Das Diodenprinzip

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Von
  • Urs Mansmann


Das Diodenprinzip

Wenn ich etwas haben will, stehen mir alle Wege offen. Da reicht ein Mausklick oder ein Anruf mit der vagen Andeutung, dass ich bereit bin, für eine bestimmte Leistung einen monatlichen Beitrag zu entrichten, und ich bin im Geschäft. Auf einer Unterschrift hat da noch nie jemand bestanden, die Angabe der Bankverbindung oder Kreditkartennummer reicht immer aus.

Im Laufe der Jahre sind auf diese Weise einige kleine Posten zusammengekommen. So zahle ich etwa immer noch für einen Virenscanner, den ich längst nicht mehr benutze, oder für einen überzähligen, einstmals kostenlosen DSL-Account, dessen Betreiber inzwischen einen kleinen Obolus fordert. Ich kann mich gar nicht recht erinnern, wie und wann ich all diese vielen Verträge abgeschlossen habe, so leicht ging das.

Meiner Frau fiel das kürzlich bei Durchsicht der Kontoauszüge auf. Ich kürzte das Verhör über Sinn und Unsinn der einzelnen Ausgaben durch das hastige Versprechen ab, alles zu kündigen. Das wirtschaftliche Pendant zum tropfenden Wasserhahn belastet mein jährliches Budget ganz direkt mit einem immerhin dreistelligen Betrag, wie mir meine Gattin korrekt vorrechnete.

Ein Anruf pro Unternehmen genügt, dachte ich. Dann fand ich heraus, dass die Diskussion mit meiner Frau vermutlich einfacher gewesen wäre, als mir die Verträge alle wieder vom Hals zu schaffen. Fast alle Firmen wollten die Kündigung schriftlich haben, und nicht etwa per E-Mail. Das wäre vermutlich auch zu einfach, da könnte ja jeder kündigen. Es müsse ein Brief oder ein Fax sein, mit Unterschrift, so die einhellige Ansicht der Kundenbetreuer, die sich nicht umstimmen ließen. Offenbar haben die Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass der eine oder andere Kunde seinen Kündigungswunsch zurückstellt, wenn er dafür Arbeit investieren muss.

Nur bei Microsoft sah man es andersherum: Durch erste Erfahrungen vorgewarnt kündigte ich per Web-Formular. Zu meiner Überraschung wurde ich daraufhin "aus Datenschutzgründen" an die Hotline verwiesen. Offenbar aus gegenteiligen Gründen waren in dieser Antwortmail alle persönlichen Daten aus dem Web-Formular enthalten, die nachher noch einmal von der Hotline abgefragt wurden. Aber wenigstens dieses eine Mal konnte ich tatsächlich telefonisch kündigen.

Die restlichen Kündigungen verfasste ich gezwungenermaßen in Schriftform. An einem verregneten Wochenende suchte ich die Firmenanschriften und Kundennummern heraus und druckte eine Kündigung nach der anderen. Das Ergebnis war ein Stapel Briefe, der unseren Vorrat an 55-Cent-Marken vollständig erschöpfte.

Offenbar funktioniert Kundenbindung heutzutage nach dem Diodenprinzip und die Kündigung ist dabei die Sperrrichtung. Reinzukommen ist ganz leicht, in der anderen Richtung trifft man auf erheblichen Widerstand. Wenn ich künftig telefonisch oder per Web-Formular einen Vertrag abschließe, werde ich das davon abhängig machen, ob ich auch auf dem gleichen Wege kündigen kann. Das dürfte mich vor unbedachten Impulshandlungen künftig bestens schützen. (uma)