Tempo-Limit, nein danke

ADSL-Provider nutzen ihre Technik unterschiedlich effizient: Einige kitzeln aus schlechten Leitungen die optimale Bandbreite heraus, andere gehen auf Nummer sicher und schalten viel niedrigere Datenraten. Die Wahl des richtigen Providers und ein DSL-Modem, das auch mit schwachen Signalen gut umgehen kann, bringen so manchen Anschluss auf Trab.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 32 Kommentare lesen
Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Urs Mansmann
Inhaltsverzeichnis

Wochenlang versuchte Rüdiger R., den T-Com-Techniker dazu zu überreden, eine höhere Bandbreite auf seinem DSL-Anschluss zu schalten. Eine Leitungskapazität von rund 2,8 MBit/s zeigt sein Modem für die Leitung zur Vermittlungsstelle an, aber er bekommt nur 768 kBit/s geschaltet. Sein Nachbar hat es besser; der ist bei Arcor und hat bei derselben Leitungsqualität einen 2-MBit/s-Anschluss. Nach dem Wechsel zu Arcor darf sich nun auch R. über die höhere Geschwindigkeit freuen.

Ähnlich erging es Detlef G.; Statt 2 MBit/s bei der T-Com bekam er knapp 4 MBit/s bei Arcor. Auf den Tipp eines Bekannten hin wechselte er das DSL-Modem gegen ein neueres Modell aus und kann nun volle 6 MBit/s nutzen.

Solche Fälle sind fast schon die Regel. Die T-Com schaltet ADSL-Anschlüsse mit einer Bandbreite von 6 MBit/s oder weniger ausschließlich mit einer festen Datenrate, der Fachbegriff dafür lautet „fixed rate“. Dazu misst sie nicht etwa die Leitung durch, sondern errechnet die Leitungsdämpfung anhand der bekannten Parameter Querschnitt und Länge. Die T-Com hat in der Schnittstellenbeschreibung 1TR112 (Soft-Link), die oft als U-R2 bezeichnet wird, genau festgelegt, welche Geschwindigkeiten ADSL-Modems bei welcher Kabeldämpfung erreichen müssen. Sie hält sich selbst strikt daran und erlaubt keine höheren Geschwindigkeiten. Da hilft weder Betteln noch Drohen. Da bei „fixed rate“ eine Synchronisierung mit einer geringeren Geschwindigkeit nicht möglich ist, muss die T-Com Reserven einrechnen - schließlich soll der ADSL-Anschluss nachher zuverlässig funktionieren.

Geradezu bizarre Ergebnisse stellen sich bei nachträglichen Änderungen der Berechnungsgrundlagen ein. Ehemalige T-DSL-Kunden berichten in letzter Zeit vermehrt, dass sie nach der Umstellung zu einem Resale-Provider nur noch 384 statt der bisher möglichen 768 kBit/s nutzen konnten. Auch die Rückkehr zur T-Com konnte daran nichts mehr ändern. An diesem Anschluss seien nicht mehr als 384 kBit/s möglich, beschied der Service der T-Com unerbittlich - auch wenn die doppelt so hohe Geschwindigkeit zuvor jahrelang problemlos funktioniert hatte.

Die meisten Konkurrenten gehen das Problem anders an: Sie schalten, was die Leitung hergibt, setzen also eine variable statt einer festen Datenrate ein, „adaptive rate“ heißt das Verfahren. Außerdem legen sie wesentlich höhere Dämpfungsschwellwerte als die T-Com zugrunde und tasten sich damit näher an die Machbarkeitsgrenze heran. Statt errechneter 384 kBit/s bei der T-Com sind oft 1 bis 2 MBit/s im Downstream möglich. Statt 2 MBit/s bei der T-Com schalten sie oft 4 MBit/s oder mehr. Begrenzt wird die Datenrate nur nach oben - der Kunde soll natürlich nicht mehr bekommen als er bezahlt. Allerdings bekommt er womöglich weniger, nämlich dann wenn die bestellte Bandbreite nicht realisierbar ist. Vielen Kunden ist es aber viel lieber, für „bis zu“ 2 MBit/s zu bezahlen und nur 1,5 zu bekommen, anstatt einen sicherheitshalber auf „garantierte“ 384 oder 768 kBit/s gedrosselten Anschluss zum Standardpreis zu erhalten. Welche Provider Anschlüsse mit variablen Datenraten anbieten, ist der Tabelle „ADSL-Angebotsarten“ auf Seite 90 zu entnehmen.

Wenn die Dämpfung die nutzbare Datenrate für herkömmliches ADSL bereits merklich beschneidet, hilft auch die schnellere und jüngere Variante ADSL2+ nur wenig: Die dort praktisch möglichen 16 MBit/s werden in erster Linie durch die Verdopplung des Frequenzspektrums für den Downstream realisiert. Es wird also ein Bereich bis knapp jenseits der 2-MHz-Marke verwendet. Zwar nutzt ADSL2+ auch den unteren Teil des Spektrums effizienter als die ältere Variante, seine Vorteile kann es aber nur dann richtig ausspielen, wenn auch das zusätzliche Frequenzspektrum wenigstens teilweise nutzbar ist. Wenn die Dämpfung bereits im unteren Bereich deutlich zuschlägt, geht oberhalb von 1,1 MHz oft gar nichts mehr auf der Leitung.

Wie schnell die Verbindung ist, sagt nichts darüber aus, wie stabil sie ist. Eine Verschlechterung des Signals, beispielsweise durch Störungen von anderen Telefonleitungen, muss recht heftig ausfallen, um die Verbindung abbrechen zu lassen und eine erneute Synchronisierung, auch „Retraining“ genannt, zu erzwingen. Passiert das mehrmals am Tag, deutet es auf einen grundsätzlichen und schwerwiegenden Fehler in der Anschlussleitung wie etwa einen Wackelkontakt hin. Denn selbst wenn eine Verbindung das letzte Quäntchen Bandbreite aus der Leitung presst, hat sie nach der Synchronisierung immer noch eine gewisse Reserve für ein eventuelles Anwachsen des Störpegels. Wenn die Verbindung aber einmal abreißt, ist es egal, ob der Anschluss mit fester oder variabler Datenrate geschaltet ist; an einer Neusynchronisierung, die zwingend mit dem Abbruch der bestehenden Verbindung einhergeht, führt dann kein Weg vorbei.

Stören kann jedes Signal, das in den Übertragungsbereich fällt. Das können beispielsweise die DSL-Signale aus benachbarten Telefonadern sein, aber auch andere Störquellen. Mittelwellensender etwa sorgen im Umkreis von mehreren Kilometern dafür, dass schmale Bereiche des ADSL-Übertragungsspektrums nicht nutzbar sind. Andere Effekte, beispielsweise Resonanzen des Kabels, zeigen aber unterm Strich deutlich mehr Wirkung als der störende Sender.

Für die tatsächlich erzielbare Bandbreite ist daneben natürlich aber auch die Empfindlichkeit und Störfestigkeit des Modems wichtig. Wir haben daher ab Seite 92 eine Reihe von gängigen Geräten im Zusammenspiel mit den am häufigsten eingesetzten Gegenstellen (DSLAMs) getestet.

Wie schnell ist denn nun der Internetzugang? Die Frage lässt sich nicht immer ganz einfach beantworten. Zuerst sollte man dazu feststellen, mit welcher Geschwindigkeit das Modem im Up- und Downstream mit dem DSLAM in der Vermittlungsstelle verbunden ist. Die recht verbreitete Fritz!Box bietet dafür einen eigenen Menüpunkt „DSL-Informationen“. Aber auch aus anderen Modems lässt sich diese Information per Telnet herauskitzeln. Recht beliebt dafür ist das unter http://dmt.mhilfe.de kostenlos erhältliche DSL-Modem Tool (DMT), das eine ganze Reihe von Modems abfragen kann.

Diese Angabe ist allerdings nicht hundertprozentig verlässlich. Einige Provider wie Hansenet oder die hannoversche Telefongesellschaft htp drosseln nämlich die Geschwindigkeit der Verbindung netzseitig. Kunden mit 4-MBit/s-Anschlüssen werden tatsächlich mit 6 MBit/s oder der maximal möglichen Bandbreite geschaltet, die PPPoE-Verbindung wird dann aber auf 4 MBit/s gedrosselt. In einem solchen Fall zeigt das Modem natürlich eine erheblich zu hohe Bandbreite an, die sich praktisch über die bestehende PPPoE-Verbindung nicht nutzen lässt.

Nicht zu gebrauchen sind die im Internet weit verbreiteten Speed-Tests. Diese messen die Geschwindigkeit, in der Daten mit einem Server ausgetauscht werden. Die dabei erzielten Ergebnisse streuen sehr stark. Getestet wird nämlich nicht die eigene DSL-Verbindung, sondern die komplette Strecke zum Testserver und zurück. Ein Flaschenhals irgendwo auf dieser Strecke führt zu einem zu niedrigen Ergebnis. Die ermittelte Bandbreite kann aber auch zu hoch ausfallen: Wird das erste Paket einer Übertragung verzögert, ergibt sich eine zu geringe Übermittlungszeit und eine höhere Bandbreite als der Anschluss überhaupt hergibt.

Die zuverlässigsten Ergebnisse erhält man, wenn man zahlreiche Datenverbindungen gleichzeitig aufbaut, also beispielsweise von mehreren FTP- oder HTTP-Servern gleichzeitig herunterlädt. Die erreichte Bandbreite lässt sich unter Windows beispielsweise im Performance-Monitor (perfmon.exe) als Graph sichtbar machen. Aber auch diese Methode ist nicht wirklich genau: Der Overhead der Datenübertragung bläht die Datenmenge im Analysetool um einige Prozent auf, sodass tendenziell zu hohe Ergebnisse angezeigt werden.

Entscheidend für die Qualität der DSL-Signale auf der Telefonleitung und damit die Datenrate ist vor allem die Länge der Leitung. Je weiter die Vermittlungsstelle vom DSL-Modem des Kunden entfernt ist, desto stärker werden die Signale gedämpft, je höher die Frequenz, desto höher wird diese Dämpfung. Auch die Dicke der Leitung spielt eine Rolle. Üblicherweise sind Kabel mit einem Durchmesser von 0,4 mm verlegt, was zu einer maximalen Reichweite von rund 4,7 Kilometern führt.

Natürlich lassen sich auch längere Telefonleitungen noch für DSL nutzen. Dazu müsste man aber andere Varianten als das gegenwärtige ADSL einsetzen. Long Reach DSL beispielsweise ist eine auf recht niedrige Datenraten, aber hohe Reichweiten getrimmte Variante. Ebenfalls eine deutlich höhere Reichweite erlaubt das symmetrische SDSL, das daher von einigen regionalen Telefongesellschaften auch im Privatkundengeschäft eingesetzt wird, etwa BreisNet in der Gegend von Freiburg. Meist wird SDSL nur für Firmenkunden geschaltet - wegen der geringeren Verbreitung ist die erforderliche Hardware deutlich teurer. Da SDSL den gesamten Frequenzbereich der Anschlussleitung nutzt, kann es anders als ADSL nicht mit einem Telefonanschluss kombiniert werden. Die meisten Provider haben aber keine Lust, zusätzliche Zugangsmöglichkeiten einzusetzen, die in Service und Wartung einen höheren Aufwand nach sich ziehen, und verzichten lieber auf einige Neukunden.

Bei der Planung des Leitungsnetzes für das Telefon war DSL noch kein Thema. Ursprünglich legte man nur die Nutzung per Telefon zugrunde, wobei der ohmsche Widerstand entscheidend war. Auch die Einführung von ISDN in den späten 80er-Jahren war noch unkritisch. Ein ISDN-Signal belegt gerade einmal den Bereich bis 120 kHz. ADSL jedoch nutzt den Frequenzbereich zwischen 138 und 1104 kHz, den unteren Teil bis 275 kHz für den Upstream, darüber für den Downstream. Hier spielen andere Effekte eine Rolle, beispielsweise der Skin-Effekt, bei dem sich der für die Signalübertragung nutzbare Querschnitt des Leiters mit steigender Frequenz reduziert, womit der Widerstand und damit die Dämpfung steigt. Bei sehr langen Kabeln sind die oberen Frequenzbereiche daher praktisch nicht mehr nutzbar, was die Bandbreite erheblich einschränkt.

Auf den T-Com-Leitungen wird aber gerade der potenziell am besten nutzbare unterste Bereich verschenkt. Die T-Com und ihre Konkurrenten schalten ADSL ausnahmslos nach Annex B, reservieren also den Frequenzbereich für ein ISDN-Signal. Das ist immerhin 120 kHz breit, ein Analogsignal hingegen nur 3 kHz. Der Annex A, der lediglich diesen schmaleren Bereich freihält, wird nicht verwendet. Immerhin 32 von 256 Trägern, also ein Achtel der Gesamtkapazität von ADSL, liegen in dem für ISDN grundsätzlich reservierten Bereich.

Mit dem Umstieg auf das Next Generation Network (NGN) in Kombination mit beim Kunden geschalteten IAD (Integrated Access Device) wird die Bandbreitenreservierung für Telefonieanwendungen ohnehin obsolet, denn Telefonie ist dann einfach nur eine IP-Anwendung von vielen, der reservierte Bereich liegt brach. Die Carrier arbeiten daher bereits an Lösungen, die die gesamte Bandbreite des Telefonanschlusses für ADSL nutzen. Damit ließe sich die jetzige Versorgungsgrenze nochmals massiv nach hinten verschieben.

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 08/2007.

Soft-Link

"DSL, aber schnell"
Artikel zum Thema "DSL, aber schnell" finden Sie in der c't 8/2007:
Provider ohne Tempo-Limit S. 86
15 ADSL2+-Modems im Test S. 92

(uma)