Beamen ohne Verschränkung

Quanten-Teleportationsexperimente, wie sie seit dem ersten „Beam“-Experiment mit Lichtteilchen vor zehn Jahren immer wieder Schlagzeilen machen, nutzen als wesentliches Element verschränkte quantenmechanische Teilchen aus. Australische Forscher glauben, dass sie für eine ganz spezielle Versuchssituation eine einfachere Alternative gefunden haben.

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Von
  • Dr. Veronika Winkler

Nach einem Schema, das Forscher um Charles H. Bennett von IBM 1993 ersonnen haben, teilen sich bei der quantenphysikalischen Teleportation Sender und Empfänger immer ein Paar verschränkter Teilchen, an denen trickreich Messungen vorgenommen werden. Einige Aufmerksamkeit hat nun der kürzlich im britischen Wissenschaftsmagazin „New Scientist“ veröffentlichte Vorschlag hervorgerufen, dass auch eine andersartige Teleportation, die ohne Verschränkung auskommt, möglich sein könnte.

Die Physikergruppe um Ashton Bradley von der University of Queensland ist der Meinung, dass ihr Procedere, das nicht mit einzelnen Atomen arbeitet, sondern auf die Teleportation einer Materiewelle aus Tausenden Atomen zugeschnitten ist, deutlich leichter durchführbar sein sollte als die von Albert Einstein spukhafte Fernwirkung genannte Verschränkung. Deshalb müssten damit höhere Werte für die Güte der Übertragung erreichbar sein als bei Quanten-Teleportationsexperimenten, deren beste Wiedergabetreue (Fidelity) zurzeit bei 85 Prozent liegt.

Einen besonderen Vorteil sieht Bradleys Team in einem bisher nur als Preprint vorliegenden Paper (http://arxiv.org/pdf/0706.0062) auch darin, dass die „zu beamende“ Information auf einem Lichtpuls reist: Prinzipiell ginge dies also auch kilometerweit durch eine Glasfaser, beziehungsweise so weite Strecken, wie es die Beschaffenheit des Pulses und die technischen Möglichkeiten erlauben. Mit der Übertragung von Quantenzuständen von Materie auf Licht und wieder auf Materie wären die Schlüsselbausteine für ein Quantennetzwerk gegeben, das unabkömmlich ist für den Informationsfluss innerhalb und zwischen künftigen Quantencomputern. An der Schaffung von Quantennetzwerken arbeitet man auch mit völlig anderen Ansätzen (c't 15/07, S. 49, c't 1/06, S. 57).

Zur Umsetzung des von Bradley und seinen Kollegen vorgeschlagenen Schemas werden Bose-Einstein-Kondensate benötigt. Ein Bose-Einstein-Kondensat, kurz BE-Kondensat, ist ein höchst exotisches Gebilde, in dem typischerweise Millionen von Atomen - sehr oft Rubidium 87 - ihre Identität aufgeben und zu einer Art Superatom mit einem einzigen Quantenzustand werden. Hergestellt werden BE-Kondensate seit 1995 aus extrem verdünnten Gaswölkchen, die dazu auf wenige zehnmillionstel Grad über den absoluten Nullpunkt gekühlt und in speziellen magnetischen Fallen gefangen gehalten werden.

In der Computersimulation der Forscher bewegt sich nun auf eines von zwei möglichst gleichartigen BE-Kondensaten eine Materiewelle aus rund 5000 Atomen zu, die wie die BE-Kondensate ebenfalls ein Kollektiv mit einem einzigen Quantenzustand darstellen. Eine derartige Materiewelle gleicht einem Laserpuls bis auf den Umstand, dass in ihr statt Lichtteilchen Atome stecken. Deshalb sprechen Physiker hier von einem Atomlaserpuls, der üblicherweise über spezielle Manipulationen beispielsweise mit Hilfe von Laserlicht aus einem BE-Kondensat ausgekoppelt wird.

Das geschieht auch nach dem Schema der Australier, bei dem sich BE-Kondensat und Materiewelle zunächst in energetisch leicht unterschiedlichen Quantenzuständen befinden. Während nun die Materiewelle in das erste BE-Kondensat hineinläuft, wird dieses von einem Kontroll-Laser angestrahlt - mit genau der Polarisation und einer etwas verstimmten Wellenlänge, die dafür sorgen, dass der Quantenzustand der Materiewelle in einen dritten, angeregten Zustand übergeht. Dieser Zustand ist instabil, sodass die Atome der Materiewelle alsbald in einen der beiden energieärmeren Zustände, die das Kondensat beziehungsweise der Kontroll-Laser innehaben, übergehen und dabei ein Photon in eine beliebige Richtung aussenden sollten.

Laut Schema sollen die Verstimmung und der Umstand, dass sich alles in einem BE-Kondensat abspielt, aber dafür sorgen, dass etwas viel Spannenderes passiert: Die Materiewellenatome emittieren die Lichtteilchen phasengleich in die ursprüngliche Bewegungsrichtung der Materiewelle. Während diese in dem BE-Kondensat aufgeht, wird also ein Laserpuls abgestrahlt. Die Information, die im Quantenzustand der Materiewelle steckt, wechselt dabei hinüber auf den Zustand des Lichtpulses. Dieser wird, wenn er auf das andere BE-Kondensat trifft, das von einem zweiten Kontroll-Laser in möglichst gleicher Weise wie das erste beleuchtet wird, quasi wieder zum Quantenzustand einer neuen Materiewelle - der teleportierten. Stück für Stück erscheint sie im zweiten BE-Kondensat gerade so, wie die erste im ersten Kondensat verschwindet. Die neu hervorgerufene Materiewelle ist vom nicht mehr vorhandenen Original nicht zu unterscheiden, womit es sich um eine echte Teleportation handelt.

Im Gegensatz zu Bennetts Schema muss dafür keiner der Quantenzustände gemessen werden, was nach Ansicht der Forscher die Sache deutlich vereinfachen soll. In ihrer Arbeit schätzen sie außerdem mögliche Güteeinbußen der Übertragung ab. Dafür kommen unter anderem Stöße der Atome in den Kondensaten und Materiewellen infrage, die nie ganz vermieden werden können und dafür sorgen, dass BE-Kondensate üblicherweise nur einige Sekunden lang bestehen. Darüber hinaus sollten die beiden BE-Kondensate gleich präpariert sein und die Kontroll-Laser mit gleicher Intensität strahlen, was in der Praxis perfekt nie machbar ist. Dennoch glauben Bradley und seine Gruppe, bei der Übertragung deutlich bessere Wiedergabegenauigkeiten zu erreichen als 85 Prozent.

Begeisterung hat das Schema bereits bei dem Experimentator John Close von der Australian National University in Canberra geweckt. Die Vorbereitungszeit für ein Experiment zur Erprobung des Schemas schätzt er allerdings auf vier Jahre - auch in der einfacheren Variante wird man für die Teleportation wohl noch einen gewissen Aufwand treiben müssen. (anm) (anm)