Prozessorgeflüster

Das neue Jahr bringt interessante Jubiläen bei Personal Computern und Prozessoren. Außerdem wird sich bei den Desktop- und Notebook-Systemen die unmathematische Frage aufwerfen: Was ist mehr - 2 x 32 oder 1 x 64?

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Von
  • Andreas Stiller

Für viele PC-Historiker gilt er als der erste Personal Computer, der Altair 8800 von MITS, der im Januar seinen 30sten Geburtstag feiert. Das Gerät des Bastlers Ed Roberts, das seinen Namen der Fernsehserie Raumschiff Enterprise verdankt, war mit dem 8080-Prozessor von Intel (2 MHz) bestückt, einem Vorläufer des erfolgreichen Z80-Prozessors. Beide Prozessoren wurden von Frederico Faggin designt - nur hatte sich dieser zwischendurch von Intel getrennt, die Firma Zilog gegründet und unter eigenem Label den Z80 herausgebracht. Damit hätte er Intel beinah das Genick gebrochen, aber Intel obsiegte dann doch mit dem 8086/88-Prozessor, nicht zuletzt dank tatkräftiger Mithilfe von IBM, die den 8088 zum Herz ihres PC erkoren.

Der Altair war übrigens auch der erste kommerzielle Rechner, auf dem das BASIC der jungen Studenten Bill Gates und Paul Allen zum Einsatz kam. Mitentwickler Allen wurde dann sogar Software-Chef bei MITS, bevor er mit Gates zusammen die Firma Microsoft gründete.

Der Altair 8800 war sicherlich ein Meilenstein in der PC-Geschichte. Für mich gilt allerdings die Olivetti Programma 101 als erster Personal Computer beziehungsweise als das erste Desktop-System. Dieser Rechner aus europäischen Landen kann in diesem Jahr ebenfalls feiern, nämlich schon den 40sten Geburtstag. Einen Mikroprozessor besaß der von Pier Giorgio Perotto entwickelte Oldtimer allerdings noch nicht; seine CPU war noch diskret aus Transistoren aufgebaut. Sie arbeitete intern mit 8 Bit, die acht Arbeitsregister waren allerdings 22-stellig - und zwar dezimal. Man konnte sie in zwei 11-stellige Register aufspalten. Immerhin verwendete die Programma bereits Magnetkarten als Massenspeicher. Ich besitze noch einen kleinen Stapel davon, voller komplexer Programme wie die Sinus-Berechnung oder die Bestimmung der pythagoräischen Zahlen - doch im Lauf der Zeit sind die Karten reichlich grün angelaufen und wohl kaum noch nutzbar. Einzigartig war auch der Magnetdrahtspeicher der Programma: Die Daten (rund 240 Byte) wurden mit einem Magnetkopf seriell aufgespielt, liefen um den Draht und wurden dann verzögert wieder eingelesen und erneut aufgespielt.

Im Juni des Jahres 1975 wurde bei MOS Technology auch der 6502-Prozessor geboren, der in zahlreichen Apple- und Commodore-Systemen Furore machte. Und nicht zu vergessen: der 68 000-Prozessor von Motorola, der im September sein 25-Jähriges feiert. Den kann man wegen seiner internen Register durchaus als den ersten 32-Bitter bezeichnen.

Einen Monat später steht ein weiteres, besonderes Jubiläum an: Im Oktober wird der Intel-386-Prozessor 20 Jahre alt. Dieser 32-Bitter erweiterte die 8086/80286-Architektur ganz erheblich, nicht nur um 32-Bit-Register und viele neue Befehle, sondern auch um Memory-Management, einen virtuellen Modus und vieles mehr. Der Clou ist, dass Intel diesen 32-Bitter eigentlich gar nicht wollte, sondern stattdessen einen völlig neu designten 32-Bit-Prozessor, den i432. Doch das i432-Team kam nicht in die Strümpfe und die konkurrierende Mannschaft rund um den heutigen Chief Technology Officer Gelsinger schaffte mit dem „Übergangsprozessor“ 386 den Durchbruch. Dessen Architektur ist bis heute die Basis aller Intel-PC-Prozessoren geblieben. Zwar sind im Lauf der Zeit einige Erweiterungen (MMX, SSE/2/3) hinzugekommen, aber der Kern blieb weitgehend unverändert. Erst jetzt steht der größte Umbruch seit jener Zeit bevor - und er kommt originär nicht von Intel, sondern von AMD: die Erweiterung auf 64 Bit. Die Prozessoren sind bereits da und Microsofts Windows XP64 ist seit kurzem als Release Candidate draußen, in ein paar Monaten dürfte es auf dem Markt sein.

Intel vermarktet zwar recht erfolgreich Xeon-Prozessoren mit der EM64T genannten Erweiterung, nur wird dieses Feature bislang noch kaum genutzt. Bei Desktops hingegen, dem primären Zielmarkt von Windows XP, hält sich Intel weiterhin zurück, die Firma will auf diesem Segment vielmehr in diesem Jahr mit Doppelkernen punkten. Performancemäßig könnte das auch aufgehen, insbesondere wenn Spiele hierfür optimiert werden. 64 Bit mögen hier und da 15 bis 20 Prozent mehr Performance als 32 Bit bieten, doch da können Doppelkerne mitunter deutlich mehr einspielen, selbst wenn sie langsamer getaktet werden.

Ein Zugpferd für den Absatz in diesem Jahr soll das „digitale Zuhause“ werden. Rechtzeitig zur Jahreswende hat Intel daher einen neuen, mit 200 Millionen US-Dollar gefüllten Topf eingerichtet, der für die richtige Software-Infrastruktur sorgen soll. Darunter fallen benutzerfreundliche Netzwerke, Online-Dienste und digitale Zeitschriften.

AMD will schon in der ersten Jahreshälfte die ersten 64-Bit- Doppelprozessoren herausbringen, vorerst allerdings nur für Server. Aber Server sind ja ohnehin AMDs Zukunfts-Credo. Inzwischen tunnelten bereits Namen, Takt und Verbrauch der Duals über die üblichen Internet-Kanäle heraus - der Schnellste, das Modell x80, soll immerhin mit 2400 MHz bei einem Thermal Design Point (TDP) von 95 W laufen, das entspricht der schnellsten aktuellen Opteron-Taktfrequenz. Nach dem Rechenmodell von AMD64-Chefentwickler Kevin McGrath wäre der x80 beim SPECint_2000rate um gut 50 Prozent schneller als ein Single Opteron mit drei „Speed Grades“ darüber, also bei 3 GHz Takt - nicht schlecht. Interessant sind aber auch die stromsparenden Modelle, etwa das Model x30, das sich bei 1600 MHz mit 30 W bescheiden soll.

Die zum Teil etwas peinlichen Auftritte parallel zum Intel Developer Forum will die seriöse Serverfirma AMD in diesem Jahr wohl nicht mehr in Szene setzen. Stattdessen soll ein eigenes Developer Forum ins Leben gerufen werden. Wer weiß, vielleicht wird dann Intel mit schwarzen Stretch-Cars die Journalisten direkt vom ADF-Kongresszentrum abholen oder um die Ecke Glückskekse verteilen. (as)