Hausrecht für Forenbetreiber

Die Frage, ob ein virtuelles Hausrecht für Betreiber von Webforen besteht und welche Reichweite es dann haben könnte, ist seit langem umstritten. Licht in dieses juristische Halbdunkel und größere Rechtssicherheit für Forenbetreiber bringt nun eine neue Entscheidung des Landgerichts München.

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Von
  • Joerg Heidrich
Inhaltsverzeichnis

Die bislang einzigen bekannten Entscheidungen zum Ausschluss von Teilnehmern aus Internetangeboten stammen aus dem Jahr 2000 und bezogen sich auf Online-Chats. In diesem Verfahren wollte der Betreiber eines unentgeltlichen und ohne Zugangskontrollen oder Nutzungsbedingungen bereitgehaltenen Chats einen User von seinem Angebot ausschließen. Das Landgericht Bonn bejahte in seinem Urteil die Existenz eines virtuellen Hausrechts, auf dessen Basis der Anbieter grundsätzlich berechtigt sei, einzelne Nutzer auszusperren. Die Existenz dieses Hausrechts bestätigte das Oberlandesgericht Köln in der Berufung. Es ließ jedoch offen, ab welcher Beeinträchtigungsintensität von diesem Recht Gebrauch gemacht werden darf.

Für größere juristische Klarheit sorgt eine Entscheidung des Landgerichts München I vom 25. Oktober 2006 (Az. 30 O 11973/05), zu der nunmehr die schriftliche Begründung vorliegt. Kläger war der Heise Zeitschriften Verlag. Dieser hatte einem Teilnehmer an den Foren von heise online, der in vier Jahren über 11 000 Beiträge geschrieben hatte, aufgrund von wiederholten Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen und ständigen Provokationen dauerhaft die weitere Teilnahme an den Foren untersagt.

Trotz dieses Verbots meldete sich der Nutzer zum Teil unter Angabe falscher Personendaten mehrfach erneut an, woraufhin der Verlag Klage erhob. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erkannte der Beklagte nach Hinweis des Gerichts die ausgesprochene Kündigung an und verpflichtete sich strafbewehrt, es zu unterlassen, sich an den bei heise online bereitgehaltenen Foren zu beteiligen. In dem Urteil hatte das Gericht unter anderem über die Aufteilung der Verfahrenskosten hinsichtlich des Forenausschlusses zu entscheiden. Diese hat der Beklagte zu tragen, da er „im Rechtsstreit unterlegen wäre“.

Juristisches Neuland ist zunächst die Bewertung des Gerichts, dass bei der Anmeldung zu einem Internetforum ein Vertrag geschlossen werde [1]. Der Nutzer erwerbe dabei eine Rechtsposition, „aufgrund derer er nicht mehr willkürlich von der Veröffentlichung von Beiträgen ausgeschlossen“ werden könne. Gleichzeitig verpflichte diese Vereinbarung den Teilnehmer aber auch zur Einhaltung bestimmter Regeln, da der Betreiber für dessen Postings „nicht unerheblichen Haftungsrisiken“ ausgesetzt sei. Maßgeblich bestimmt werden diese Vorgaben durch die Nutzungsbedingungen des Forenanbieters, denen der User bei Vertragsschluss zustimmt.

Dem Betreiber eines Internetforums steht nach Ansicht des LG München auch ein virtuelles Hausrecht zu. Dieses finde seine Grundlage insbesondere in dem Recht des Anbieters, das diesem als Eigentümer oder Besitzer der verwendeten Hardware zustehe. Daneben speise sich das Hausrecht auch aus den rechtlichen Gefahren, die sich aus dem Betrieb des Boards ergäben. Dem Betreiber müsse daher die Befugnis zustehen, den Zugang zu Beiträgen zu sperren.

In dem vorliegenden Fall habe der Verlag den der Nutzung zugrunde liegenden Vertrag mit dem unerwünschten Teilnehmer wirksam gekündigt. Ein weiteres Festhalten an der Vereinbarung sei nicht zumutbar gewesen, da der Nutzer gegen seine Vertragspflichten verstoßen und damit die Interessen des Verlags verletzt habe. Ein wichtiger Grund für eine Kündigung sei bereits die Angabe eines falschen Namens bei der Anmeldung. Dies sei als eine vorsätzliche Täuschung zu werten, die für sich allein genommen schon geeignet sei, das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zu zerstören. Zudem hatte der Beklagte auch mehrfach E-Mails geschrieben, in denen er sich über den Verlag belustigt und weitere vorsätzliche Vertragsverletzungen angekündigt hatte.

Grundsätzlich ist nach Ansicht der Richter aus München die Sperrung eines Users davon abhängig zu machen, ob dieser konkret gegen die Nutzungsbedingungen des Anbieters verstoße. Dabei sei im Lichte der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit auch zu berücksichtigen, wie die Durchsetzung der selbst aufgestellten Richtlinien gegenüber anderen Usern gehandhabt werde. Die Zulässigkeit von Beiträgen in Meinungsforen müsse sich auch danach richten, „welche Inhalte und welcher Ton in den Beiträgen herrschen, mit denen sich ein Nutzer auseinandersetzt“.

Für die Betreiber von Internetforen bietet es sich nach der Entscheidung des LG München an, noch einmal die eigenen Nutzungsbedingungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen. Diese Regelungen sollten insbesondere auch Sanktionsmechanismen gegen „Off-Topic“-Postings oder aggressive und feindliche Beiträge unterhalb der Schwelle der strafrechtlichen Relevanz enthalten. Ebenso ist es sinnvoll, ein abgestuftes Sanktionsmodell zu schaffen, wonach ein Teilnehmer im Falle eines Verstoßes gegen die Forums-Policy zunächst nur für eine gewisse Zeit gesperrt wird.

Der Berliner Rechtsanwalt Thorsten Feldmann, der den Heise Verlag in dem Verfahren vertreten hatte, weist allerdings auch auf die Grenzen hin, die solche Vereinbarungen aufweisen. Da Nutzungsregeln vorformulierte Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Vereinbarungen enthalten, dürften sie als allgemeine Geschäftsbedingungen einer Inhaltskontrolle gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unterfallen. Danach seien etwa überraschende und den User besonders benachteiligende Klauseln ebenso unwirksam wie beispielsweise Vertragsstrafen.

[1] Joerg Heidrich, Thorsten Feldmann, Virtueller Platzverweis, Teilnehmer aus Internetforen ausschließen, c't 15/06, S. 182 (hob)