Weltweit-Webradio

Haben auch Sie schon einmal den Zeiger eines Röhrenradios über die Namen ferner Städte gleiten lassen und fasziniert den mysteriösen Klängen aus dem Äther gelauscht? Heutzutage erobert man neue Klangwelten mit dem Internet-Radioempfänger. Den Zugriff auf die Musiksammlung im PC gibt es gleich dazu.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Sven Hansen
Inhaltsverzeichnis

Trotz der Übermacht des Visuellen hat das gute alte Radio längst nicht ausgedient. Die Digitalisierung des Rundfunks in Deutschland ist mit dem Hickhack um die Frage nach dem richtigen Standard - DAB oder DVB - ins Stocken geraten. Die digitale Radiorevolution bahnt sich unterdessen über die DSL-Leitungen der Zuhörer den Weg in die Wohnzimmer.

Inzwischen sind unzählige Internetradiostationen aus aller Herren Länder im Internet abrufbar, die man bisher ausschließlich am PC mit entsprechender Abspielsoftware genießen konnte. Die neue Kategorie der kompakten Internetradios macht die Vielfalt an Stationen nun ohne Computer abrufbar. Die Geräte benötigen lediglich einen Stromanschluss und eine Internetverbindung.

Unserem Test stellten sich sieben kompakte Geräte, die über ihre eingebauten Lautsprecher Internetradiostationen per Netzwerkverbindung zum Klingen bringen. Zwei Kandidaten kommen im Gewand eines alten Kofferradios daher: Terratecs Noxon iRadio und der RXi 300WL von Scott. Ebenfalls von Terratec stammt der Noxon 2 radio for iPod, eine Kombination aus dem in c't 11/06 getesteten Noxon 2 audio und der auch separat erhältlichen Lautsprecher-Basis. TechniSat schickt mit seinem Internetradio 1 ein schickes Designstück fürs Wohnzimmer in den Test.

Aus Philips’ Streamium-Serie stammt die Wireless Music Station WAK3300, ein Streaming-Client in Form eines Radioweckers. Abweichend von der eigentlichen Streamium-Vision des „Connected Planet“ gibt das Gerät von Haus aus kein Internetradio wieder, lässt sich aber zumindest über den Umweg eines im Netz befindlichen PC als Abspielstation nutzen. Die Firma Streamit schickte uns den lukas TE, der bisher nur für OEM-Partner in den Niederlanden und den USA verfügbar war, für deutsche Kunden aber neuerdings direkt über den Webshop des Herstellers zu haben ist.

In letzter Minute erreichte uns der IPdio von dnt, der - wegen seiner engen Verwandtschaft mit Scotts RXi 300WL - mit diesem gemeinsam besprochen wird.

Fast alle Kandidaten sind mit WLAN-Schnittstellen ausgestattet, über die sie sich - eine bestehende Internetverbindung vorausgesetzt - in Internetradio-Streams einklinken können. Die Geräte von Terratec, TechniSat und Philips kann man auf Wunsch auch per Ethernet-Kabel ins heimische Netz integrieren.

Das lukas TE des niederländischen Herstellers Streamit spielt eine Sonderrolle: Es setzt ausschließlich auf eine Festverkabelung per Ethernet, kann sich aber auch mit seinem integrierten 56k-Modem über eine analoge Telefonverbindung ins Internet einwählen.

Streamit vertreibt das Gerät in den Niederlanden als Kirchenradio für ältere Menschen, die oftmals nicht über einen breitbandigen Internetanschluss verfügen. Der Modemzugriff lässt sich für jeden frei zugänglichen MP3-Stream nutzen, allerdings ist das Angebot der abrufbaren Stationen dann auf Sender mit 32 kBit/s beschränkt, und für die Datenverbindung fallen zusätzliche Kosten an.

Alle Geräte mit WLAN lassen sich per WPA geschützt sicher in bestehende Funknetze integrieren. Bei Philips’ WAK3300 gerät das Eingeben längerer Passwörter mit der hakeligen Folienfernbedienung und einer ungeschickten Benutzerführung allerdings zum Geduldsspiel.

Terratecs Noxon 2 radio und Philips’ Radiowecker sind zusätzlich mit einem UKW-Tuner ausgestattet, sodass man auch nicht auf das klassische Radioerlebnis verzichten muss.

Es dürfte kaum ein musikalisches Genre geben, das sich nicht irgendwo in den Weiten des Internet als Radiostation wiederfindet: ob christliche Choräle, die Gesänge der Buckelwale, Klostermusik aus dem Himalaja oder Bollywood-Balladen. Daneben finden sich die Klassiker aus Rock, Pop und Jazz, aber auch viel Skurriles wie zum Beispiel „The 1920s Radio Network“, das die Hits des letzten Jahrtausends im Grammophon-Sound zum Besten gibt. Die Vielfalt scheint unerschöpflich.

Umso schwerer fällt es, die richtige Station im ausufernden Angebot zu finden. Neben der schieren Zahl erschwert die Kurzlebigkeit manchen Angebots die Auswahl - nicht jede Station ist so beständig wie das Streaming-Angebot der BBC.

Um dem Kunden einen möglichst frustfreien Zugang zum Internetradio zu ermöglichen, arbeiten die meisten Hersteller mit Drittanbietern zusammen, die vorkonfigurierte Senderlisten vorhalten. Hier kann man in einer nach Genres oder Herkunftsländern sortierten Auswahl von Radiostationen blättern.

Terratec arbeitet mit dem Dienst radio567.com (vTuner) zusammen. Wer sich als Nutzer bei dem Portal anmeldet, kann unter Angabe der MAC-Adresse seines Internetradios vom PC aus bequem die eigene Favoritenliste zusammenstellen und neue Sender manuell einpflegen.

Einen übersichtlicheren Zugriff erlaubt der Dienst reciva.com, mit dem die Geräte von Scott und dnt zusammenarbeiten. Einmal auf dem Webportal registriert, muss man zunächst das Radio anmelden. Danach lassen sich neue Radiostationen und sogar Podcasts einbinden. Bei der nächsten Aktualisierung erscheint in der Menüstruktur des Radios der Punkt „My Stuff“, und Podcasts oder Wunschstationen lassen sich vom Radio aus abrufen.

Scotts RXi 300WL und der IPdio warten mit einem besonderen Schmankerl auf: Die Empfänger spielen nicht nur Live-Streams ab, sondern können auch auf On-Demand-Angebote wie zum Beispiel das BBC-Archiv der vergangenen zwei Wochen zugreifen. Für anglophile Zuhörer ein nahezu unerschöpflicher Fundus.

TechniSat kümmert sich selbst um die Pflege der hinterlegten Kanallisten. So kann man zum Beispiel die hauseigenen Spartenkanäle genießen, die sonst nur gegen ein monatliches Entgelt zu empfangen sind. Der Nachteil des Systems: Die Liste lässt sich nicht direkt ergänzen, neue Stationen kann man auf der TechniSat-Homepage zwar melden, ob und wann sie in den Katalog Einzug halten, ist allerdings nicht sicher.

Bei Philips und Streamit muss man selbst Hand anlegen, um die Geräte zum Abspielen der gewünschten Internetstation zu bewegen. Der lukas von Streamit lässt sich hierzu grundsätzlich in drei verschiedenen Betriebsmodi einsetzen. Zum einen kann er auf Radiostationen zugreifen, die sich in der Firmware hinterlegen lassen - nur etwas für OEM-Kunden. Bei unserem Testgerät waren hier Links zu verschiedenen Kirchensendern abgespeichert.

Interessanter ist schon die Variante, bei der per Weblink auf einen PC zugegriffen wird, der eine Liste mit Stationen vorhält. Wer unabhängig vom PC sein will, muss lukas über die mitgelieferte Konfigurationssoftware, das Streamit Terminal Program (STP), in den Modus 3 versetzen und einmalig eine Liste von bis zu sechzehn Internetradiostationen hinterlegen. Die fertige Konfiguration lässt sich dann per Mausklick via USB-Kabel an das Gerät übertragen und ist dort fortan gespeichert.

Der WAK3300 von Philips lässt sich nur durch Einsatz zusätzlicher Serversoftware als Internetradio nutzen.

Die Testkandidaten müssen im häuslichen Umfeld meist mit dem alten Kofferradio konkurrieren, also nicht unbedingt klangliche Wunder vollbringen. Vor diesem Hintergrund schlagen sich die Geräte beim subjektiven Hörtest erstaunlich gut. Das gilt vor allem für das 2.1-System in Terratecs Noxon 2 radio und die abnehmbaren Aktivlautsprecher von TechniSats Internetradio 1. Scotts RXi 300WL, das IPdio von dnt und Terratecs Noxon iRadio können aus ihren 8-cm-Membranen immerhin noch einen respektablen Mono-Sound quetschen. Die Kandidaten von Philips und Streamit rangieren klanglich am Ende des Testfelds, immerhin peppt der Streamium WAK3300 durch eine elektronische Bassanhebung den Klang ein wenig auf.

Neben den Eigenschaften der integrierten Aktivlautsprecher spielt die Art und Anzahl unterstützter Audiocodecs eine entscheidende Rolle für die Audioqualität. Längst nicht jede Radiostation wird als MP3-Stream gesendet. WMA- und RealAudio-Ströme sind ebenso zu finden wie Angebote, die bandbreitenschonend in High-Efficiency-AAC (auch AAC+) kodiert sind. Bei der verbesserten Version des AAC-Codecs werden die oberen Frequenzbereiche nicht mit übertragen, sondern per Spectral Bandwidth Replication (SBR) erst während des Dekodiervorgangs eingerechnet. Nur die Geräte von Terratec beherrschen AAC+, was sich bei der Wiedergabe entsprechender Stationen in einer deutlich besseren Wiedergabequalität bemerkbar macht.

Ansonsten haben die Internetradios von Scott und dnt in puncto Formatunterstützung die Nase vorn. Neben den üblichen MP3- und WMA-Strömen kann man auch Kanäle in Ogg Vorbis und RealAudio empfangen. Der lukas von Streamit versteht sich ausschließlich auf MP3-Streams.

Bis auf das Gerät von Streamit unterstützen alle Kandidaten den UPnP-AV-Standard und können Musikdateien von entsprechenden Servern im Heimnetz aus abspielen. Terratec legt seinen Geräten mit dem TwonkyMusic-Server (Windows, Linux) und Elgatos EyeConnect (Mac) ein komplettes UPnP-Softwarepaket bei. Die Streaming-Funktionen lassen sich so unter jedem Betriebssystem nutzen.

Philips setzt auf den hauseigenen Philips Media Manager (PMM) für Windows, der auch bei anderen Geräten der Streamium-Serie zum Einsatz kommt. Scott, dnt und TechniSat verzichten auf die Dreingabe jeglicher Software. Hier ist der Nutzer auf sich allein gestellt. Mit dem Windows Media Player 11 gibt es zumindest für Windows einen kostenfreien UPnP-AV-Server. Scott und dnt bieten eine Alternative zum Zugriff per UPnP-AV an, hier lassen sich einfache Windows-Freigaben (SMB) im lokalen Netz anwählen.

Im Umgang mit großen Musiksammlungen will mit den Testgeräten so recht keine Freude aufkommen, vor allem weil die Displays meist nur vier Zeilen anzeigen - zu wenig Raum, um den Überblick zu behalten. Der Philips WAK3300 ist mit einer fünfzeiligen Darstellung der Einäugige unter den fast Blinden.

DRM-geschützte Musik aus Kaufportalen konnten nur die Geräte von Terratec wiedergeben, obwohl sich mit TechniSat und Philips zwei weitere Hersteller die Unterstützung von Microsofts DRM 10 auf die Fahnen geschrieben hatten.

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 12/2007. (sha)