Image verpflichtet

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Von
  • Laurenz Weiner


Image verpflichtet

Die einen bauen sich ihr Image über Kleidung, andere über Piercings oder Tattoos, wieder andere schwören auf "Image-trächtige" Autos. Speziell das Image deutscher Premium-Autos ist auf Qualität, Technikvorsprung und hohe Wertigkeit aufgebaut und eng mit dem Wohl des Herstellers selbst verknüpft.

Wenn folglich eine neue Serie nobler Fahrzeuge wie vor ein paar Jahren die E-Klasse von Mercedes-Benz elektronischen Schnupfen bekommt, hat auch ein großer Konzern plötzlich Grippe. Dann ist sehr teure Imagepflege angesagt, die weit über die Kosten für Nachbesserungen hinausgeht - und die auch wirklich durch-gezogen wird. Wie eng Image und Geld miteinander verknüpft sind, haben auch die Beteiligten an der Tour de France gerade lernen müssen.

Die Hersteller von Grafikchips und -karten indes geben sich da völlig unbekümmert. Wer im vergangenen halben Jahr für so viel Geld, wie andere für komplette PCs zahlen, eine Grafikkarte für Direct3D 10 erworben hat, muss bis heute damit leben, dass etliche Funktionen gar nicht, eingeschränkt oder nur mit skurrilen Macken arbeiten.

Die Mängelliste der Radeon- und GeForce-Chips aus dem Hause AMD beziehungsweise Nvidia mitsamt ihren Treibern berührt alle Funktionsbereiche, ob 3D-Beschleunigung, Kühlsystem, HD-Video-Unterstützung oder simple Desktop-Verwaltung. Sie reicht von Kleinigkeiten wie nicht funktionierenden Video-Bildreglern über nervend eingestellte, nicht anpassbare Lüfterregelungen bis hin zur De-facto-Untauglichkeit für die ersten Direct3D-10-Spiele. Und was einige Kartenhersteller als Zugaben auf ihre CDs brennen, scheint im eigenen Haus niemand getestet zu haben.

Die Diskrepanz zwischen realen Mängeln und Versprechungen des Marketings ist fast schon absurd - und die nächste Chip-Generation steht bereits vor der Tür. Die Engelsgeduld, die Spielefans immer wieder auf neue Treiber wartend an den Tag legen, könnte längst als Beleg dafür gelten, dass andauernder Genuss martialischer Actionspiele doch nicht die Gewaltbereitschaft erhöht.

Besserung scheint nicht in Sicht: AMD und Nvidia als Chip-Entwickler verweisen auf die Kartenproduzenten, die wiederum mit dem Finger auf AMD und Nvidia zeigen. Und irgendwie ist ja auch Microsoft schuld mit Windows Vista, das den Entwicklern dieses Direct3D 10 erst eingebrockt hat. Wenn es aber der Industrie, die so stolz auf die kürzesten Innovationszyklen überhaupt ist, nicht gelingt, gleichzeitig ordentliche Treiber für ein seit Jahren angekündigtes Betriebssystem und fürs Vorgängersystem hinzubekommen, dann muss sie dringend was ändern.

Die große Mehrheit der PC-Spieler hätte sicherlich keine Probleme damit, wenn statt zweier nur noch eine neue Chip-Generation pro Jahr erschiene, deren Treiber dann aber auf Anhieb voll funktionierten. Ich empfehle einen Blick auf die Spielkonsolenhersteller. Die haben das mit Image, Qualität und Nachbesserungsverpflichtung schon ganz gut verstanden. Was also soll einen PC-Spieler davon abhalten, mit einer Konsole am großen LCD-TV Spaß zu haben? (law)