Reden und lauschen: Interaktive Barbie kommt in US-Läden

Überwachung im Kinderzimmer? In den USA sorgt die sprechende Barbie "Hello Barbie" mit direktem Draht in die Cloud für Diskussionen.

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Hello Barbie

(Bild: Mattel)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andrea Barthélémy
  • dpa
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Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft kommt die sprechende "Hello Barbie", mit Mikrofon und WLAN-Anschluss versehen, in die US-Läden – für 75 Dollar (68 Euro). Sie soll für den seit Jahren schwächelnden Puppen-Klassiker des Spielzeugherstellers Mattel Marktanteile zurückerobern. Denn derzeit haben Königin Elsa und Prinzessin Anna aus "Frozen" der Barbie deutlich den Rang abgelaufen.

Seit Mattel die "Hello Barbie" dieses Frühjahr in New York auf der Spielzeugmesse vorstellte, reißt die Kritik von besorgten Eltern und Datenschützern nicht ab: Von einer "Abhör-Barbie" ist die Rede und vom Missbrauch kindlicher Privatsphäre, auch eine Online-Petition läuft. Doch ebenso wie in Deutschland ist der allgemeine Trend hin zu mehr High Tech im Kinderzimmer stark. Auch mit dem Sprachassistenten steht "Hello Barbie" nicht allein: Das US-Startup Elemental Path nimmt derzeit Vorbestellungen für einen sprechenden und lernfähigen Mini-Dino entgegen – mit IBMs Supercomputer-Technik Watson versehen.

"Hello Barbie" funktioniert ähnlich wie die Spracherkennung in vielen Smartphones: Ein Mikrofon, das im Nacken der Puppe sitzt, nimmt alles auf, was Barbies Gesprächspartner sagt. Die Daten werden via WLAN in die Cloud geschickt, wo die passende Antwort aus rund 8000 bereitgestellten Dialogsätzen ausgewählt wird. Den gewonnenen Input behält "Hello Barbie" dann für künftige Antworten "im Hinterkopf".

Doch was passiert mit den aufgenommenen Daten? Laut Mattel werden sie nicht zu Werbezwecken gespeichert, sondern nur um das Gesprächserlebnis zu verbessern, und nach zwei Jahren wieder vom Server gelöscht. Außerdem müssten die Eltern zu Beginn auch ihre Zustimmung geben. Doch ähnlich wie bei einigen anderen elektronischen Geräten mit Sprachsteuerung, die den Umgebungsgeräuschen lauschen, um ein für sie gedachtes Schlüsselwort nicht zu verpassen, hält sich Skepsis. Von den Datenschützern bei Digitalcourage bekam die Barbie in diesem Jahr prompt den "Big Brother Award" verliehen.

In den USA machen unter anderem die Anwälte der "Campaign for a Commercial-free Childhood" (CCFC) mobil und initiieren zum Verkaufsstart eine Social-Media-Kampagne unter dem Motto "Hell No Barbie". Mehrere Zehntausend haben bereits gegen die Barbie unterzeichnet. CCFC-Geschäftsführer Josh Golin befürchtet, dass persönliche Daten geteilt und für Marketingzwecke genutzt werden. "Da gibt es eine ganze Menge Bedenken, was Privatsphäre und Sicherheit angeht", sagte er in einem TV-Interview. Schließlich würden Kinder ihrem Spielzeug auch geheime, ganz private Dinge anvertrauen, die niemanden etwas angingen.

Das Startup Toy Talk (San Francisco) hat den Sprachassistenten entwickelt und zusammen mit Mattel die Antworten ausgearbeitet – mit Barbie- und kindgerechtem Wortschatz. In einem Testgespräch geht es etwa um spätere Berufswünsche. Barbie: "Hey, du hast mir erzählt, dass du gerne auf einer Bühne stehst. Vielleicht wirst du also Tänzerin? Oder Politikerin? Oder tanzende Politikerin? Hey, du kannst werden, was immer du willst."

Noch ist die "Hello Barbie" weit davon entfernt, gegenüber Erwachsenen den Turing-Test für künstliche Intelligenz zu bestehen, bei dem es darum geht, in einem Dialog einen Menschen von Software zu unterscheiden. Aber Kinder reagieren anders als Erwachsene, sagen Mediziner. "Algorithmen können und sollten die nuancierte Ansprechbarkeit liebevoller Personen nicht ersetzen", zitiert CCFC den Kinderarzt Dipesh Navsaria von der Universität Wisconsin in der Debatte.

Ein anderer Punkt: Auch Eltern laufen Gefahr, mit der "Hello Barbie" in die Privatsphäre ihre Kinder einzudringen. Sie sollen einmal pro Woche die von Barbie aufgenommenen Audiofiles zugeschickt bekommen – aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Einer Sprecherin von Mattel Deutschland zufolge ist derzeit nicht geplant, die "Hello Barbie" in Deutschland zu verkaufen. (anw)