kaum zu übertreffen. Allerdings sollte man sich durchaus ins Bewusstsein rufen, dass ein Rechner zwar vieles in einem kann, aber selten alles zugleich. Selbst ein flotter, aktueller PC wird also kaum noch VDR-Aufgaben übernehmen können, während der Anwender darauf gleichzeitig brandneue 3D-Shooter wie etwa Doom 3 spielt. Wer solche Ansprüche hegt, hat wahrscheinlich mit separaten Unterhaltungselektronikgeräten mehr Freude - trotz gewisser Einschränkungen in der Funktionsvielfalt. Wer es beispielsweise aufgrund kommender Formate wie HDTV oder Blu-Ray ohnehin noch nicht ganz so eilig hat mit dem Wohnzimmer-PC, der kann getrost noch weitere Lösungen abwarten - zumal erste Geräte aus dem Mobilsektor etwa von Asus oder Toshiba bereits andeuten, dass auch seitens der Notebook-Fraktion noch interessante Beiträge zum Thema Wohnzimmer-PC zu erwarten sind. (mri)

"Couch-Potatoes Liebling"
Weitere Artikel zum Thema Multimedia-Lösungen fürs Wohnzimmer finden Sie in der c't 18/2004:
Multimedia-Lösungen fürs Wohnzimmer S. 94
Elf Edeldesktops im Vergleich S. 96
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Komplettsysteme als Media-Center S. 108

(ole)