Leuchtturm entschleiert

Nach zwei Jahren des Vorgeplänkels darf das Suchmaschinen-Leuchtturmprojekt Theseus endlich starten. Erst jetzt wird langsam klar,wer eigentlich mitforschen darf und woran.

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Das Wirtschaftsministerium (BMWi) darf das Forschungsprojekt Theseus fördern [1]; da die Subventionen den europäischen Vorgaben für Forschung und Entwicklung entsprechen, hat die EU-Kommission Mitte Juli die Beihilfe bewilligt. Das Ministerium wird das Projekt über fünf Jahre mit etwa 90 Millionen Euro fördern. Denselben Betrag bringen die beteiligten Partner durch Eigenmittel auf, sodass insgesamt etwa 180 Millionen Euro in das Vorhaben fließen.

Theseus hatte eine lange und schwierige Geburt. Ursprünglich, also Mitte 2005, sollte es unter dem Namen Quaero als deutsch-französische Kooperation die Vorherrschaft von Google im Suchmaschinenmarkt angreifen, so die ausdrückliche Kampfansage des damaligen Premiers Jacques Chirac. Die französische Seite fand auch schnell Partner unter der Federführung des Technikkonzerns Thomson. Als ein erstes Ergebnis der Franzosen ist die Volltextsuchmaschine Exalead seit 2006 am Netz (www.exalead.de), die den Vergleich mit Google und Co. nicht zu scheuen braucht [2].

Deutschland benötigte wesentlich mehr Zeit. Offenbar tat man sich unter anderem mit der Anti-Google-Ausrichtung schwer; das federführende Wirtschaftsministerium, so hörte man hinter vorgehaltener Hand, hatte Schwierigkeiten, überhaupt Partner zu finden, die sich in einem Konsortium zusammenfassen ließen. Die Deutsche Telekom stieg bereits Anfang 2006 aus dem Projekt aus.

Die gesamte Projektierung stand unter keinem guten Stern. So gab es für das millionenschwere Vorhaben keine öffentliche Ausschreibung. Mehrere deutsche Unternehmen und Institutionen, die sich mit Suchmaschinentechnik beschäftigen und sich beteiligen wollten, wurden abgewiesen. So vertröstete man im Wirtschaftsministerium zum Beispiel Stefan Fischerländer, Betreiber der Suchmaschine Neomo, auf eine zweite Ausschreibungsrunde. Die undurchsichtige Teilnehmerfindung führte sogar zu einer kleinen Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag [3].

Ende 2006 hatte das BMWi dann sein aus 22 Unternehmen und Forschungseinrichtungen bestehendes Konsortium beisammen. Die empolis GmbH, eine Tochter der zum Bertelsmann-Konzern gehörenden arvato AG, soll das Projekt koordinieren. Zu den Partnern zählen neben Großkonzernen aus der IT-Branche auch kleinere Unternehmen und ein gutes halbes Dutzend Forschungseinrichtungen.

Nachdem die Partner gefunden waren, wurde dem Projekt ein neuer Name gegeben - und die Kooperation mit Frankreich beendet (obwohl man über Arbeitsgruppen mit den Franzosen in Kontakt bleiben will). Das hat wohl auch mit der thematischen Umorientierung der deutschen Seite zu tun. Theseus soll sich anders als Quaero nicht mit einer „konventionellen Suchmaschine“ befassen. Vielmehr sollen mit Theseus „anwendungsorientierte Basistechnologien und technische Standards erarbeitet und erprobt werden“ für „neuartige Produkte, Tools, Dienste und Geschäftsmodelle für das World Wide Web sowie die Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft von morgen“.

Die Projekt-Selbstbeschreibung liest sich stellenweise wie eine Zusammenstellung altbekannter Versprechungen der KI-Forschung: „Im Fokus des Forschungsprogramms stehen semantische Technologien, die Inhalte (Wörter, Bilder, Töne) nicht mit Hilfe herkömmlicher Verfahren (zum Beispiel Buchstabenkombinationen) ermitteln, sondern die inhaltliche Bedeutung der Informationen erkennen und einordnen können.“

Solche Phrasen haben Wolfgang Sander-Beuermann zu einer harschen Kritik an dem Projekt veranlasst. „Theseus pflegt die Illusion, dass mit dem semantischen Web der übernächsten Generation deutsche IT wieder chancengleich würde. Leider fehlen dazu die Basistechnologien: Man kann keinen Porsche bauen, wenn die Kenntnisse fehlen, wie eine Zündkerze funktioniert.“ Sander-Beuermann ist der Vorsitzende des SuMa-eV, der sich seit Jahren für neuartige Suchmaschinen-Konzepte engagiert [4].

Mittlerweile haben die Theseus-Beteiligten ein wenig den Schleier gelüftet, woran sie konkret forschen wollen. In sechs praxisnahen Anwendungsszenarien wollen sie die Forschung vorantreiben. Eines dieser Szenarien nennt sich Alexandria und soll Anwender bei der Veröffentlichung, Weiterverarbeitung und bei der Suche nach Inhalten unterstützen. Dabei sollen semantische Techniken mit sozialen Suchdiensten verknüpft werden. Unter anderem wollen die Forscher der Frage nachgehen, wie sich - streng gegliederte - Ontologien mit den eher locker aus Benutzer-Input gewachsenen Folksonomies in Einklang bringen lassen. Andere Anwendungsszenarien befassen sich mit medizinischer Bildersuche und einem semantischen Unterbau für eine serviceorientierte Software-Architektur.

Das Konsortium sieht auch vor, weitere Partner ins Boot zu holen. Im Herbst will man einen Wettbewerb ausrufen, der sich an „junge Talente an den Universitäten und in der Open-Source-Szene wendet, um wirklich allen Interessierten die Gelegenheit zu geben, sich in das Projekt einzubringen“, so Theseus-Sprecher Thomas Huber gegenüber c't: „Im Jahre 2008 sollen im Wege einer Ausschreibung weitere Partner insbesondere aus der mittelständischen Wirtschaft mit einbezogen werden.“

[1] Homepage von Theseus, http://theseus-programm.de

[2] Jo Bager, Europäische Gegenströmung, Bestrebungen zur Entwicklung europäischer Google-Konkurrenten, c't 10/06, S. 172

[3] Kleine Anfrage im Bundestag zu Quaero, http://dip.bundestag.de/btd/16/035/1603565.pdf

[4] Homepage des SuMa-eV: http://suma-ev.de (jo)