Prozessorgeflüster

Intel brilliert mit tollen Bilanzen und zaubert beim IDF in Taiwan einen weiteren besonders energiesparenden Prozessor aus dem Hut: Diamondville. AMD räumt Probleme beim „Ramp“ des Quad-Core-Prozessors ein, und aus Japan kommt NEC mit dem Supercomputer-Chip SX-9 mit dramatischen Leistungsverbesserungen.

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Von
  • Andreas Stiller

Speziell für das ultraniedrige Energieverbrauchssegment entwickelt Intel, so Shmuel „Mooly“ Eden, General Manager der Mobile Platform Group, „from scratch“ (also von Grund auf) einen neuen Prozessor, da es nicht möglich sei, die Core-Architektur so weit nach unten zu „stretchen“. Der auf dem lokalen Entwicklerforum in Taiwan kurz umrissene Prozessor namens Diamondville soll sich besonders preiswerten Laptops anbieten, ist also für den OLPC aus dem One-Laptop-Per-Child-Project, den Eee PC von Asus oder den von Intel vorgestellten Classmate PC gedacht. Natürlich ist Intel als frisches Mitglied des OLPC-Projektes ein Dorn im Auge, dass deren Laptop bislang auf dem AMD Geode beruht.

Diamondville soll mit extrem niedriger Betriebsspannung arbeiten, weit geringer als aktuelle ULV-Core-2-Duo-Prozessoren, die bei 10 Watt maximaler Energieaufnahme (TDP) liegen. Edens Ankündigung kam einigermaßen überraschend, eigentlich hatte man einen anderen Kandidaten für dieses Marktsegment erwartet: den Silverthorne-Prozessor in der Menlow-Plattform, den Intel für Ultramobile PCs (UMPC) und Mobile Internet Devices (MID) auserkoren hat - und der ebenfalls schon als komplette Neuentwicklung gepriesen wurde. Für diese Linie hatte Intel überdies bereits den noch weit sparsameren Nachfolger namens Moorestown angekündigt.

Auf der gleichen Veranstaltung führte Eden außerdem einen Quad-Core-Prozessor (2,66 GHz) für Intels nächste Notebook-Plattform Montevina vor, der mit 45 Watt TDP um 10 Watt energiehungriger ist als die aktuellen Dual-Cores. Neue Kühlaggregate, die ähnlich denen im Kühlschank mit Kompressoren arbeiten, sollen in zukünftigen High-End-Notebooks die Hitze abführen. Mooly demonstrierte ein Notebook-Design mit gleich drei solcher zylinderförmigen Kompressoren, ein jeder zehn Zentimeter lang mit einem Durchmesser von zwei Zentimetern, die gemeinsam die Chassis-Temperatur um zehn Grad zu senken vermochten.

Ansonsten gab es in Taipeh weitere Übertaktungsrekorde mit tiefgekühlten Prozessoren und die ersten riesigen Itanium-Tukwila-Dies (korrekter -Dice) zu bewundern - mit der fiesen, nicht übersetzbaren Überschrift in theinquirer.net: Tukwila dies!

Nebenbei verlautete, dass man die übernächste Prozessorgeneration Nehalem in der Version mit integrierter Grafik wohl erst im Jahre 2009 herausbringen werde. Ob die von Otellini ebenfalls für Ende 2008 versprochene Acht-Kerne-Version den ehrgeizigen Zeitplan wird einhalten können, bleibt erstmal offen.

Zu eilig muss es Intel auch gar nicht haben, da Konkurrent AMD nicht wirklich hinterherkommt und der Anlauf des neuen Quad-Core-Prozessors Barcelona weit schleppender verläuft als geplant. Das musste Chief Operation Officer Dirk Meyer einräumen, als AMD die neue Bilanz präsentierte. Die sieht zwar umsatzmäßig wieder deutlich besser aus (mit 1,632 Milliarden US-Dollar um 18 Prozent höher als im Vorquartal und um 23 Prozent besser als im Jahr zuvor), liegt aber immer noch mit operativ 226 Millionen kräftig im Roten. Wegen Sonderbelastungen vor allem aus dem Zukauf von ATI fällt der Nettoverlust zudem mit 396 Millionen noch um einiges höher aus. Immerhin, verglichen mit den Verlusten zuvor geht es wieder bergauf. Und ab Mitte November soll dann auch die Desktop-Version Phenom mit vier Kernen mithelfen, das Weihnachtsquartal vielleicht wieder ins Schwarze zu bringen.

Demgegenüber bombastisch nimmt sich die neueste Intel-Bilanz aus: mit knapp über 10 Milliarden US-Dollar Umsatz und einem satten Nettogewinn von 1,86 Milliarden - gut 43 Prozent mehr als im Vergleichsquartal des leicht krisengeschüttelten Jahres 2006. Den damals beschlossenen Personalabbau von jetzt insgesamt über 14 000 Arbeitsplätzen will Intel trotz der guten Zahlen weiter fortsetzen, in der Hoffnung, so noch mehr Profit erwirtschaften zu können.

Während Intel, AMD und Co. mit ihren neuen Prozessorgenerationen vergleichsweise bescheidene Sprünge von vielleicht 30 oder 40 Prozent Performancesteigerung machen, kann NECs jetzt vorgestellter Vektorprozessor SX-9 (ursprünglich in der Roadmap SX-8X genannt) in 65-nm-Technik mit einem Riesensprung gleich um den Faktor drei brillieren: von 35,2 auf nunmehr 102,4 GFlop/s. Und weit mehr noch steigen die für das High Performance Computing noch wichtigeren Bandbreiten. Die Speicherbandbreite der SX-9-Vektorsysteme erreicht dank ihrer vielen parallelen Kanäle unglaubliche vier Terabyte/s - siebenmal mehr als im Vorgängersystem SX-8R. Die I/O-Bandbreite ist viermal so hoch und die für die Interconnects zwischen den Nodes wurde auf 2 x 128 GByte/s versechzehnfacht. Dank 65-nm-Technik soll die Energieaufnahme im Schnitt dennoch nur noch bei 50 Prozent des Vorgängers liegen - sodass man in einem Node bei etwa gleicher thermischer Belastung doppelt so viele Prozessoren unterbringen kann.

Statt mit vier Pipelines arbeitet die neue Vektoreinheit mit deren acht und die Taktfrequenz hat NEC von 2,2 auf 3,2 GHz gesteigert. Mit 512 Knoten à 16 Prozessoren sind somit 839 TeraFlop/s drin. Die zugrunde liegenden 102,4 Gigaflops sind zwar nur theoretische - (2 Additionen + 2 Multiplikationen) · 8 Pipelines · 3,2 GHz - aber die in voller doppelter Genauigkeit. Die typischen Applikationen für Wetter- und Klimamodelle erzielen nach Auskunft der Wetterfrösche auf Vektormaschinen etwa 25 bis 35 Prozent dieser theoretischen Spitzenleistung, wogegen RISC-Systeme bei 6 bis 15 Prozent dümpeln.

Kein Wunder, dass sich Deutschlands oberste Wetterwarte, der Deutsche Wetterdienst, NECs SX-9-Angebot genau angeschaut und sich für die nächste Rechnergeneration zu dessen Gunsten entschieden hat. Anfang nächsten Jahres sollen die ersten SX-9-Rechnerknoten ausgeliefert werden, für Phase 1 sind beim DWD im nächsten Jahr zwei Rechner mit je fünf Teraflop/s (echter Wetterrechenleistung nach dem LM-RAPS-Benchmark) vorgesehen, einer für die Forschung und einer für die Wettervorhersage - dann wird sich zeigen, ob der DWD (endlich?) bessere Trefferquoten erzielen kann als Erzkonkurrent Kachelmann. (as) (as)